Bitte dranbleiben!

Kurzatmigkeit Über das Fairphone berichten viele Medien nur noch in Form von Produkttests. Kritik am Produktionsprozess findet sich dagegen in Blogs. Aber beide Seiten übersehen etwas
Ausgabe 05/2014
Bas van Abel (Mitte) zu Besuch beim chinesischen Fertiger A'Hong
Bas van Abel (Mitte) zu Besuch beim chinesischen Fertiger A'Hong

Foto: Fairphone

Im vergangenen Juni traf ich in Amsterdam Bas van Abel. Der 35-jährige Niederländer hat das Start-up Fairphone gegründet und will ein möglichst fair hergestelltes Smartphone bauen. Er nahm sich damals viel Zeit zu erklären, wie komplex es ist, die globalisierte Produktionskette sozial verträglicher zu gestalten. Und er betonte, dass es work in progress sei. Was seine größte Angst sei, fragte ich ihn. „Dass das Fairphone zu sehr ein normales Produkt wird.“ Dass die Leute es kauften oder nicht, dass dabei aber die Idee dahinter in der öffentlichen Wahrnehmung verloren gehe.

Diese Antwort fiel mir wieder ein, als ich in diesen Tagen auf dem Blog Indiskretion Ehrensache von Thomas Knüwer über einen Eintrag zum Fairphone stolperte. Knüwer hat sich als Journalist damit einen Namen gemacht, anderen Journalisten vorzuhalten, sie würden die Chancen des digitalen Wandels verschlafen. Und so benutzt er auch die Berichterstattung über das Fairphone – die ersten Geräte wurden Anfang Januar ausgeliefert –, um von Neuem einen Graben zwischen Journalisten und Bloggern aufzureißen.

In den Redaktionen fiele das Fairphone in den Bereich der Technikressorts, schreibt er, und diese würden Gerätetests in den Vordergrund stellen. Die Kritik am Herstellungsprozess, das Aufdröseln, wie wenig fair die Fertigung in China sei, würde hingegen in Blogs wie MacMark, Faire Computer und Betterplace Lab stattfinden. Dabei lässt er zwar außer Acht, dass mehrere Redaktionen – wie der Freitag auch – bereits vor der Auslieferung der ersten Geräte über den Herstellungsprozess und dessen Probleme berichteten, aber sonst ist die Beobachtung richtig: Seit es die Geräte gibt, findet das Fairphone meist nur noch in Produkttests statt.

In den Blogs gibt es hingegen eine teils sehr fundierte Kritik, was an der Herstellung alles nicht fair war. Mit viel Aufwand analysieren die Blogger Audit-Berichte, in denen die Einhaltung vertraglicher Absprachen zwischen Fairphone und dem chinesischen Fertiger dokumentiert wird. Sie rechnen die Löhne der Arbeiter um und vergleichen sie mit Verbesserungen, die Apple bei seinem Fertiger Foxconn durchsetzte.

Daumen-hoch-Daumen-runter-Haltung

Was aber auffällt: Mit Ausnahme der differenzierten Einschätzung des IT-Blogs Faire Computer schrumpft auch die Blogger-Kritik am Ende auf eine Daumen-hoch-Daumen-runter-Haltung zusammen: Das Fairphone ist entweder fair (kaufen) oder nicht (weiter mit Apple oder Samsung).

Knüwers Antagonismus zwischen Journalisten und Bloggern führt dabei in die Irre. Besser wäre es zu fragen, warum sich kaum jemand für das Prozesshafte interessiert. Also für die Idee, die Herstellung Stück für Stück zu verbessern. Gern wird eine nachhaltigere Berichterstattung eingefordert, die nicht dauernd das nächste große Ding hochjazzt, sondern über längere Zeit an Geschichten dranbleibt. Die Neigung zu apodiktischen Urteilen findet sich aber in der Blogosphäre genauso wie in den klassischen Medien.

Dabei wären gerade Blogs mit ihrer offenen Struktur und der Entkopplung vom Neuigkeitszwang besonders geeignet, ein Thema länger zu begleiten. Warum nicht beim Fairphone damit anfangen?

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