Ein Bild sagt mehr als 1000 Orden

Kommunikation Libyens Staatschef Gaddafi mag spektakuläre Auftritte. Zum Beginn seines Italienbesuches gelang ihm ein echter Hingucker. Er kombinierte Uniform und Protestanstecker

Es ist ein Besuch, der ganz der post-kolonialen Aussöhnung dienen soll. Nachdem sich Silvio Berlusconi im vergangenen Jahr für die Verbrechen entschuldigte, die Italien als einstige Kolonialmacht in Libyen verübt hatte, weilt Muammar al-Gaddafi nun drei Tage in Italien. Und sorgte gleich beim Ausstieg aus dem Flugzeug für Aufsehen. Gaddafi entschied sich gegen die Beduinenkleidung, die er sonst gern trägt, und wählte stattdessen eine Galaunifom. Schwarz, mit Goldfransen und einer beachtlichen Palette bunter Rangabzeichen, wie sie Generäle gern tragen, um ihre Wichtigkeit zu signalisieren. So weit, so normal. Womit Gaddafi aber wirklich auffiel, war der Anstecker, den er rechts neben seinen Orden befestigt hatte: ein Schwarzweißfoto mit rotem Rand.

Auf dem Bild ist aus der Entfernung nur eine Gruppe von Menschen zu sehen. Die Szene aus dem Jahr 1931 zeigt die Festnahme des libyschen Widerstandskämpfers Omar al Muktar durch italienische Soldaten. Al Muktar wurde von den Italienern erhängt. Er gilt in Libyen als Volksheld und wird als "Löwe der Wüste" gefeiert.

Mit seiner eigenwilligen Kombination hat Gaddafi dabei zwei Dinge verbunden, die sich bisher immer unversöhnlich gegenüber standen. Die Uniform als Symbol der Staatsmacht - und den Protestanstecker als Symbol des zivilen Widerstands. Wer so einen Anstecker trug, stand bisher Uniformträgern gegenüber. Protestbuttons, die die Bürgerrechtsbewegungen der 70er und 80er Jahre groß machten, hatten allerdings viele auch bereits ins Museum verabschiedet. Auf Flohmärkten kann man manchmal noch alte Anstecker kaufen, sich an die Jeansjacke heften und sich so schön "retro" fühlen.

Mit seinem Auftritt bringt Gaddafi dieser visuellen Form der politischen Kommunikation neue Aufmerksamkeit. Und er zeigt Berlusconi, der zurzeit einige Probleme mit der politischen Wirkung von Fotos hat, wie man mit Bildern Politik macht. Das Schwarzweiß-Foto an der Brust des Diktators schwächt jede Ermahnung von italienischer Seite ab, die Menschenrechte in Libyen einzuhalten. Auch wenn linke Politiker in Italien gegen Redeauftritte von Gaddafi protestieren, prallt dieser Einspruch an dem Anstecker des Diktators ab. Ohne Worte gelingt es Gaddafi so als jener afrikanischer Staatsmann aufzutreten, der Europa an seine koloniale Vergangenheit erinnert.

Berlusconi ließ sich von dem Bild an der Brust übrigens nicht abschrecken. Er hielt seinen Staatsgast bei der Begrüßung mehrere Sekunden in den Armen - ohne den Anstecker zu beschädigen - und gab ihm einen Kuss auf die linke Wange. Man versteht sich. Schließlich macht man bei der Abschiebung illegaler Einwanderer gemeinsame Sache. Libyen hat eine Rücknahmevereinbarung unterzeichnet, die es Italien ermöglicht Flüchtlingsboote gar nicht erst bis in die eigenen Häfen zu lassen, sondern direkt zurückzuschicken.

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