Hater-in-Chief

Alt-Right Viele Kritiker des Neoliberalismus übersehen den Rassismus Donald Trumps. Das ist leichtfertig
Ausgabe 33/2017

Rassismus begleitet die Geschichte der USA von Beginn an. Als am 4. Juli 1776 die Gründerväter die Unabhängigkeitserklärung mit der Präambel unterzeichneten, dass alle Menschen gleich und frei geboren seien, empfanden sie es als Selbsverständlichkeit, dass schwarze Menschen davon ausgenommen wurden. Seitdem ringt das Land mit den Folgen der „Ursünde“, wie Barack Obama die Sklaverei nannte. Und es stimmt auch, dass die heutigen Rassisten bereits in den Jahren von Obamas Präsidentschaft wieder erstarkten. Ein Schwarzer im Weißen Haus – das war für viele „White Supremacists“ ein Beweis ihrer kruden Verfallsthesen. Im Internet und in ihren Talk-Radios warnten sie vor einem „Genozid an Weißen“.

Trotz dieser langen Vorgeschichte gilt: Der rassistische Hass, der sich gerade in dem 40.000-Einwohner-Ort Charlottesville austobte, ist ohne einen Präsidenten Donald Trump so nicht vorstellbar. In der Universitäts-Stadt versammelten sich Tausende Neonazis, Ku-Klux-Klan-Anhänger, rechte Paramilitärs und Vertreter der „alternativen Rechten“, der Alt-Right. Trauriger Höhepunkt war das Attentat eines Rechtsextremen, der sein Auto in eine Gegendemonstration lenkte. Die 32-jährige Heather Heyer starb, 19 Menschen wurden verletzt.

Und was tat Trump? Er sprach von schlimmer Gewalt auf „vielen Seiten“. Im Netz wurde er dafür von Neonazis bejubelt, die sehr genau registrierten, dass der Präsident eben nicht die „White Supremacists“ verurteilte. 48 Stunden später rang er sich den Satz ab: „Rassismus ist böse.“ Überzeugt klang das nicht. Trump hat immer wieder die Nähe zur extremen Rechten gesucht und im Wahlkampf rassistische Botschaften verbreitet. Das alles ist bekannt, und so kann der rassistische Exzess von Charlottesville auch nicht wirklich überraschen. Wenn der Hater-in-Chief im Weißen Haus sitzt, fühlen sich viele Hassgetriebene ermutigt, sich ihrer letzten moralischen Fesseln zu entledigen.

Sprechen muss man in diesem Zusammenhang aber auch über eine Debatte, die auf der Linken nach der Wahl Trumps mit Vehemenz geführt wurde. Sein Sieg wurde benutzt, um unter dem Banner der Neoliberalismus-Kritik eine Abrechnung mit der angeblich zu starken Fokussierung auf Identitätspolitik zu betreiben. Die Linke habe sich zu sehr um die Rechte von Frauen, Migranten, Schwarzen und LGBTQ gekümmert – und darüber die soziale Frage vergessen. So lautete die Erklärung für den Wahlausgang. Ob Trump oder Hillary Clinton im Oval Office regierten, mache keinen großen Unterschied – beide seien halt Vertreter des Neoliberalismus.

Abgesehen davon, dass es aus linker Perspektive absurd ist, eine Gruppe Schwacher gegen andere Schwache auszuspielen, hat diese Sicht zwei grundlegende Probleme: Das Anheben auf ein Abstraktionsniveau, in dem alles einfach Neoliberalismus ist, geht mit dem Verlust analytischer Schärfe einher. Dass Trump etwa bei den Geringverdienern mit klarem Abstand gegen Clinton verlor, gerät da schnell aus dem Blick.

Zum anderen steht hinter der Haltung, Rassismus als vernachlässigbare Größe oder „Nebenwiderspruch“ abzutun, ein Zynismus, den sich nur Menschen leisten können, die von rassistischen Schmähungen und Gewalt aufgrund ihrer Hautfarbe nicht betroffen sind. Eine Linke, die es ernst meint, kann sich diesen Zynismus nicht leisten. Die getötete Heather Heyer, die eine Anhängerin von Bernie Sanders war, wusste das. In ihrem Facebook-Profil steht noch der Satz: „Wenn du nicht empört bist, schaust du nicht genau hin.“

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