In der Schwebe

Polen Ein Wahlsieg Dudas würde die Macht der PiS und ihres autoritären Chefs Kaczyński zementieren
Ausgabe 27/2020
Polnische Wähler beim ersten Wahlgang Ende Juni
Polnische Wähler beim ersten Wahlgang Ende Juni

Foto: Wojtek Radwanski/AFP/Getty Images

Es ist vor dem Stechen um die Präsidentschaft am 12. Juli wieder Hoffnung spürbar unter den Gegnern von Amtsinhaber Duda. Sie rührt nicht zufällig aus der vertieften Spaltung, der das Land ausgesetzt ist – der sozialen und mentalen Kluft zwischen ländlichen Regionen und Großstädten, Älteren und der jungen Generation, den tradierten Lebensformen anhängenden Polen und einer gebildeten Elite. Trotz Pandemie gab es im ersten Wahlgang mit 64 Prozent eine Rekordbeteiligung. Sie ließ erkennen, dass ein Teil der Bevölkerung die von der regierenden PiS und Duda seit 2015 neu etablierte soziale Realität, zumal in unsicheren Corona-Zeiten, verteidigen will. „Duda daje“ („Duda gibt“), ist von deren Anhängern zu hören. Die Sympathisanten von Herausforderer Rafał Trzaskowski wollen vor allem Gefahren abwenden, die dem Rechtsstaat drohen. Insofern wird der 12. Juli auch zur Volksabstimmung darüber, ob der mit Sozialleistungen versüßte ungarische Weg eingeschlagen oder vermieden wird.

Gewinnt Trzaskowski, sind die Tage ausufernder PiS-Macht gezählt. Gegen die Vetomacht eines Präsidenten Trzaskowski wäre schlecht regieren. Die Chance für seinen Wahlsieg gibt es. Duda hatte zwar in Runde eins 2,6 Millionen Stimmen Vorsprung, doch neigen die Sympathisanten der ausgeschiedenen Bewerber mehrheitlich zu Trzaskowski. Allen voran die mehr als 2,6 Millionen Wähler des parteilosen Polit-Neulings Szymon Hołownia. Sie dürften ebenso zu Trzaskowski tendieren wie ein Teil derer, die dem Nationalisten Krzysztof Bosak 6,8 Prozent bescherten. Zum Entsetzen der geschwächten Linken hat Trzaskowski bereits dessen libertäre Wirtschaftsideen gelobt.

Umgekehrt würde ein Wahlsieg Dudas die Macht der PiS und ihres autoritären Chefs Jarosław Kaczyński zementieren – mit erheblichen Folgen. Die nächste Sejmwahl steht erst 2023 an. Der Staat und seine Institute wären bis dahin wohl vollends okkupiert.

Trzaskowski ist gewiss nicht die beste Wahl, seine Bürgerplattform (PO) nur bedingt vom neoliberalen Dogma befreit. Der Partei fehlt die Glaubwürdigkeit, um sich der sozialen Besorgnis vieler PiS-Wähler anzunehmen. Will er Stimmen erringen, muss Trzaskowski in vielen Becken fischen. Sollte er allzu sehr lavieren, hätten sich seine Ambitionen schnell erledigt.

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