Sławomir Mentzen – dieser Name war zuletzt in Polen in vieler Munde. Der schneidige Politiker ist eines der medialen Zugpferde des Parteienkonglomerats Konfederacja. Die Popularität des 36-Jährigen – sie ließ die Umfragewerte für seine nationalistisch-libertäre Allianz steigen – ist pointierten Auftritten auf Plattformen wie Tiktok zu verdanken. Die Botschaft des promovierten Ökonomen und Unternehmers lautet, die jetzige Regierung sei wirtschaftspolitisch inkompetent, sie drucke Geld, sei für die Inflation verantwortlich und erhebe zu hohe Steuern. Seine 30-Sekunden-Spots sind in der Sprache der Straße verfasst und auf junge Wähler aus, etwa wenn Mentzen sagt: „Politiker haben einen Mechanismus mit dem Namen Perpetuu
tuum Debile erfunden. Sie lösen Probleme, die sie vorher selbst geschaffen haben. Premier Morawiecki hat in Brüssel das Verbot des Verkaufs von Verbrennermotoren akzeptiert, und das nur, um sich dann in Polen gegen dieses Verbot zu wehren.“Bislang hat die Konfederacja nur ein knappes Dutzend Abgeordnete im Sejm, gab es doch in den vergangenen Jahren zahlreiche Ab- und Zugänge. Im Parlament fehlt es der Gruppierung insofern an Gewicht, doch versteht es ihr Personal, sich medial in Szene zu setzen, ohne übertrieben nationalistisch zu sein. Vielmehr resultiert wachsende Stärke aus verbessertem Mannschaftsspiel – sprich: die vermeintliche Schwäche, ein Zweckbündnis diffuser Kleinparteien von Monarchisten über Libertäre bis zu Nationalisten zu sein, wird überspielt. Eine auf elf bis zwölf Prozent gestiegene Zustimmung fünf Monate vor der Parlamentswahl alarmiert die anderen Parteien. Einige der jüngsten Umfragen geben einem theoretischen Bündnis aus PiS und Konfederacja eine knappe Mehrheit. Allein bei ihrer EU-Skepsis oder der Ablehnung von Abtreibungen könnten die Parteien zueinanderpassen. In Wirtschaftsfragen eher nicht – die PiS zündet gerade ein Feuerwerk neuer Sozialausgaben und Entlastungen, gegen die Politiker der Konfederacja Sturm laufen.Auch in der Ukrainepolitik wäre ein Zusammengehen schwierig. Es ging nicht zuletzt auf eine erstarkende Konfederacja zurück, dass die PiS im April auf rabiate Interventionen gegen Getreideimporte aus der Ukraine verfiel. Anhänger der Konfederacja haben den kurzzeitig erlassenen Einfuhrstopp begrüßt. Konfederacja-Politiker wie Grzegorz Braun wettern zudem gegen Flüchtlinge aus der Ukraine, andere finden, dass die Interessen beider Staaten nicht auf allen Feldern deckungsgleich seien. „Wir sollten die Ukraine so unterstützen, dass wir unsere Verteidigungskapazitäten nicht schwächen“, so Robert Winnicki vom nationalistischen Flügel. Man müsse darauf drängen, dass andere Länder mehr Waffen liefern, „die nicht an der Grenze zu Russland liegen, denn was passiert, wenn die Front zusammenbricht“?Jenseits der rhetorischen Scharmützel ist die entscheidende Frage, ob die Konfederacja im Herbst zum (un)erwarteten Zünglein an der Waage wird, sich für eine Koalition mit der PiS entscheidet und die sich für sie. Käme es dazu, müsste die Konfederacja wirtschaftsliberale und libertäre Werte wohl vorübergehend preisgeben, während zugleich eine nationalistischere Gangart fällig wäre.Die Risiken einer solchen Partnerschaft sind virulent, die Partei von Jarosław Kaczyński hat mehrfach bewiesen, dass sie kleinere Koalitionäre zu Tode umarmen oder deren Personal mit Posten korrumpieren kann. Vorerst jedoch muss die Konfederacja weiter um Aufmerksamkeit kämpfen, weil andere Oppositionsparteien gleichfalls mobil machen. Allen voran die liberale Bürgerplattform (PO) unter Führung von Ex-Premier Donald Tusk, der eine Zustimmungsrate von 25 Prozent verzeichnet und von der Aufregung zehrt, die ein von der PiS-Mehrheit im Sejm verabschiedetes Gesetz ausgelöst hat. Es sieht eine Kommission vor, die „russische Einflüsse“ unter polnischen Politikern aufdecken soll und sich klar gegen den Wahlkämpfer Tusk richtet. Politiker können zu „Russland-Agenten“ erklärt, dadurch diskreditiert und notfalls mit einem Amtsverbot belegt werden.PiS-Politiker am GrenzzaunAm zurückliegenden Wochenende haben dagegen in Warschau Zehntausende protestiert. Präsident Andrzej Duda scheint nicht unbeeindruckt, zwar hat er die „Lex Tusk“ unterzeichnet, den Gesetzestext aber an das Verfassungsgericht geschickt und um Prüfung gebeten. Tusk will im Herbst mit drei anderen Parteien in einem „Block der Opposition“ antreten, nur kommt die Debatte darüber zu keinem Abschluss, sodass die Konfederacja auch deshalb an Zuspruch gewinnt. Inzwischen hat Szymon Holownia seine liberalkonservative Partei Polen 2050 in eine Liaison mit der Bauernpartei PSL und ohne Tusk geführt. Auch die Linke (Lewica) dürfte mit einer stabilen Wahlprognose von zehn Prozent Avancen der Bürgerplattform abweisen.Ein zersplittertes Anti-PiS-Lager ist nicht im Sinne der Konfederacja. Würden sich vor der Sejm-Wahl zwei Blöcke gegenüberstehen – die PiS und eine vereinte demokratische Opposition – könnte sich die Konfederacja als dritte Kraft empfehlen, was ihr so verwehrt bleibt. Zumal die PiS immer rabiater das rechte Feld bestellt, wogegen die Parolen der Konfederacja und die Pointen von Sławomir Mentzen wenig ausrichten. So zeigten sich Regierungsmitglieder erst jüngst wieder stolz am Vier-Meter- Zaun, der 2022 an der polnisch-weißrussischen Grenze errichtet wurde und dazu führte, dass seither 45 Menschen im Umfeld dieses „Schutzwalls“ beim verhinderten Grenzübertritt gestorben sind.