Gut, es ist Sommer. Und es passiert nicht so wahnsinnig viel. In Russland brennt es, Naomi Campbell sagt in Den Haag aus, Guido Westerwelle darf 20 Minuten Kanzler spielen und ein älterer Mitbürger kauft die "falsche Schwarzwaldklinik". Während aber Journalisten schlaflose Nächte haben, aus Angst das Berichtenswerte könnte ihnen ausgehen, füllt die Netzgemeinde die ereignisärmeren Tage auf ihre Weise: Sie beschäftigt sich mit dem Schicksal eines Blumenkübels.
Was war passiert? Am Dienstag schrieb Katharina Hövels, Praktikantin bei der Münsterschen Zeitung in der Lokalredaktion Neuenkirchen, eine kleine Meldung über einen umgestürzten Blumenkübel vor einem Altersheim. Da der Stoff an sich jetzt nicht so einen wahnsinnig großen Nachrichtenwert hatte, machte sie das, was jeder gute Journalist tun würde – ein wenig dramatisieren, wer will seine Leser schon langweilen? Da standen die Bewohner des Altersheims "fassungslos" vor dem kaputten Blumenkübel, waren traurig und verständnislos ob der nächtlichen Zerstörungswut Unbekannter. Und weil Journalisten heute ständig gesagt bekommen, sie sollen alles twittern, setzte ein Kollege der Münsterschen Zeitung gleich einen Tweet zu dem kaputten Blumenkübel ab.
Seitdem ist der Kübel nicht mehr zu stoppen. Auf Twitter schaffte #Blumenkübel es am Donnerstagnachmittag auf Platz vier der Top-Themen, ziemlich nah dran an Campbell und den Blutdiamanten. Und für einen deutschen Begriff in der englisch dominierten Twitter-Welt ungewöhnlich. Während die ersten Tweets sich noch voller Unverständnis über den Nachrichtenwert der Kübel-Meldung mockierten, setzten bald die netztypischen Ironie-Spielchen ein. Einer der bisherigen Höhepunkt dürfte diese "Dramatisierte Lesefassung" der Meldung auf Youtube sein:
Von Twitter, Facebook und Youtube ist der Hype dabei schon längst wieder zu den etablierten Medien zurückgeschwappt. Unter anderem berichteten das ZDF, die taz und die Welt darüber. Und auch der Freitag kommt an der Blumenkübel-Welle nicht vorbei, wie nicht nur dieser Text belegt, sondern auch das merkwürdige Verhalten des Kollegen aus dem Büro nebenan. Er hatte soeben das dringende Bedürfnis einen Tweet abzusetzen: In Neuenkirchen ist ein neuer, trittsicherer Blumenkübel eingetroffen.
Kommentare 7
nicht immer alles so bierernst zu nehmen, wäre auch noch eine alternative.
so sieht das aus!
es gibt so viele züge, auf die aufzuspringen man sich wirklich verkneifen könnte, da ist ein blumenkübel eine gute sache.
naja, beschwert wurde sich ja eher darüber, wie dramatisch wichtig der umgeschmissene blumenkübel verbreitet wurde.
alles was dann kam, hatte mit weiterberichten wenig zu tun, es war eher eine mischung aus kindergarten und comedy. ich habe mich zumindest köstlich amüsiert, wie kreativ man mit dem wort blumenkübel umgehen kann, und als selbst das zdf scherzend eine sondersendung ankündigte... das war wunderbar. ein völlig sinnbefreites, lockeres, albernes , schickes meme. ganz ohne schlechtes gewissen.
nur der praktikantin, die die meldung geschrieben hat - der wünsche ich, dass sie ne menge humor hat und gesundes selbstbewusstsein.
@MeisterderO: Gerne!
@soyyo: Es ist ein kleiner Scherz, ja. Und da kann man mitmachen oder ihn nicht lustig finden, wie ja auch leelah geschrieben hat. Nur die große Medien-Relevanz-Debatte anhand eines Blumenkübels zu führen, finde ich dann doch müßig.
Der Kollege von nebenan legt wert auf die Feststellung, dass er vom Autor des Textes gebeten wurde, den Link zu twittern, da der Autor trotz gegenteiliger Anregungen unseres gemeinsamen Arbeitgebers selbst noch keinen Twitter-Account besitzt, zu dem er noch das Passwort wüsste.
Der Kollege von nebenan musste selbst den hier eingefügten Link zu seinem Tweet dem Autor per Mail schicken, da dieser noch keine Ahnung hat, wie man einen Link auf einen Einzeltweet erzeugt:
>>
Anfang der weitergeleiteten E-Mail:
Von: Steffen Kraft
Datum: 6. August 2010 17:59:10 MESZ
An: Jan Pfaff
Betreff: Tweet forwarded by @kraftfreitag
twitter.com/kraftfreitag/statuses/20474976687
Damit wäre der Beweis erbracht, dass auch Qualitätsmedien zuweilen ihre Pointen selbst produzieren. Ich find's gut. :-)
Viva la transparencia!
Jetzt habe ich wirklich laut gelacht.
:)
Hach, so ein Spielverderber. Der Kollege des Kollegen von nebenan legt aber auch Wert darauf, dass auf die Nachfrage, wie man denn nun einen Link auf einen Einzeltweet erzeugt, im Nachbarbüro erstmal fünf Minuten hektisch recherchiert werden musste, bevor dann die oben dokumentierte E-Mail eintrudelte.
Mist, erwischt!