10 Jahre Hartz 4: Eine Bilanz

Hartz 4 Reformen 10 Jahre existieren die Hartz 4 Gesetze. Die Folgen der Gesetze waren hoch umstritten.

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Es gab massive Proteste und die Gründung einer neuen Protestpartei der WASG unter der Führung von Oskar Lafontaine. Inzwischen haben sich die Wogen geglättet und es gibt mehr und mehr sachliche Diskussionen. Klar ist natürlich, dass soziale Reformen in einer Zeit von immer größeren Einkommensunterschieden und einer Steuerreduzierungspolitik als sozial ungerecht empfunden wurden.

Doch das heißt natürlich nicht das alle Reformen falsch waren. Prof Dörner von der Uni Jena ist ein Experte für Arbeitsmarktpolitk. Er hat die Folgen der Hartz 4 Gesetze untersucht. Für Dörner haben die Hartz 4 Gesetze, die Entwicklung eines neuen Prekariats gefördert. Außerdem hätte sich eine veränderte Haltung zu staatlichen Leistungen herausgebildet. Früher galt Arbeitslosengeld als eine selbstverständliche Leistung wie die Rente, auf die jeder der arbeitslos wird Anspruch hatte. Der Hartz 4 Bezieher hingegen muss sich völlig vor den Ämtern entblößen.

Das gab es zwar schon beim Vorgänger - dem Arbeitslosengeld 2 - doch wurde es noch einmal verschärft. Nur wenn ein Arbeitsloser sehr geringe Freibeträge hat, kann er die Leistungen in Anspruch nehmen. Die Folge ist ein rapides Absinken der Vermögen von Hartz 4 Beziehern. Besaßen sie vor 10 Jahren im Durchschnitt 30000 Euro besitzen sie nur noch 10.000 Euro.

Diese Abnahme ist natürlich bedenklich, aber weit von Befürchtungen entfernt, Hartz 4 würde die Bezieher geradewegs in die Armut führen. Der finanzielle Druck hat auch die Bereitschaft erhöht, schlecht bezahlte Jobs anzunehmen. Ist Hartz 4 deshalb verantwortlich für den Niedriglohnsektor?

Für Prof. Selle vom Ifo Institut haben sich durch die Hartz 4 Gesetze nur eine Tendenz fortgesetzt, die vorher schon existierte. Die Zahlen zeigen aber, dass die Beschäftigung allgemein zugenommen hat, aber die Zahl der Arbeitsstunden nur in einem geringeren Maße. Das heißt die Arbeit wird auf mehr Schultern verteilt. Das wirkt sich natürlich auf das Einkommen in der Gesellschaft aus. Mehr Teilzeitbeschäftigte erhöhen das Armutsrisiko.

Wie steht es mit dem Vorurteil aus, Hartz 4 Bezieher wollen nicht arbeiten. Prof. Dörre sieht drei verschiedene Gruppen von Leistungsbezieher.

1. die Nichtarbeiter Leute, die dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen, zum Beispiel junge Punks, denen die Ausbildungsfähigkeit fehlt und die Qualifizierungsmaßnahmen benötigen.

2. die Arbeit um jeden Preis Jobber. Leute, die sich zum Beispiel selbstständig machen und alle Tätigkeiten annehmen, auch wenn der Lohn noch so gering ist

3. die so tun als ob Arbeiter. Leute, die sich in 1 Euro Jobs so fühlen, als wenn sie einer normalen Tätigkeit nachgehen. Wenn man die drei Gruppen betrachtet, ist es berechtigt die Arbeiterhaltung eines Teils der Hartz 4 Bezieher in Frage zu stellen? Für Prof. Selle steht nicht die Einstellung im Mittelpunkt der Frage, sondern die Löhnhöhe. Wenn Hartz 4 Bezieher keine Arbeit finden, ist es nicht die Frage des Arbeitswillens, sondern die Tatsache, dass es zu dem Preis keine Arbeit gibt.

Wenn Hartz 4 Bezieher keine Arbeit finden, ist es nicht die Ausgrenzung, sondern die Lohnhöhe, die dazu führt, dass diese Personen keine Arbeit finden. Beide lassen die Tatsache der Dienstleistungsgesellschaft außer Acht. In den modernen Dienstleistungsberufen werden sehr viele Aushilfskräfte und Teilzeitkräfte gebraucht. Das begünstigt den Niedriglohnsektor.

Mein Fazit: Die Politik reagiert auf die Ausdifferenzierung der Hartz 4 Bezieher mit zwei Strategien: einerseits wird versucht, die Nichtarbeiter und ein Euro-Jobber mit Förderung und Forderung an den Arbeitsmarkt heranzuführen. Gelingt dies nicht, wird versucht für sie eine Beschäftigung in einer beschützten Werkstatt anzubieten, deren Bezahlung dem Ein-Euro Job gleicht. Für die Arbeit um jeden Preis Jobber wird mit dem Mindestlohn ein unterer Schutz eingeführt. Beide Strategien werden sich als nicht ausreichend erweisen.

Erfahrung aus dem Ausland zeigen, dass ein Mindestlohn allein nicht vor Verarmung schützt. Der sogenannte dritte Arbeitsmarkt bringt kaum Perspektiven der Armutsfalle zu entkommen. Daher muss die Bilanz sehr gemischt ausfallen. Hartz 4 ist nicht die Ursache für den Niedriglohnsektor, aber auch nicht die Lösung.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

jan Stephan

Mich interessiert Arbeitsmarkt, Außenpolitik und die Bundeswehr. Doch ich schreibe auch gerne über Film und Fernsehen

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