Pünktlich zum vermeintlichen Fest der Liebe schickt die Kanzlei Urmann + Collegen Briefe durchs Land, die es in sich haben. Vordergründig geht es um die Durchsetzung des Rechts urheberrechtlich geschützter Kurzfilme, hier Pornoclips, die es auf dem Streaming-Portal Redtube zu bestaunen gibt. Dahinter steckt aber das schnelle Geschäft mit dem schlechten Gewissen Tausender Internetnutzer, die in dem Glauben gelassen werden, sie hätten etwas Unrechtes, zumindest aber etwas Verwerfliches getan. Die Adressaten sollen 250 Euro zahlen und eine Unterlassungserklärung abgeben, die sie später noch teurer zu stehen kommen könnte.
Dabei ist an der Geschichte einiges faul. So ist fraglich, wie genau die Kanzlei an die IP-Adressen der Nutzer des Streaming-Portals gekommen ist. Man hört, dass Nutzer über einen Proxy-Server, der die IP-Adressen abfischte, direkt auf das urheberrechtlich beanspruchte Material umgeleitet wurden. Das wäre eine perfide Falle. Und selbst eine Staatsanwaltschaft prüft unterdessen, ob beim Abgreifen der IPs alles mit rechten Dingen zuging.
Zudem wird spekuliert, dass das angerufene Gericht nicht zwischen Tauschbörse und Streamingportal unterscheiden konnte. Bei Letzterem ist umstritten, ob das Gericht überhaupt verfügen dürfte, die Namen der Nutzer herauszugeben. Oder aber es wurde über die Herkunft der IP-Adressen getäuscht – an Eides Statt.
Die Abmahnkanzlei argumentiert unterdessen, dass auch Streamen – technisch: das Kopieren eines Videos in den temporären Zwischenspeicher – eh eine Vervielfältigung und damit ein Rechtsvergehen darstelle. Folgte man dieser Argumentation, so führte man die Mechanik des Internets aber ad absurdum. Denn das Netz ist schlussendlich nichts als kopieren. Alles, was wir uns anschauen, duplizieren wir – zumindest zeitweise. Wird dieser Text etwa online gelesen, so würde er augenblicklich auf dem Rechner des Lesers vervielfältigt. Nicht auszumalen, welche Folgen eine solch neue Rechtsauslegung hätte. Und man würde juristischen Fallenstellern Tür und Tor öffnen. Klarheit? Fehlanzeige.
Selbst wenn sich all die Zweifel an dem Vorgehen und den Erklärungen der Kanzlei erhärten sollten – und davon ist auszugehen –, nutzt das dem Nutzer vorerst wenig. Er wird sich mit einem Anwalt selbst wehren müssen, denn der Gerichtsbeschluss, der die Abmahnungen möglich machte, gilt nach wie vor – bis er womöglich erfolgreich angefochten wird. Und das kann dauern.
Solange aber Gesetzgeber und Rechtsprechung dem Abmahnwahn generell keinen Riegel vorschieben, wird im deutschen Netz weiter große (Rechts-)Unsicherheit bei Millionen Nutzern herrschen. Ein unhaltbarer Zustand, nicht nur für Pornokonsumenten. Urmann + Collegen haben bereits angekündigt, nachzulegen und Nutzer anderer Streaming-Portale abmahnen zu wollen.
Nun mag es sein, dass die Bundesregierung die abschreckende Wirkung solcher Abmahnwellen im Kampf gegen illegale Angebote im Netz für zweckdienlich hält. Auf lange Sicht sind sie aber weder wirtschaftlich noch gesellschaftlich sinnvoll. Es wird Zeit, dass die Politik diesen Irrsinn beendet.
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