Auf der Berlinale waren die Zuschauer begeistert. Der Film der New Yorker Aktionskünstler Jaques Servin alias Andy Bichlbaum und Igor Vamos alias Mike Bonanno, besser bekannt als dieYes Men, gewann im Februar den Publikumspreis der Kategorie "Panorama" – und war dann erstmal nicht mehr zu sehen. Bichlbaum und Bonanno arbeiteten am Feinschnitt und warteten auf einen Sendeplatz im Arte-Programm. Der deutsch-französische Sender hatte den Film ko-produziert und deshalb das Vorrecht auf die Erstausstrahlung. Am Dienstagabend zeigt Arte nun um 21 Uhr The Yes Men fix the World – Die Yes Men regeln die Welt. Damit ist der Film in Deutschland erstmals einem größeren Publikum zugänglich. Fünf Gründe, warum man ihn unbedingt sehen sollte:
1. Es ist nicht nur Spaß. Die Aktionen der Yes Men haben etwas Leichtes, Spielerisches. Sie sind aber trotzdem genau durchdacht und präzise geplant. Mit ihrer Präsentation eines goldenen Skeletts auf einer Manager-Konferenz und der Aufforderung, die Gefährdung von Menschenleben kühl gegen das Profitstreben einer Firma abzuwägen, provozieren Bichlbaum und Bonanno etwa Reaktionen der Anwesenden, die entlarvender sind als jede von außen vorgetragene Kapitalismus-Kritik. Die Yes Men tun so, als gehörten sie zu jenen, für die Profit wichtiger ist als Menschenleben. Und die sie umringenden Anzugträger pflichten ihnen bei, dass das ein vernünftiger Gedanke sei. Man lacht als Zuschauer über die Naivität der Manager, aber es ist ein Lachen, das schnell hinübergleitet in ein tiefes Erschrecken ob eines solchen Zynismus.
2. Der Film erinnert an die Opfer der Chemie-Katastrophe von Bhopal. Kernstück der Dokumentation ist der bisher größte Scoup der Yes Men. Bichlbaum gab sich im Dezember 2004 gegenüber der BBC als Sprecher von Dow Chemical aus und erklärte in einer Live-Schalte vor Millionen Fernsehzuschauern, dass der Chemikonzern endlich die Verantwortung für den Chemie-Unfall im indischen Bhopal übernehme und den Opfern zwölf Milliarden Dollar Entschädigung zahlen wolle. Dow Chemical dementierte nach wenigen Stunden Bichlbaums Statement. Kritiker warfen den Yes Men daraufhin vor, sie hätten um ihrer eigenen Profilierung Willen den Menschen in Indien falsche Hoffnungen gemacht. Im Film besuchen Bichlbaum und Bonanno die Opfer: Sie zeigen Menschen, die auch 25 Jahre später noch schwer leiden und die sich über die Aufmerksamkeit, die sie durch die Yes Men bekommen, freuen. Der Film erinnert daher auch an diese vergessenen Opfer, die bis heute keine angemessene Entschädigung erhalten haben.
3. Die Yes Men sind verdammt lustig. Es bleibt Michael Moores unbestreitbares Verdienst, die Kapitalismus-Kritik unterhaltsam gemacht und ihr so ein Massenpublikum erschlossen zu haben. Aber das immergleiche Moore-Prinzip ist mittlerweile nur noch ein abgedroschenes Selbstzitat. Das fällt vor allem im Vergleich zu den kreativen Aktionen der Yes Men auf, die als Filmemacher zweifellos viel von Moore gelernt haben. In ihrem Film führen Bichlbaum und Bonanno Kugel-Anzüge vor, die den Reichen und Mächtigen den ultimativen Schutz vor Umweltkatastrophen und Terroranschlägen bieten sollen. Diese selbstgebastelten Kugel-Anzüge sind so ins Groteske übersteigert, sich darin fortzubewegen, sieht so lächerlich aus, dass man gar nicht anders kann, als schallend loszulachen. Es lohnt den Film allein für die Einstellung anzuschauen, in der Bichlbaum im Survival-Anzug versucht, sich ein Sandwich zu schmieren. Großartig!
4. Der Film hat ein utopisches Element. Die Dokumentation endet mit der spektakulären Fälschung der New York Times. Im vergangenen November verteilten die Yes Men und andere Aktivisten in New York eine gefälschte New York Times, die auf den 4. Juli 2009 vordatiert war und lauter Traum-Meldungen enthielt. Als Aufmacher verkündete das Blatt, dass der Irak-Krieg beendet sei. Außerdem stand dort zu lesen, dass jeder Amerikaner eine Krankenversicherung bekomme und der US-Kongress scharfe Gesetze zum Klimaschutz verabschiede. Diese Aktion atmete die Aufbruchsstimmung der Obama-Wahl – und hat zehn Monate später doch nichts von ihrem Zauber verloren. Sie erinnert uns daran, dass eine andere Welt möglich ist.
5. Es ist eine gute Einstimmung auf die nächste Yes-Men-Aktion. Etwas Konkretes wird nicht verraten, aber die Yes Men planen am 21. September, einen Tag vor einer UN-Konferenz zum Klimawandel, eine große Aktion in New York. Seit einigen Wochen versuchen sie, dafür möglichst viele Freiwillige über das Internet zu rekrutieren. Jeder, der mitmacht, bekommt ein kleines Geschenk, mit dem man "seine Freunde noch jahrelang schocken kann".
Arte zeigt am Dienstag, den 15. September, um 21 Uhr den Film Die Yes Men regeln die Welt. Anschließend ist er online in einer Kooperation von Arte und dem Freitag sieben Tage lang hier zu sehen
Kommentare 18
Toller Beitrag, inhaltsreiche Werbung für das filmische Meisterwerk. Mehr davon.
Der Freitag sollte den "ästhetischen Teil" der Gesamtkomposition "Medienprojekt" ausbauen.
Yes men, Freitag can.
Dazu auch:
The Yes Men - Globalisierung, Nein Danke!
Doku von 2003
Sehr aufschlussreich!
Spass kann auch Politik machen!
Gruß Most
fand die umsetzung nicht so toll. die einzelnen themen sind zu kurz gekommen, es wirkte teilweise sehr gehetzt und es war schlussendlich ne menge an slapstick zu verdauen.
sprich sehr amerikanisch, da mag das passen.
mfg
mh
Habe den Film heute bei Arte gesehen, wie zu erwarten nicht bei ARD 20.15, wo er hingehörte.
Beißende Kritik, witzig-sarkastische Einfälle, sorgfältige Hintergrundrecherchen, geschickte Montagen - dazu Zivilcourage von den "Yes men".
Wo gibt es Vergleichbares in Deutschland? Wo wird bei uns der Kult des freien Marktes und Milton Friedmans Heiligenschein (bei uns heißt jemand vieleicht Sinn, ganz von Sinnen u.ä.)in dieser Weise bloßgestellt?
Besonders treffend "Helliburtons Überlebensbälle" für alle Terrorszenarien auf der Welt. Da hüpft die maskierte Lüge der nackten Wahrheit nach ...
Wenn ich mir vorstelle, dass beim Freitag nicht nur "kritisch" geschrieben werden würde, sondern auch Straßenaktionen, Medienaktionen, das Netz inkl. You tube (mit Eigenproduktionen) ganz anders genutzt werden würde ...die Community die eigene Rolle prüft ...die Freitag-New York Times in Berlin am Samstag, 26.September - a day before - erscheint: ...Augstein den Leitartikel schreibt: Aus der "Trickkiste des Berliner Kasperltheaters", dazu die positive Meldung: "Rentner, eure Gasrechnung im Dezember wird von Eon gezahlt" - und "Bildung beginnt beim Gas" - wär doch was ...
Gruß BW
Hier kann man den Meister auch im Bewegtbild sehen. Er erklärt, wie der Kapitalismus die Verlage kaputt macht:
www.textberater.com/news/micheal-moore-erklart-den-niedergang-der-verlage/
Für alle, die es am Dienstagabend verpasst haben, gibt es nun oben einen Link zu einer Seite mit einem Videostream, wo Arte in Kooperation mit dem "Freitag" sieben Tage den Yes-Men-Film online zeigt.
@MH: Ich hatte den Film im April beim McPlanet-Kongress in Berlin in einer längeren Rohfassung gesehen. Da war einiges noch ausführlicher, was jetzt in der 90-Minuten-Fernsehfassung vielleicht etwas gehetzt wirkte.
@Most: Der Film von 2003 ist auch interessant. Allerdings sieht auch man, dass Bichlbaum und Bonanno als Filmemacher einiges dazu gelernt haben, weil "Globalisierung..." doch deutliche erzählerische Längen und Brüche hat. Online kann man den alten Film übrigens hier sehen:
video.google.de/videoplay?docid=3756650096998068990=m0MmSprUDKaQ2wKouqiwCQ=yes+men=de=firefox-a#
wie definiert sich denn diese kooperation und wurde die nachträglich "beschlossen" oder war das bereits vorher klar?
bei letzterem hätte ich mich nämlich über einen hinweis gefreut, der den artikel dann auch etwas anders unterstrichen hätte. ;P
mfg
mh
Die Kooperation besteht darin, dass wir eine Extra-Freitag-Arte-Seite mit dem Yes-Men-Stream haben und nicht pauschal auf die Mediathek verlinken müssen.
Und ja, das war vorher geplant, aber das Okay aus Straßburg kam sehr spät – erst heute Morgen -, deswegen wollten wir nichts ankündigen, was wir dann nicht hätten einhalten können. Den Text hätte ich deswegen aber nicht anders geschrieben. (Falls die Frage darauf abzielt, dass dies den Inhalt beeinflusst haben könnte.)
ich glaube nicht, dass es den inhalt beeinflusst hat. so viel vertrauen habe ich dann noch in euch, dass ihr euch für 7 tage nicht so dermaßen die hände schmutzig macht. ;P
aber ggf. hätte es die ankündigung gar nicht erst gegeben. und das hätte mich interessiert, weil ich eigentlich noch lobend erwähnen wollte, dass es sie gab. mir tv-hasser wäre es sonst glatt durchgerutscht. hab ich aus vergesslichkeit aber eh nicht, also stehe ich nun auch nicht vor dem ärgerniss, dass ich es unter diesen voraussetzungen nicht hätte getan haben wollen. ha!
nun kann ich jedenfalls sagen, dass ich es auch ohne medienpartnerschaften wünsche. aber bitte nur bei den wenigen guten. :P
mfg
mh
Die Ankündigung hätte es auch so gegeben – einfach, weil der Film es wert ist und ich mich für das Bichlbaum-Porträt schon intensiv mit den "Yes Men" beschäftig habe. Bei unserem Gespräch im April hatte Bichlbaum (eigentlich nennen ihn alle immer nur Andy) erzählt, dass der Film im Herbst auf Arte zu sehen sein soll, kannte aber noch keinen genauen Termin. Also darf die Ankündigung gelobt werden!
Und wir schauen weiter nach Sehenswertem, auch ohne Medienpartnerschaften... versprochen.
Unterhaltsame Aufklärung kann sehr hilfreich sein. Man gewinnt die breite Gesellschaft nicht, wenn man sich nur auf tiefsinnige Dokumentationen verlässt. Zumal diese meist nur noch spät in der Nacht, im öffentlichrechtlichen Fernsehen, laufen. Dank der Privatmedien ist das leider kein amerikanisches Phänomen mehr. Früher hatten wir nicht diese Auswahl an Sender. Da konnte man den seriösen Nachrichten und Reportagen nicht so leicht ausweichen. Heute müssen ernsthafte Themen auch mal unterhaltsam angeboten werden, damit man Menschen für diese Themen gewinnen kann. Danach informieren sich die Menschen vielleicht/hoffentlich auch noch weiter.
Ausserdem ist der Film ja eher eine Zusammenfassung über die Yes Men. Eine Doku über deren Aktionen, um deren Bekanntheitsgrad zu steigern und auch andere Menschen zu ähnlichen Aktionen zu animieren. Durch solche Aktionen können Medien auch viel leichter über die von den Yes Men angestossenen Themen berichten. Während die Medien sonst vielleicht aus Rücksicht auf die Werbekunden lieber nicht über bestimmte Missstände berichten, können sie so ganz neutral über die Aktion berichten.
Manchmal muss man halt die Waffen des Gegners benutzen, um etwas zu bewegen. Während viele Medien auf niedrigstem Niveau unterhalten, um die Zielgruppe möglichst unpolitisch zu machen, kann man doch auch "Unterhaltung" nutzen, um sie wieder politischer zu machen.
mfg
Harm
Zu meiner Überraschung hatte ausgerechnet RTL mal GANZ KURZ eine Comedy Sendung, die auch recht frech Politiker, Medien und Gesellschaft vorgeführt hat. Der Name der Sendung war irgendwas mit "Helden". Vermutlich waren sie zu frech und deswegen wurden sie auch nach zwei, drei Sendungen wieder eingestellt.
Extra3 macht aber auch gute Aktionen.
Und attac hat doch die Zeit kopiert. Nach dem Vorbild von The Yes Men.
Trotzdem stimme ich Dir zu. Sowas sollte es generell mehr geben! Nicht nur in Deutschland. Die ganze Welt braucht mehr solcher Aktionen.
hab mir gestern sicko von moore angesehen. fand ich von der machart her wesentlich besser.
es hat mich mehr berührt, es hat mir mehr vermittelt und ich habe verstanden warum die amis äh deren gesundheitssystem doof sind.
dass in frankreich nicht alle ne tolle wohnung haben, sagt er zwar nicht. aber da heiligt der zweck die mittel, ebenso wie bei der überspitzten darstellung (genial nach kuba zu reisen und die leute behandeln zu lassen).
wenn ichs direkt vergleiche, dann war moore einfach eine ebene höher. und fürs banale volk, wars dann doch immer noch zu intellektuell. die eingangsstory war verständlich gemacht, aber die inder interessieren die amis auch net wirklich. nimmt man halt zur kenntnis.
mfg
mh
Kann mich einreihen in die wohlwollenden Kommentare, fand den Film auch sehr unterhaltsam, informativ, teilweise auch sehr lustig. Die Yes Men sind mir dabei sogar sympathischer als Michael Moore, irgendwie charmanter, smarter. Ihr Vorteil ist wohl auch, dass sie nicht so bekannt sind wie Moore, sonst würden ihnen diese Coups nicht derart gelingen.
Kapitalismuskritik (im weitesten Sinne) würde ich das allerdings nicht nennen, sie arbeiten sich eher an Phänomenen und krisenhaften Folgen ab. Das ist auch wie gesagt durchaus unterhaltsam, teilweise sogar echt lustig.
Problematisch wird es dann, wenn bspw. gesagt wird, der Staat bzw. die Regierung sei vom "Gift des Neoliberalismus vergiftet", man müsse ihn/sie vom Gift befreien. In kapitalistischen Verhältnissen spielt der Staat (und seine Institutionen) eine entscheidende Rolle, der Staat ist kein neutrales Gebilde, dass man nur richtig einsetzen müsste, damit er "zum Wohl aller" agieren könnte. Hier wird dann doch einer falschen Analyse Vorschub geleistet.
Der Schluss des Films will die ZuschauerInnen dann natürlich nicht alleine lassen und bietet ein utopisches Moment. Aber lediglich aufzuzeigen, dass eine andere Welt möglich sei, reicht noch nicht. Um diese zu erreichen, bedarf es konkreter sozialer Kämpfe und politischer Auseinandersetzungen.
Dass die Yes Men auf die Bereiche der Auseinandersetzungen auf ihre Art hinweisen, ist nicht das Schlechteste.
Michael Moore ist aber auch Dokumentarfilmer. Die Filme haben quasi ein Drehbuch. Oder zumindest einen roten Faden. Die Yes Men sind in erster Linie Aktivisten. Hier handelt es sich um einzelne, individuelle Aktionen, die erst jetzt für diese Doku zusammengefasst wurden. Dieser Film soll wohl eher dokumentieren, wie man als Aktivist kreativ und humorvoll die Wirtschaft und dessen Lobbyisten vorführen kann. Es ist ja eher eine Hommage an die Yes-Men und deren Aktionen. Und wer sich dafür begeistert, kann sich im Internet über die Yes Men informieren. Sie animieren Menschen auch aktiv zu werden. Eine stinknormale Demonstration muss heute ja schon richtig viele Menschen auf die Straßen holen, damit die Demo nicht nur eine kleine, belächelte Randbemerkung in den Medien bleibt. Protest muss heute vielseitiger gestaltet werden. Neben der konventionellen Demo muss es jetzt halt auch Gruppen in sozialen Internetnetzwerken, Flashmobs und medienwirksame Aktionen, wie die von Greenpeace oder den Yes Men, geben.
Ich kann den Film auf der verlinkten Seite übrigens nicht mehr abspielen. Geht das nur mir so?
hier klingt halt mehrfach durch, dass es nahezu "besser" als moore sei, dem wollte ich nur mal entgegentreten. wobei ichs gerne an capitalismn bewertet hätte, aber der steht uns hier ja noch nicht zur verfügung.
mfg
mh
Bei mir funktioniert der Stream. Dauert manchmal ein bisschen, bis es losgeht. Wenn's nicht geht, könnte das vielleicht an einem fehlenden Plugin liegen...