Wider die Kälte!

Alltagskommentar Rainer Brüderle gibt sich hart. Er will mit Warmduschern nichts zu tun haben. Dabei ist die wohltemperierte Brause ein Stück Kultur. Eine Verteidigung des Warmduschers

Was war das für ein Signal des Aufbruchs! Nachdem Philipp Rösler beim FDP-Bundesparteitag am vergangenen Wochenende für seine Grundsatzrede ("Wachstum, Wachstum, Wachstum") nur höflichen Applaus bekommen hatte, stürmte der grauhaarige Hoffnungsträger Rainer Brüderle zum Pult, um – so die Beschreibung des ARD-Korrespondenten – die "Halle zu rocken".

Brüderle definierte die FDP, für manches Nicht-Parteimitglied durchaus überraschend, als Partei der Aufrechten. Und der Harten. "Wir gehören nicht zu den aalglatten Wegduckern, Warmduschern, Vorwärtseinparkern." (Hier ab 17:02)

Der Mann spricht einfach so, dass das Volk ihn versteht. Wobei in dieser klassischen Reihung der Schmähbegriffe auf den Warmduscher lange Jahre eigentlich der Bausparer folgte. Aber in Zeiten, in denen selbst auf FDP-Parteitagen vor "Casino-Kapitalismus" gewarnt wird, hat diese Form der Vermögensbildung offenbar eine unerwartete Image-Aufwertung erfahren. Ein Wandel, auf den der Warmduscher noch wartet. Wer die morgendliche Brause wohltemperiert bevorzugt, wird weiter verpönt und attackiert.

Die Kritik speist sich dabei aus zwei Richtungen. Da sind zum einen jene Verfechter der Härte, die mit ihren "Verhaltenslehren der Kälte" (Helmut Lethen) jeder Verweichlichung durch zivilisatorischen Fortschritt vorbeugen wollen. Ursprünglich als besonders männlich konnotiert, gibt es aber auch genug Frauen, die sich über warmduschende Männer lustig machen – weshalb der Chauvinismus-Vorwurf beim Warmduscher-Bashing wohl obsolet ist.

Kritik kommt zudem aus der Ecke jener Klimaschützer, die mitunter einen pietistischen Eifer an den Tag legen. So lässt sich auf dem Online-Portal wassersparer.de nachlesen, dass fünf Minuten Warmduschen so viel Energie verbrauche, wie das Verbrennen von 33 Kilo Holz ergebe. Die Logik hinter dem Rechenbeispiel: Der Warmduscher soll sich in seiner Nasszelle schuldig fühlen.

Sowohl gegen den CO2-Tugendterror als auch gegen vermeintliche Härtefans à la Brüderle gilt es die wohltemperierte Brause unbedingt zu verteidigen. Sie ist eine Errungenschaft, sie ist ein Stück Kultur. Wir leben nicht mehr in Höhlen und stellen uns deshalb morgens auch nicht unter einen eiskalten Wasserfall. Warum sollten wir ihn im Badezimmer simulieren? Hinter der Überhöhung des Kaltduschens steht ein Weltbild, das das Leben nur als einen langen Kampf gegen Widrigkeiten begreifen kann. Der Warmduscher ist da weiter. Er weiß, dass das Leben auch schön sein kann.

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