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Heureka! Wir können mit Fug und Recht behaupten in einer Zeit zu leben, in der es immer weniger um das “Richtig oder Falsch” einer Sache geht. Es geht endlich nur noch um die Sache an sich. So interessiert z.B. kein Schwein mehr, warum ein Bauer eine Frau sucht, es geht darum, dass er es tut. Genausowenig fragt sich noch jemand ernsthaft – das langweilt selbst ambitionierte Feministinnen –, warum Frauen sich auf Gardemaß hungern. Es geht vielmehr darum, dass sie es tun, pünktlich zur Wellness-Kürbissuppe auf der Couch.

Es ist eine Medienwelt, in der suggeriert wird, dass jeder – von der Bild über Heidi Klum bis hin zum FC Bayern München – seine Rolle zu spielen hat. Wer das hinterfragt, ist entweder nicht auf der Höhe der Zeit oder aber “linker Hetzer”, Single oder Bielefeld-Fan. Das, was uns im Austausch für unseren Glaubenssatz Tag für Tag von Privatfernsehen und Boulevardmedien präsentiert wird, ist eine Powerpointfolie der Wirklichkeit mit verlockender Botschaft und ohne nervigen Text. Die Dinge des Lebens sind einfach, greifbar und wirken schneller als die Samstagmorgen-Aspirin. Klingt zu gut, um wahr zu sein.

Kein Wunder, dass selbst für das stets bemühte Bildungsbürgertum die Grenzen zwischen dem, was wahrgenommen wird und dem, was wirklich passiert, zunehmend verschwimmen. Wenn wir nicht eh schon auf die ein oder andere Art Werber sind, dann ist uns zumindest ordentlich eingeimpft, dass es ohne nicht mehr geht – im Beruf wie im Privaten. “Geil ist geil” scheint nicht erst seit gestern der Wahlspruch einer demografischen Gruppe, in der auch die digitale Bohème beheimatet ist.

Eine Etage tiefer indes fragt man sich maximal noch, “von wat für Grenzen der Typ da fabbeliert” – um den Bottroper in mir zu bemühen. So verwundert nach überstandener Schockstarre wenig, was für soziale Dramen sich im Facebook-Forum “Wir wollen Guttenberg zurück” abspielen. Der Schmerz, den man dort vorfindet, ist echt. Es ist der Schmerz von Abertausenden, die sich um ihre Wahrheit betrogen fühlen. Für sie ist das einzige “Warum”, das momentan zählt, das eindimensionale “Warum ist er weg?”. Den Geschundenen mit Argumenten entgegenzutreten, die zu erklären versuchen, dass der Baron tatsächlich jemand anderes ist als der, für den sie ihn hielten, gleicht einem Affront.

Ein Affront gegen all das, was man ihnen in den letzten 30+ Jahren beigebracht hat: Dass alles ist, was es ist. Herr zu Guttenberg z.B. ist ein gutaussehender, netter, junger Mann. Punkt. Das zumindest ist die ihm von Bild und Medien zugewiesene Rolle: unverfänglich unpolitisch, knapp an der Wirklichkeit vorbei und natürlich ganz ohne Hintergedanken – weder bei Boulevard noch Baron. Einem mit den Medien verquickten Politiker, der seinen Zweck modebewusst auf sich selbst reduziert hat, nimmt man das bereitwillig ab – nicht nur fernab der Bildungselite.

Und ehe man sich versieht, lebt im Angesicht “dieser Zustände” reflexhaft ein feuchter Traum auf, der linke Boulevard: “Wenn wir den Patienten nicht erreichen, müssen wir eben zu ihm kommen!” Vergessen wird dabei nur zu gern, dass erwähnte Powerpointfolie eine Powerpointfolie bleibt. Egal, wer sie macht, sie bleibt eine Verkürzung der Realität, wirkt zwar irgendwie schnell, zur Genesung trägt sie jedoch nicht bei. Oder anders: es ist egal, ob man von rechts oder links reduziert, am Ende kommt dabei Bild raus. Das Übel wirklich bei der Wurzel zu packen, wäre wohl nur durch ein Mehr an Bildung zu bewältigen. Das aber klingt irgendwie nicht so kühl wie Keynote, eher nach 18. Jahrhundert ohne WiFi.

Da es so oder so zumindest länger als eine Legislaturperiode dauern würde, muss die Frage erlaubt sein, ob es denn wirklich im Interesse der zeitgenössischen Politik läge, der Bildung unter die Arme zu greifen. Ein Blick auf die Geschehnisse der letzten Wochen lässt bei der Beantwortung zumindest Raum für Zweifel.

Um es kurz und verständlich zu sagen: Es ist, was es ist. Häufig Scheiße.

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Bild via urbanshit.de

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Jan Jasper Kosok

Online-Chef

Jan Jasper Kosok studierte Wirtschaftswissenschaften in Berlin, verdingte sich im Nachtleben und gründete 2007 mit Teresa Bücker das Blog Knicken // Plakative Platzierungen, welches sich mit Musik und Popkultur beschäftigte. 2009 kam er zum Freitag, um beim Aufbau des Webauftrittes zu helfen. Seit 2011 ist er verantwortlicher Redakteur für Online und Community und hat seitdem mehrere Relaunches begleitet. Er beschäftigt sich mit den sozialen Auswirkungen von zu hohem Internetkonsum und fürchtet sich davor, nicht verhindern zu können, ein alter weißer Mann zu werden.

Jan Jasper Kosok

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