1.Mai in Kreuzberg

Gewerkschaften Warum erreichen die Gewerkschaften so wenige Menschen, während die autonomen Demos 20.000 Menschen anziehen.

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Jedes Jahr das gleiche Phänomen. Überall traditionelle Maikundgebungen mit Infoständen, Musik und Bühnen. Es kommen nur wenige tausend Leute. Das ganze hat Volksfestcharakter. In Berlin Kreuzberg ein anderes Bild. Zehntausende Menschen mit kämpferischen Poralen laufen durch die Straßen. Polizisten aus ganz Deutschland sammeln sich zum Schutz der Hauptstadt. Die 1.Mai Demo in Berlin-Kreuzberg ist zum Erfolgsmodell geworden. Keine andere Demo kann bald ihren 30jährigen Geburtstag feiern. Denn die Ur-Demo startete im Jahre 1987. Viele Aktivisten haben da noch nicht gelebt. Diese Mai-Demos neuen Typs haben sich in verschiedenen Städten ausgebreitet. Es sind Ort wie einem linken-alternativen Milieu, wie Hamburg und Bremen. Wie läßt sich das Phänomen erklären:

In denke auch an die Milieutheorie. Für viele Menschen repräsentieren die DGB Demos das alte Facharbeitermilieu. Menschen, die in den Vorstädten sich ein kleines Häuschen hart erarbeitet haben und mit Recht für ihre Positionen kämpfen. Das links-alternative Milieu, der Leute die oft selbstständig und in ungesicherten Projekten arbeiten, fühlen sich da nicht sehr wohl. Dann kommt noch dazu, daß solche Demos etwas Subversives haben, wofür ja Kreuzberg mal stand. Das könnte ein Grund sein, daß auch links-bürgerliche Menschen sich da angezogen fühlen, denen Individualismus und Freiheit wichtig sind. Ich denke höchstens 10 % von den 20.000 haben ein klares, linkes radikales Weltbild. Da die Grünen sich aus dem gewerkschaftlichen Sektor herausgezogen haben und auch die Piraten hier kaum Angebote vornehmen, füllen diese Demos eine Lücke.

Viele Menschen gehen aus einem Bauchgefühl der Unzufriedenheit auf diese Demos. Dabei haben die Menschen alle eine Sache die sie vereint. Ein Gefühl der Ungerechtigkeit in diesem Land. Typisch für diese neue Art der Demonstration ist die Anonymität. Obwohl die Demo bald 30 Jahre existiert hat sie keine Gesichter. Es gibt keine bekannten Redner, die sich dort treffen. Vereinzelt sprechen Politiker der Linkspartei für diese Bewegung. Doch auch sie haben eigentlich dort keinen Einfuss.

Die ganze Sache ist ein großes Happening und eigentlich ganz normal für eine Demokratie., wenn es wie in diesem Jahr gewaltfrei abläuft. Doch um Antworten für die sich zuspitzenden sozialen Gegensätze im Land zu finden, sind diese Demos nicht der geeignete Raum. Die Frage ist wie der Weg vom Protest in die Politik entstehen kann und eine Brücke zu den Gewerkschaften gebaut werden könnte.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

jan Stephan

Mich interessiert Arbeitsmarkt, Außenpolitik und die Bundeswehr. Doch ich schreibe auch gerne über Film und Fernsehen

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