So schön abgehoben

Raumfahrt Am Freitag soll die Atlantis zum letzten Flug eines Space Shuttles aufbrechen. Nach 30 Jahren endet eine Ära: Die Raumfähren verabschieden sich ins Museum. Eine Würdigung

Bei Take-Off minus 30 Sekunden gibt es kein Zurück mehr. Wenn der Countdown diesen Punkt erreicht hat, kann kein Außenstehender ihn mehr stoppen. Nur der Bordcomputer der Atlantis könnte den Start dann noch abbrechen. Läuft alles nach Plan, wird die Raumfähre am 8. Juli um 11.26 Uhr Ortszeit mit vier Astronauten im Kennedy Space Center in Florida abheben. Der Flug wird der 135. Einsatz eines Space Shuttles sein – und er wird das Ende einer Ära besiegeln. Nach 30 Jahren verabschiedet die NASA ihre Raumfähren ins Museum und sich selbst vorläufig aus der bemannten Raumfahrt.

In den siebziger Jahren entworfen, galt das Space-Shuttle-Programm zunächst als pragmatischere Lösung gegenüber hochtrabenderen Plänen. Nach den Mondlandungen der Apollo-Missionen verwarf man die Idee, einen Flug zum Mars zu versuchen. Die Space Shuttles wurden entwickelt, um den erdnahen Weltraum zu erreichen und zu erforschen. Die wiederverwendbaren Raumgleiter, so die Hoffnung, sollten die Kosten drastisch senken und die Kommerzialisierung der Raumfahrt voranbringen. Zugleich erwartete man von ihnen, in einer Hochphase des Kalten Krieges die technische Überlegenheit der USA zu belegen.


So faszinierend die Technik mit dem dreiteiligen Raketenträgersystem beim Start und dem flugzeugartigen Zurückgleiten zur Erde war – sie zeigte sich von Anfang an fehleranfällig. Auch deshalb funktionierte das Sparen nicht. Bereits der Jungfernflug der Columbia am 12. April 1981 war deutlich teurer als ursprünglich geplant. Ein Start heute kostet bis zu einer halben Milliarde Dollar. Statt wie zunächst erwartet alle 14 Tage flogen die Space Shuttles weitaus seltener. Die weißen Fähren waren keine pragmatische Lösung. Sie waren Traummaschinen, die von einer Zukunft kündeten, in der Reisen in den Weltraum Alltag wären.

Die Nasa spricht heute voller Wehmut „von der komplexesten Maschine, die je gebaut wurde“. Und betont die Erfolge des Programms: das Aussetzen und die spätere Im-Flug-Reparatur des Hubble-Teleskop-Satelliten, dessen Bilder unsere Sicht auf den Weltraum veränderten; die Überwindung des Kalten Krieges auch im Orbit mit dem erstmaligen Andocken der Atlantis an die Mir im Juni 1995 und der gemeinsame Bau der internationalen Raumstation ISS.

Zur Tragik der Space Shuttles gehört es aber, dass sie neben den eindrucksvollen Bildern, die ihre Flüge immer wieder produzierten, vor allem für ihre Fehlschläge in Erinnerung bleiben werden. Am 28. Januar 1986 versagte beim Start der Challenger ein Dichtungsring. 73 Sekunden nach dem Start explodierte der Außentank – alle sieben Astronauten starben. Zweieinhalb Jahre lang hob kein Space Shuttle mehr ab.

Fatale Fehler

87 Flüge danach verliefen ohne größere Sicherheitsprobleme. Doch am 1. Februar 2003 zerbrach die Columbia beim Wiedereintritt in die Atmosphäre über Texas. Ein beim Start vom Außentank abgeplatztes Isolationsstück hatte ihr Hitzeschutzschild beschädigt. Obwohl auf den Startbildern der Einschlag erkennbar war, stuften die Verantwortlichen ihn als ungefährlich ein und ignorierten mehrere Warnungen von Ingenieuren. Fatale Fehler, die das Ende der Space-Shuttle-Ära einläuteten.

2004 kündigte George W. Bush an, die Shuttles nach Fertigstellung der ISS durch ein langfristiges Weltraumraumprogramm ersetzen zu wollen. Es sah eine ständige Präsenz des Menschen auf dem Mond und Vorbereitungen für eine Marsmission vor. 2010 stellte Nachfolger Obama das Programm aus Kostengründen aber ein.

Wenn nichts dazwischenkommt, wird die Atlantis am 20. Juli wieder in Florida landen – genau 42 Jahre nachdem der erste Amerikaner den Mond betrat. Um in den nächsten Jahren ins All zu kommen, werden amerikanische Astronauten nun bei russischen Sojus-Kapseln mitfliegen.

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