Nein, schrieb die Zeit vor zwei Wochen, mangelnde Konsistenz könne man Bettina Stark-Watzinger nicht vorwerfen: „Was sie anpackt, misslingt.“ Dabei waren die Hoffnungen gewaltig, als die damals 53-Jährige Ende November 2021 von der FDP-Spitze als neue Bundesministerin für Bildung und Forschung nominiert worden war. Gut, das hatte auch viel mit ihrer Vorgängerin, Anja Karliczek (CDU), zu tun: Die war gelernte Hotelfachfrau und Absolventin eines Fernstudiengangs, weshalb die dünkelhafte Wissenschaftsszene nie richtig warm mit ihr geworden war. Stark-Watzingers Lebenslauf hingegen enthielt die richtigen Schlagwörter: Studium an den Universitäten Frankfurt und Mainz, Geschäftsführerin einer interdisziplinären Forschungseinrichtung,
inrichtung, Parlamentarische Geschäftsführerin der FDP-Bundestagsfraktion. Außerdem war sie die für den Etat des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) zuständige Berichterstatterin im Haushaltsausschuss.Sie habe Ahnung, sei politisch einflussreich und könne das Geld beschaffen: Solche Erwartungen aus Bildung und Wissenschaft wurden weiter genährt durch einen Ampel-Koalitionsvertrag, der den versprochenen „Aufbruch“ auch in Form milliardenschwerer Bildungsprojekte ausbuchstabierte: ein zweiter Digitalpakt, ein „Startchancen-Programm“ für Tausende von benachteiligten Schulen, ein grundlegender Bafög-Umbau und mehr.Ihren Ehrgeiz hatte Stark-Watzinger bereits Monate bevor sie Ministerin wurde gezeigt: In der Welt forderte sie eine „Bildungsrevolution“, warf der Kultusministerkonferenz vor, „bürokratisch und träge“ zu sein, und erklärte einen „Systemwechsel“ für erforderlich – hin zu mehr Verantwortung des Bundes in der Bildung. Fragt sich: Warum lag Stark-Watzinger laut Spiegel-Regierungsmonitor zuletzt auf Platz 16 von 16 Bundesminister:innen?Bettina Stark-Watzinger macht einen Fehltritt nach dem anderenFakt ist, dass ihr Ministerium schon im Sommer 2022 in verschiedenen Forschungsförderprogrammen den Rotstift ansetzen wollte. Fakt ist auch, dass sie Anfang 2023 freudig die Ankündigung einer jährlichen „Bildungsmilliarde“ von Finanzminister Christian Lindner begrüßte – obwohl diese einem Sparprogramm gleichkam: Die Umsetzung aller Ampel-Bildungsprojekte würde das Mehrfache kosten. Vor ihrer Zeit als Ministerin, im Sommer 2021, trat Stark-Watzinger in ein Fettnäpfchen: In Österreich hatte sie an einer Veranstaltung teilgenommen, die von Tom Rohrböck organisiert worden war – einem der AfD-nahen Politikberater. Jene Wahlkreismitarbeiterin, die das Treffen initiiert hatte, wurde sofort entlassen. Doch so entschlossen wie damals tritt Stark-Watzinger, seitdem sie im Dezember 2021 Ministerin wurde, selten auf.Zum Beispiel bei ihren Bemühungen, das sogenannte Wissenschaftszeitvertragsgesetz zu reformieren, um die enormen Befristungsquoten in der Wissenschaft zu verringern. Nach monatelangen Beratungen präsentierte sie die Pläne, doch nur 50 Stunden später ließ sie ihre Staatssekretäre nach einem Online-Shitstorm die erneute Überarbeitung verkünden. Die Landeswissenschaftsminister wiederum waren irritiert, als der Koalitionsausschuss im September 2022 eine 200-Euro-Energiesoforthilfe für Studierende und Fachschüler beschloss, das BMBF aber über Wochen keinen Weg fand, das Geld auszuzahlen – und daraufhin (so zumindest die Darstellung der Kritiker) den Ländern den Schwarzen Peter zuschob. Die Leidtragenden waren natürlich die Betroffenen: Bis Mitte März mussten sie auf den Beginn der Auszahlung warten.Wenig glücklich agierte Stark-Watzinger auch gegenüber den Kultusministern: Sie wolle eine neue „Kultur der Zusammenarbeit“ im Föderalismus, ohne mit dem Finger aufeinander zu zeigen, betonte sie. Doch ihre Länderkollegen erinnerten sich an den Welt-Gastbeitrag und zahlreiche Interviews, in denen sie den aus der Zeit gefallenen Zustand der Schulen beklagt hatte: Lehrermangel, schlechte Schülerleistungen. Für die zuständigen Kultusminister war das ein Affront. Stark-Watzinger solle lieber ihren eigenen Job machen und das versprochene Geld für den Bildungsaufbruch organisieren, hieß es aus den Ländern. Als Stark-Watzinger Anfang März zu einem Bildungsgipfel lud, ohne die Kultusminister in die Planung einzubeziehen, blieben fast alle demonstrativ fern.Das Ruder rumreißenDabei ist ihre Bilanz in Teilen respektabel. Sie hat den ersten Teil der Bafög-Reform abgeliefert, sie war federführend bei der Ausarbeitung der „Zukunftsstrategie Forschung und Innovation“. Sie hat trotz der Haushaltsnot erreicht, dass die Hochschulen künftig jedes Jahr drei Prozent mehr Bundesgeld für die Lehre erhalten. Und nach dem monatelangen Hin und Her um die 200-Euro-Hilfe hat ihr Ministerium immerhin zusammen mit Sachsen-Anhalt ein System auf die Beine gestellt, bei dem zwischen Beantragung und Überweisung oft nur Minuten vergehen.Auch dass sie Zähne zeigen kann, bewies Stark-Watzinger zuletzt, als sie angesichts einer Spesenaffäre bei der Fraunhofer-Forschungsgesellschaft nach langem Abwarten endlich den sofortigen Austausch des gesamten Vorstands forderte (der allerdings noch aussteht). Jetzt muss sie noch ihre Expertise und ihr Kommunikationstalent gewinnbringender einsetzen: im Umgang mit den Ministerkollegen in Bund und Ländern und mit ihren eigenen, größtenteils aus CDU-Zeiten geerbten BMBF-Mitarbeitern, deren Kompetenzen sie bislang zu wenig genutzt hat.Die Ministerin, die viele am Anfang in ihr hatten sehen wollen, wird sie zwar nicht mehr werden können, dafür haben sich die Zeiten zu sehr geändert. Aber eine Ministerin für Bildung und Forschung, die in die neue Zeit passt, wird dringend gebraucht.