"Es fehlt jede Grundlage"

Leistungsschutzrecht Das Max-Planck-Institut für Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht hat eine Stellungnahme zum Gesetzesentwurf für ein Leistungsschutzrecht herausgegeben

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Das Max-Planck-Institut für Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht hat anlässlich der bevorstehenden Beratung (voraussichtlich in der Nacht des 29. auf den 30.11.12) des Deutschen Bundestags hinsichtlich einer Änderung des Urheberrechtsgesetzes, durch die ein Leistungsschutzrecht für Verleger geschaffen werden soll, eine Stellungnahme zum Gesetzesentwurf herausgegeben.

Das vollständige Papier findet sich hier.

An dieser Stelle der fünfte und letzte Punkt:

Absehbare Folgen und Gefahren

Weil die Presseverleger gar kein Interesse daran haben, dass ihre Produkte von Suchmaschinen nicht erfasst werden, und weil aber auch anzunehmen ist, dass viele Dienstanbieter nicht bereit wären, auf deutsche Presseprodukte zu verlinken, wenn sie dafür Lizenzgebühren bezahlen müssen, dürfte das neue Schutzrecht in der Praxis leer laufen. Die meisten Verleger werden ohne Vergütung einwilligen, dass Links gesetzt werden – denn tun einzelne das nicht, andere aber schon, riskieren jene, die auf dem Schutzrecht beharren, im Internet jegliche Relevanz zu verlieren.

Doch selbst wenn eine Mehrzahl der Verleger das ihnen gewährte Recht nicht durchsetzen würde, wirkte es sich zulasten der Dienstanbieter aus. Diese müssten nämlich gleichwohl auf jeden Verleger zugehen, um sicherzustellen, dass nicht doch plötzlich eine Rechtsverletzung geltend gemacht wird. Der dadurch entstehende Aufwand bliebe auch dann immens, wenn letztlich überwiegend Gratislizenzen erteilt werden sollten. Die Wahrscheinlichkeit, dass stattdessen einfach gar nicht mehr auf deutsche Presseinhalte verlinkt würde, scheint mithin sehr hoch, was aber in niemandes Interesse liegt.

Denkbar wäre stattdessen, das Leistungsschutzrecht mit einem gesetzlichen Zwang zur kollektiven Rechtewahrnehmung zu kombinieren, womit zwar das Problem der Rechteklärung entfiele. Gleichzeitig könnte dies aber je nach Regelung zur Folge haben, dass Verleger gar nicht mehr in eine kostenlose Nutzung einwilligen könnten. Suchmaschinenbetreiber, die einer kollektiv erhobenen Vergütung entgehen wollen, könnten diese nur vermeiden, indem sie von vornherein nicht auf deutsche Presseinhalte verlinken würden. Im Ergebnis könnte der Effekt also der gleiche sein, wie wenn eine individuelle Rechteklärung notwendig wäre.

Unter diesen Umständen dürfte sich ein Verbotsrecht – wie immer es ausgestaltet sein mag – stets zum Nachteil der deutschen Volkswirtschaft auswirken. Dies gilt erst recht, wenn Deutschland im Alleingang handelt. Daran gehindert, Presseinhalte durch Suchmaschinen zu finden, würden nämlich nur Nutzer im Inland; Nutzer aus dem Ausland wären davon nicht betroffen. Folglich müssten international tätige Suchmaschinenbetreiber den Zugriff aus Deutschland technisch blockieren – deutsche Nutzer also benachteiligen. Sollten Betreiber stattdessen gar nicht mehr auf deutsche Presseinhalte verlinken, wären diese generell nicht mehr zu finden. Allen- falls würde die deutsche Rechtslage im Ausland aber auch einfach ignoriert. Angesichts der Schwierigkeiten einer Rechtsdurchsetzung in gewissen Ländern drohte das deutsche Verbot damit leer zu laufen. Offenkundig würden inländische Suchmaschinenbetreiber, die sich an das Verbotsrecht halten müssten, damit einem Wettbewerbsnachteil ausgesetzt.

Gesamthaft betrachtet scheint der Regierungsentwurf nicht durchdacht. Er lässt sich auch durch kein sachliches Argument rechtfertigen. Dass er überhaupt vorgelegt wurde, erstaunt schon aufgrund der Tatsache, dass bereits in einer Anhörung des Bundesministeriums der Justiz vom 28. Juni 2010 ein solches Schutzrecht praktisch einhellig abgelehnt wurde. Dahinter stehen selbst die Presseverleger nicht geschlossen.

Es fehlt damit jede Grundlage dafür, die vorgeschlagene Regelung zu verabschieden.

München, 27. November 2012

Das Papier wird unterstützt durch den

  • GRUR-Fachausschuss Urheber- und Medienrecht

sowie persönlich von

  • Ralf Dewenter, Professor, Düsseldorf Institute for Competition Economics (DICE), Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
  • Thomas Dreier, Professor und Direktor, Institut für Informations- und Wirtschaftsrecht Zentrum für angewandte Rechtswissenschaft (ZAR), Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Universität Karlsruhe
  • Katharina de la Durantaye, Professorin, Humboldt-Universität zu Berlin
  • Christophe Geiger, Professor und Direktor, CEIPI, Université de Strasbourg, Frankreich
  • Niko Härting, Professor und Rechtsanwalt, Härting Rechtsanwälte, Berlin
  • Thomas Hoeren, Professor und Direktor, Zivilrechtliche Abteilung des Instituts für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht, Westfälische Wilhelms-Universität Münster
  • Rainer Kuhlen, Professor, Department of Computer and Information Science, Universität Konstanz
  • Matthias Leistner, Professor und Direktor am Institut für Handels- und Wirtschaftsrecht, Rheinische Friedrich-WilhelmsUniversität Bonn
  • Axel Metzger Professor und Leiter, Institut für Rechtsinformatik, Leibniz Universität Hannover
  • Holger Nohr Professor und Direktor, Institut für Kreativwirtschaft, Hochschule der Medien StuttgartMax-Planck-Institut für Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht
  • Ansgar Ohly Professor, Ludwig-Maximilians-Universität München
  • Alexander Peukert, Professor, Goethe-Universität Frankfurt am Main
  • Haimo Schack, Professor und Direktor, Institut für Europäisches und Internationales Privat- und Verfahrensrecht, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
  • Olaf Sosnitza, Professor und Richter am OLG a.D., JuliusMaximilians-Universität Würzburg
  • Gerald Spindler, Professor und Direktor, Institut für Wirtschaftsrecht, Georg-August-Universität Göttingen
  • Malte Stieper, Professor, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Gerne hätte ich die gesamte Stellungnahme hier eingestellt, konnte jedoch beim MPI niemanden erreichen, der mir eine solche Erlaubnis hätte erteilen können. Insofern bleibt es bei einem zugegebenermaßen langen Zitat und – angesichts des Themas – der Hoffnung auf Verständnis.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Jan Jasper Kosok

Online-Chef

Jan Jasper Kosok studierte Wirtschaftswissenschaften in Berlin, verdingte sich im Nachtleben und gründete 2007 mit Teresa Bücker das Blog Knicken // Plakative Platzierungen, welches sich mit Musik und Popkultur beschäftigte. 2009 kam er zum Freitag, um beim Aufbau des Webauftrittes zu helfen. Seit 2011 ist er verantwortlicher Redakteur für Online und Community und hat seitdem mehrere Relaunches begleitet. Er beschäftigt sich mit den sozialen Auswirkungen von zu hohem Internetkonsum und fürchtet sich davor, nicht verhindern zu können, ein alter weißer Mann zu werden.

Jan Jasper Kosok

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