Ein großer Fang

Juwelenraub In Paris hat die Polizei Verdächtige festgenommen, die bei einem "Jahrhundert-Coup" Juwelen für 85 Millionen Euro geraubt haben. Aber der Traum vom perfekten Plan bleibt

Es war der größte Raub in der Geschichte Frankreichs. Als die Zeitungen Anfang Dezember über die Pariser Juwelenräuber schrieben, klang unverhohlen Anerkennung durch. "Jahrhundert-Coup" nannte die Presse den Überfall, bei dem unweit der Champs-Elyseés ein Edel-Schmuckgeschäft überfallen wurde und die Räuber Schmuck im Wert von 85 Millionen Euro mitnahmen. Die Dreistigkeit der Diebe und ihre perfekte Planung erregten Aufsehen. Sie kannten sich genau in dem zweistöckigen Geschäft aus, gingen nach exaktem Zeitplan vor. "Gelassen", so sagten Zeugen später, traten die Männer den Rückzug an. Von "Profis" sprach die Polizei.

Ein halbes Jahr später sind nun 25 Verdächtige festgenommen worden, unter anderem ein Wachmann, der in dem Juwelengeschäft arbeitete. Die Ermittler fanden Teile der Beute bei den Verhafteten und mehr als eine Million Euro Bargeld. Es ist, als solle wieder einmal der Satz bestätigt werden, dass "Verbrechen sich nicht auszahlt".

Und trotzdem, die großen Überfälle, die ausgetüftelten Coups faszinieren uns. Der genau geplante Raub, bei dem mehrere Riegel von Sicherheitssytemen überwunden werden, ist in Hollywood zum eigenen Filmgenre gereift. Ocean's Eleven mit seiner coolen Ästhetik und George Clooney als smartem Kopf der Räuberbande oder The Score mit Robert de Niro als Meisterdieb führen vor, wie kompliziert Diebstähle sein können, wenn mit genug Energie am Drehbuch gefeilt wird.

Die Ur-Erzählung des Genres

Als reales Vorbild des generalstabsmäßig vorbereiteten Raubs – quasi als Ur-Erzählung des Genres – gilt immer noch der große Postzugraub (The Great Train Robbery), bei dem am 8. August 1963 nordwestlich von London mehr als 2,6 Millionen Pfund (was heute etwa dem Wert von 50 Millionen Euro entsprechen würde) gestohlen wurden. Die Räuber hatten den Postzug mit einem falschen Signal zum Stehen gebracht, den Lokführer bewusstlos geschlagen und waren anschließend mit Lok und Geldwagen-Anhänger zu einer Brücke gefahren, von der sie die Beute auf Autos umladen konnten. Trotz der perfekten Planung wurden die meisten Bandenmitglieder allerdings schnell geschnappt, was ihrer Popularität aber keinen Abbruch tat. (Die deutsche Verfilmung Die Gentlemen bitten zur Kasse mit Horst Tappert in der Hauptrolle hatte 1966 eine der höchsten Einschalquoten der deutschen Fernsehgeschichte.)

Ronald Biggs, der an dem Überfall beteiligt war und zu 30 Jahren Haft verurteilt wurde, gelang nach 15 Monaten Gefängnis die Flucht. Er floh nach Brasilien, lebte verarmt in Rio und fand neue Freunde unter den Punks. Zusammen mit den Sex Pistols und später mit den Toten Hosen nahm Biggs Platten auf und wurde so wohl zum bekanntesten Räuber der Welt. 2001 kehrte er unter großem Medienrummel nach Großbritannien zurück und sitzt seitdem wieder im Gefängnis. Es heißt, er werde wohl im Juli, kurz vor seinem 80. Geburtstag, entlassen.

Der eigentliche Kopf des Great Train Robbery, Bruce Reynolds, saß zehn Jahre im Gefängnis. Von dem Millionen-Coup blieben ihm nur Schulden. Seine Resumee: "Was heißt hier, Verbrechen zahlt sich aus. Habt ihr sie noch alle?"

Aber wer weiß, vielleicht gelingt er eines Tages ja doch noch – der perfekte Coup...

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Geschrieben von

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden