Eine höllische Mischung

Medien Ein Minister soll eine Affäre gehabt haben. Keine Nachricht? Für manche Medien eben doch. Über das Zusammenspiel von Klatschpresse, Facebook-Posts und Qualitätszeitungen
Ausgabe 18/2016
Auf Facebook wird es schnell mal schmutzig
Auf Facebook wird es schnell mal schmutzig

Foto: Ralph Peters/imago

Es soll eine Zeit gegeben haben, in der das Privatleben von Politikern noch als solches behandelt wurde. In der die Eignung für ein Ministeramt nicht danach bemessen wurde, welche Posts auf Facebook gerade kursierten. Eine Zeit, in der solche Posts auch nicht als Quelle ausreichten, um Meldungen in Zeitungen zu rechtfertigen, die für sich beanspruchen, dem Qualitätsjournalismus verpflichtet zu sein.

Gut, dass diese Zeit vorbei ist, ist eigentlich bekannt. Und dennoch: Wenn man die Mechanismen der Skandalisierungsmaschine einmal bei einem Bekannten in Echtzeit ablaufen sieht, hat das eine andere Eindringlichkeit als das abstrakte Wissen darum. Man erschrickt ob der Dynamik des Geschehens und der Skrupellosigkeit des eigenen Berufsstands.

Alexander Bonde zählte bis Anfang dieser Woche zu den einflussreichsten Figuren der baden-württembergischen Grünen. Die vergangenen fünf Jahre war er Landwirtschaftsminister – nun hieß es, er könnte in Winfried Kretschmanns neuem Kabinett das Finanzministerium übernehmen. Ich kenne Bonde von früher. Als Teenager spielten wir Anfang der 90er zusammen Basketball in einer Mannschaft in Freiburg.

Im September 2011 – Bonde war seit kurzem Minister – traf ich ihn wieder, um für den Freitag ein Porträt über ihn zu schreiben. Es ging um früher und heute, seinen Werdegang, was jemanden bewegt, Berufspolitiker zu werden (nachzulesen hier). Ganz nachvollziehen konnte ich das auch nach der Begegnung nicht, bin aber damals wie heute überzeugt, dass es für eine Demokratie wichtig ist, dass es genügend Leute gibt, die die Politik als Beruf wählen.

Unter Beyoncé und Jodie Foster

Es hat auch mit dieser Vorgeschichte zu tun, dass mich die Meldung so irritierte, die die Süddeutsche Zeitung vergangenen Freitag in der Spalte ihrer Panoramaseite unter Beyoncé und Jodie Foster veröffentlichte. Als politisch relevant erachtete man sie nicht – sonst wäre sie ja im Politik-Teil erschienen –, aber den Klatsch wollte man den Lesern wohl nicht vorenthalten. Bonde sei „wegen seines Liebeslebens in die Schlagzeilen geraten“, stand da. „Seine Parteikollegin Kerstin Lamparter machte via Facebook eine mehrjährige Beziehung zu Bonde öffentlich und schrieb, sie sei nicht seine einzige Geliebte gewesen.“

Am Tag zuvor hatte die Bunte auf zwei Seiten über Gerüchte um eine außereheliche Affäre Bondes berichtet. Der Text strotzte nur so von Andeutungen und eindeutig zweideutiger Metaphorik. Auf ihrem Facebook-Account erklärte Lamparter daraufhin, sie habe etwa drei Jahre lang eine Beziehung mit Bonde gehabt. Wohl weil die Koalitionsverhandlungen vor dem Abschluss standen, machte die Deutsche Presse-Agentur am Donnerstagabend dann eine Meldung aus der Tatsache, dass Lamparter ihre Parteiämter niedergelegt hatte. Deutlich dezenter als die Süddeutsche aus Lamparters Facebook-Post zitierend, bekam die Sache als dpa-Meldung gleichsam einen offiziellen Anstrich.

Woraufhin die Süddeutsche sich offenbar gemüßigt sah, mit dem Detail von „nicht seine einzige Geliebte“ nachzulegen – und die Affäre im Gleichschritt mit der FAZ einem deutschlandweiten Publikum bekannt machte. Das Zusammenspiel von Bunte, Facebook-Posts und SZ-Panoramaseite ergab da eine höllische Mischung.

An diesem Montag teilte Bonde auf Facebook mit, dass seine Frau und er gemeinsam entschieden hätten, dass er nicht für ein Ministeramt zur Verfügung stehe. „Wir hoffen, dass mit diesem Rückzug endlich unsere Privatsphäre in der Öffentlichkeit wieder geachtet und gewahrt wird“, schrieb er. Man wünscht es ihm.

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