Die Binse, der Fußball sei nicht politisch, wird in der Regel immer dann bemüht, wenn das Politische, das just zu Tage gefördert wurde, dem Betrachter nicht passt. Dass die Parole Nonsens ist, zeigt allein ein Blick auf die Geschichte des Sports, der noch nie einen Hehl daraus machte, bereitwillig die auch jetzt wieder beschworenen Werte über Bord zu werfen, wenn es denn nur dem Klingelbeutel, der sportlichen Reputation oder sonst einem hehren größeren Ganzen dient.
Von der WM 1978 in der damaligen Militärdiktatur Argentinien über den fröhlichen Partypatriotismus des Sommermärchens 2006 bis hin zur Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien, bei der die Ärmsten die Zeche für König Fußball zahlen durften, wurde gerne mal ein Auge zugedrückt – solange die Bilder auf dem anderen nur stimmten. Und machen wir uns nichts vor: Das Hin- und Wegschauen ist in einer Welt der Medien nicht weniger als hochpolitisch. So wird es auch bei den anstehenden Weltmeisterschaften in Russland und Katar wieder sein.
Dass nun mit Mesut Özil und İlkay Gündoğan zwei Fußballer der deutschen Nationalmannschaft mit dem Autokraten Recep Tayyip Erdoğan posieren, ist es natürlich auch. Und es kann einem durchaus aufstoßen, dass sich hier Personen des öffentlichen Lebens, die über immense Reichweiten verfügen, mit jemandem gemein machen – oder zumindest instrumentalisieren lassen –, dessen Agenda mehr als fragwürdig ist. Das ist auch gut so.
Nur sollte man sich eben nicht vertun. Zum einen ist der DFB in diesem Diskurs keine glaubwürdige Instanz. Reinhard Grindel & Co. sind vor allem an sauberen Bildern interessiert, die sich gut vermarkten lassen. Den Beweis, dass es dem Verband über Gratismut hinaus um politische Statements geht, die einschneidende Konsequenzen für das eigene Tun hätten, bleibt er nach wie vor schuldig. Ganz im Gegenteil, wer bei der Entsendung seiner Spieler zwischen Sponsoren und Politikern selten qualitative Unterschiede macht, darf sich nicht wundern, wenn eben diese Spieler es ihm gleichtun: Ein PR-Termin ist ein PR-Termin, gelernt ist gelernt.
Aber auch die Spieler darf man nicht vom Haken lassen, wenn sie sich aufs Unpolitische zurückziehen. Schon gar nicht sollte man ihnen mit dem Leitspruch vom politfreien Fußball noch zusprechen. Im Gegenteil, wer wie Özil behauptet, er rede nicht über Politik, hat nicht verstanden – oder will es nicht –, dass seine Bilder dies sehr wohl tun. Und auch Gündoğans Ausflüchte – „Fußball ist unser Leben und nicht die Politik“ – zeugen davon, dass das Medientraining der kickenden Marken wohl meist ein rein oberflächliches ist. Da ist Nachhilfe vonnöten: Fußball und Politik sind untrennbar verbunden.
Es würde dem Sport daher gut tun, wenn er seine Protagonisten zu mehr Eigenverantwortung ermutigen würde. Was selbstredend nicht zwangsläufig zu wünschenswerten Ergebnissen führen muss – weder für Funktionäre, Vermarkter noch Fans. Aber das Eingeständnis, dass politische Diskurse de facto von jeher zum Fußball gehören und er mehr ist als das, was es auf die Bildschirme schafft, würde zumindest dazu anregen, sich mit dem auseinanderzusetzen, was eben fernab des Spielfelds passiert. Denn dort geht es häufig schmutziger zu als auf selbigem.
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.