“Vor ein paar Tagen postete Jan Böhmermann ein Bild auf Twitter. Was dann geschah, werden sie nicht glauben.” So oder ähnlich hätte ein beliebiges Clickbaiting-Portal vermutlich die Mediengeschichte der letzten Woche betitelt. Normalerweise folgt im Anschluss daran trotzdem etwas, was vor allem eins ist: vorhersehbar. Auch hier wird keine Ausnahme gemacht: Ein Moderator tut, was alle tun, obwohl es nicht rechtens ist. Ein Fotograf beruft sich auf sein gutes Recht, obwohl dies nicht mehr viel mit dem zu tun hat, was draußen an den Geräten passiert. Dazu gebe man eine Abmahnkanzlei, einen BILD-Chefredakteur, einen gehörigen Schuss Halbwissen und ein paar Tausend Fans und Follower. Voilà: Double Shitstorm.
Doch von Anfang an: Als Antwort auf einen Tweet von Sybille Berg postet Jan Böhmermann ein Bild des Fotografen Martin Langer, welches er bei Google gefunden hat. Es zeigt einen inkontinenten Nazi in Milieu(Rostock-Lichtenhagen)-typischer Pose. Die Kanzlei des Fotografen mahnt den Moderator ca. 6 Monate später ab. Böhmermann informiert seine ca. 160.000 Follower auf Twitter über diesen Vorgang. Dabei nennt er Namen des Fotografen und Höhe der Abmahnsumme (1000 €). Der Graben ist geschlagen.
Der Fotograf Langer fühlt sich an den Pranger gestellt, auch weil sich Böhmermann in einer Radiosendung zusammen mit Kollege Olli Schulz medienwirksam über den Vorfall amüsiert. Von Pranger will der Moderator mit Abstrichen – die Namensnennung war nicht ok – nichts wissen. Böhmermann deutet stattdessen an, dass das mit der Abmahnpraxis ja eher keine so saubere Sache sei. Sie treffe nicht nur Leute wie ihn, sondern auch Otto Normalverbraucher in gleicher Härte. Davor hätte er warnen wollen. Langer wird im Netz bedroht.
Der Fotograf Sascha Rheker springt derweil seinem Kollegen auf freelens.com bei und weist mehrfach und nachdrücklich darauf hin, dass dieser schließlich im Recht sei. Außerdem ginge es nur um 906€ und sowieso nicht nur um Geld, sondern auch Kontrolle über das “wer darf was”. Das Verhalten von Böhmermann findet er schäbig. Er postet einen Screenshot des Tweets von Böhmermann, auf dem das urheberrechtlich geschützte Bild deutlich zu erkennen ist. Der Wohl-doch-Blogger Felix Schwenzel wiederum weist darauf hin, dass man sich im Internet praktisch nicht mehr bewegen kann, ohne gegen geltendes Recht zu verstoßen. Kai Diekmann twittert. Die sogenannte Netzgemeinde ist gespalten und erregt.
Zwei Dinge sind – neben den offensichtlichen – an dieser Geschichte problematisch. Erstens wirft die eine Seite der anderen vor, zu sein, was sie ist. Ein urheberrechtlich geschütztes Bild zu posten und zu erwarten, dass der Fotograf daraus keinen Profit schlägt, ist zwar möglich, aber nach jetzigem Rechtsstand naiv. Einen Moderator der Generation Remix kurz vor dem Start seiner neuen Sendung abmahnen zu lassen und zu erwarten, dass dieser aus diesem Umstand keinen medialen Profit schlägt, ist zwar möglich, aber ebenfalls naiv. Der jeweils anderen Seite ihr Verhalten vorzuwerfen, ohne das eigene zu Genüge zu reflektieren, ist wohlfeil.
Zweitens könnte man die Energien, die bei einem solchen Scharmützel öffentlichkeitswirksam verbraucht werden, um möglichst viele Menschen hinter sich und seine Meinung zu scharen, besser nutzen. Denn beide Seiten können und dürfen sich nur so aufführen, weil alltägliche Praxis und Legislative ihnen den Spielraum lassen. Sinnvoll wäre, gemeinsam darauf zu drängen, die klaffende Lücke zwischen Lebenswirklichkeit im Netz und geschriebenem Gesetz zu schließen, zumindest aber zu verkleinern. Damit Nutzer sich nicht dauer-kriminell bewegen müssen, damit Werke ordentlich entlohnt werden und dem Internet nicht die gute Laune abhanden kommt. Da ist es maximal um die Ecke gedacht hilfreich, wenn zwei Medienschaffende, die schlussendlich im selben Boot sitzen, sich auf Kosten des anderen profilieren. Selbst wenn es schwer fällt, man hat ja schließlich Recht.
Kommentare 11
Ich bin da ganz bei dir. Selbst wenn man streiten mag, inwiefern Böhmermann überhaupt noch privat sein kann, lässt gerade der Umstand, dass der Tweet eine Antwort war, doch vermuten, dass er hier zumindest nicht zwingend komerziell unterwegs war. Aber mei. Auch da ist der Spielraum groß.
Was ich aber auch ein wenig komisch finde – und da spreche ich, Hallo Freitag, aus eigener Erfahrung –, ist, dass Langer Böhmermann nicht einfach angeschrieben hat. Das hätte sicherlich auch 200€ und wesentlich weniger schlechte Presse gegeben. Und ein paar Karmapoints.
Dennoch: jeder nach seiner Facon. Nur wundern sollte man sich dann eben nicht.
wurde der besoffene sweatpantsträger an dem umsatz, den der fotograf im laufe der 25 jahre gemacht hat, eigentlich beteiligt? oder ist sein fehltritt nicht nur teil seiner daraus entstandenen scham sondern auch teil eines öffentliches interesses (an dem der fotograf gut verdient)?
hat der moderator, der ein urheberrechtlich geschütztes bild postet eigentlich auch nichts dagegen, wenn andere seine text benutzen (im falle, er bringt künstlerische irgendwas hervor, ich kenne den mann gar nicht...)?
Wer Multiplikatoren verklagt hat einen an der Waffel ...
Das unterschreib ich [sic!] eh. Aber um mich geht's halt nicht.
Kleine Randnotiz: Das Bild war zu den Hochzeiten von Pegida ja selbst schon Teil eines Meme.
Eine Sache noch, die ich kürzlich bei Wolfgang Blau über Verleger las und die mit Abstrichen und abstrakt mit Sicherheit auch auf manch einen Fotografen zutrifft:
"Für viele Verleger gibt es in der digitalen Welt einfach nichts zu gewinnen, und wir sollten ihnen nicht so rasch Verschlafenheit vorwerfen. Ihre Strategie, das alte Printgeschäft so lange zu beschützen wie möglich und ihre digitalen Aktivitäten nur als markenpflegende Begleitmusik für Print zu betreiben, ist plausibel und legitim. Verlage sind keine Stiftungen, und die meisten Tageszeitungen haben nun einmal keine plausible digitale Zukunft, sondern nur eine mittelfristige Zukunft als Printmedien, und danach ist es leider vorbei."
http://derstandard.at/2000010998073/Wolfgang-Blau-Modernerer-Journalismus-ohne-Paywall
Das sollte man zumindest beherzigen.
"und so macht man lieber das Internet kaputt als unternehmerisch in der Gegenwart anzukommen."
Wenn das bedeuten würde, selbst zu sterben, ist man sich halt selbst am nächsten. Ich denke, darauf will Blau hinaus. Das ist zwar scheiße, aber verständlich. In einem sehr existenziellen Sinne.
Der Witz gerade bei besagtem Foto ist doch, dass Martin Langer – der Fotograf – das Foto ohne Klärung der Persönlichkeitsrechte der abgebildeten Person machte. Also, nach heuteiger Rechtslage gar nicht zu einer Veröffentlichung berechtigt wäre. Dies zeigt doch exemplarisch wie absurd inzwischen die rechtlichen Rahmenbedingungen um das Urheberrecht geworden sind. Und, machen wir uns nichts vor: Die einzigen, die momentan wirklich ultrafett am Urheberrecht verdienen sind Abmahnkanzleien.
Hier Julia Redas Blog zur EU-Lobbys bezüglich einer Reform des Urheberrechts. Klar wird, dass Bürger eben keine Lobby haben, die Rechte der Nutzer also zu kurz kommen.
Mal wieder ein Medien-Sturm im Medien-Wasserglas. Nach dem Motto: Wie hype ich mich als Medienfuzzi am effektivsten? Mein Vorschlag lautet da noch immer: Dschungelcamp.
Kleiner Hinweis, als Ergänzung, auf Enno Lenze und sein Blog „Meine unlizenzierten Fotos in den Medien“, wie weit der Nichtrespekt vor dem Werk anderer gediehen ist. Und wie (scheinbar?) locker Lenze damit umgeht. Das mit dem „picken sich auch nicht nur ein 43 Sekunden Video raus“ markiert die ganze Bandbreite.
Ich lese aus Lenzes Blogartikel weniger ein »locker Nehmen« heraus als vielmehr eine zwischen Verzweiflung, Galgenhumor und notgedrungenem Pragmatismus changierende Position – angesichts der beschriebenen Praxis, dass sich selbst bei den »Großen« im Metier kaum noch jemand ernsthaft um Lizenzen und Urheberrechte zu kümmern scheint.
Lenze ist den von Jan entworfenen Weg gegangen, eben nicht gleich den (Abmahn)Anwalt vorzuschicken. Sondern er stellt in den Mittelpunkt der Betrachtung eine Frage, die in Deutschland immer wieder empirisch mächtig (anhand von Rechtsbegriffen) abgehandelt, aber nur selten öffentlich in ihrer sozialen Dimension diskutiert wird. Ich meine damit den grundlegenden Aufsatz von Michael H. Goldhaber „„The Attention Economy and the Net“ von 1997. Der Kampfbegriff von der „Gratiskultur“, mit dem hierzulande Claims in der „unbekannten Welt des Netzes“ abgesteckt werden, meint nur die vermeintliche Erfrechung des Publikums, sich zu bedienen und klammert das genaue Gegenteil aus: Die Frechheit, mit der sich arrivierte Medien in Social Media, bei Blogs und bei der buckligen Konkurrenz bedienen, um Umsatz zu machen. Das hat sehr viel mit Eulenspiegelei zu tun, als der Wirt vom Till Geld verlangte, weil er alleine vom Bratenduft satt geworden sei.
wenn Sie nur den "nackten" Link setzen, ist das alles kein Prob. Wird dagegen das Pic visualisiert, ist es eine "Verwendung".