Im Zeichen der Karotte

Strategischer Konsum Durch Shoppen die Welt verändern? Carrotmob heißt eine neue Aktionsform aus den USA. Im Gespräch erzählt Philipp Gloeckler, warum er den Carrotmob nach Deutschland bringt

Der Freitag: Am 13. Juni soll es in Kreuzberg den ersten "Carrotmob" in Deutschland geben. Was ist das?

Philipp Gloeckler: Die Idee kommt ursprünglich aus den USA und ist der Gegenentwurf zum Boykott. Wir versuchen Unternehmen durch organisiertes Einkaufen zu fairem, nachhaltigen Verhalten zu bewegen. Im übertragenen Sinn wollen wir ihnen eine Karotte vor die Nase halten, um sie damit in unsere Richtung zu locken. Dafür haben wir jetzt einen Laden in Kreuzberg ausgesucht, in dem am 13. Juni zwischen 16 und 19 Uhr so viele Menschen wie möglich einkaufen sollen. Der Besitzer des ausgewählten Spätkaufs hat im Gegenzug vertraglich zugesichert, 35 Prozent seiner Einnahmen dafür auszugeben, die CO2-Emissionen seines Ladens zu senken, indem er ihn mit Unterstützung eines Energieberaters 'renoviert'.

Ein Carrotmob ist vor allem ein Event. Ist das Partymachen für einen guten Zweck?

Nein, wir haben uns bewusst dagegen entschieden, danach noch eine Party zu veranstalten, weil die Sache im Vordergrund stehen soll. Der Carrotmob ist ja eine Fortentwicklung des Flashmob. Aber ich bin es leid zu sehen, dass es in Berlin so viele Flashmobs gibt, die überhaupt keine Botschaft haben. Leute treffen sich, um einfach fünf Minuten auf einem Platz still zu stehen. Natürlich sollen die Leute bei uns auch Spaß haben, aber wir wollen den Flashmob zu etwas Sinnvollem nutzen.

Der Ladenbesitzer freut sich bestimmt. Wie wurde der Spätkauf ausgewählt?

Wir haben zunächst mit unserem Team eine Liste von Läden gemacht hat, die in Frage kommen. Eine Bedingung war, dass der Laden nicht zu einer großen Kette gehört. Dann haben wir mit knapp 30 Ladenbesitzern gesprochen – und schließlich denjenigen ausgewählt, der unseren Forderungen am weitesten entgegengekommen ist.

Ein Spätkauf, der seinen Stromverbrauch um knapp ein Drittel senkt – die Welt wird man damit aber nicht verändern.

Es ist erstmal ein Anfang, ein erster Schritt. Wir wollen an einem konkreten Beispiel zeigen, dass man mit strategischem Konsum etwas verändern kann. Und wir haben schon Anfragen aus Freiburg und Hamburg, wo ebenfalls solche Aktionen geplant werden. Mein Traum ist es, dass wir eine Community aufbauen, die dann eines Tages eine gewisse Kaufkraft haben wird – so dass wir zu großen Unternehmen gehen können und sagen: 'Alle unsere Mitglieder kaufen ihre Turnschuhe bei euch, wenn ihr sie unter bestimmten Bedingungen produziert: fair, umweltfreundlich, nachhaltig.'

Jetzt in der Krise gibt es viele Überlegungen, ob man nicht stärker verzichten muss, mit weniger Konsum auskommen muss.

Wir wollen auf keinen Fall zu mehr Konsum anregen. Die Leute sollen bei dem Carrotmob das einkaufen, was sie sonst auch einkaufen – nur in einer gesteuerten Aktion. Ich glaube aber nicht, dass Konsumverzicht die Lösung unserer Probleme ist. Mit strategischem Konsum können wir mehr bewegen. Ich arbeite im Modebereich, und da gelingt es immer besser, durch überlegtes Einkaufen Unternehmen mit nachhaltiger Produktionsweise zu fördern.

Philipp Gloeckler, 25, hat Betriebswirtschaftslehre studiert, betreibt den Blog Eco Fashion Junkies und das Modelabel So Pure by Sense Organics.

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