Das ist alles kein Zufall

Meinung Wenn Posten nach Loyalität und nicht mehr nach Kompetenz vergeben werden, kann das böse enden. An Polens Grenzfluss hat es zu einer furchtbaren Umweltkatastrophe geführt: Sie steht sinnbildlich für das Versagen der polnischen PiS-Partei
Ausgabe 33/2022
Ein grausamer Anblick an der Oder: Fisch- und Tierkadaver so weit das Auge reicht
Ein grausamer Anblick an der Oder: Fisch- und Tierkadaver so weit das Auge reicht

Foto: Odd Andersen/ AFP via Getty Images

Tonnen an Fischkadavern, ein unerträglicher Gestank, apokalyptische Bilder eines sterbenden Grenzflusses: Die Eindrücke von der Oder machen fassungslos, traurig und wütend. Wütend nicht nur wegen der vielerorts lange bekannten Verschmutzung von Flüssen, die vor allem Industriebetrieben als Abfallorte dienen. Sondern auch, weil Politik und Behörden vor allem jenseits der Oder offenbar komplett überfordert waren und sind.

Wie unvorbereitet, unprofessionell und dumm einige Politiker der regierenden Partei PiS in dieser Krise agieren, zeigt der kuriose Fall von Grzegorz Witkowski: Der Vizeminister für Infrastruktur sagte noch am 11. August, als bereits Tausende Fischkadaver gesichtet wurden, bei einer Pressekonferenz an einer sauberen Stelle der Oder, er würde „bedenkenlos in den Fluss steigen“, auch Familien mit Kindern könnten dies tun.

Die Anekdote spricht Bände über das System, das in Krisen sichtbarer wird. Denn zum polnischen Teil der bislang ungeklärten Wahrheit gehört, dass Polens PiS-Regierungen in den letzten Jahren massives Posten-Geschacher in staatlichen Institutionen veranstalteten. Es gelangten Leute an wichtige Posten, deren Auswahlkriterium in der Regel nicht Kompetenz, sondern Loyalität war und ist. Hinzu kam der intensive Um- oder Neuaufbau etlicher Institutionen – von Ministerien bis hin zu Staatsunternehmen wie den „Polnischen Gewässern“, die in dieser Form erst 2018 entstanden. Umstrukturiert und zentralisiert wurde 2019 auch das Hauptumweltinspektorat (GIOS) – das tat der Behörde wohl nicht gut. Seit 2015 hatte das GIOS ganze fünf Hauptinspekteure, der letzte wurde nun von Premier Mateusz Morawiecki geschasst, ebenso der Chef der „Polnischen Gewässer“.

Doch auch damit lässt sich eins nicht kaschieren: Für die PiS waren und sind Fragen von Umwelt und Klima Kinderkram. In den vergangenen Jahren konnten nur Bürgerproteste oder die EU die Regierung halbwegs zivilisieren, etwa nach skandalösen Rodungen von Wald in Nationalparks.

Die Oder-Tragödie und ihr Verlauf sind kein Zufall. Sie sind symptomatisch.

Jan Opielka arbeitet als freier Korrespondent in Polen

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