Die Linke: Abschied von der Gleichheit?

Politische Theorie Der Harvard Professor Roberto Mangabeira Unger plädiert für eine Neuorientierung der Linken

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Die Linke soll sich vom Ziel der Gleichheit verabschieden. Diese These las ich in einem Beitrag der BBC. Herr Unger ist in den englischsprachigen Ländern ein bekannter Mann, da er einen bekannten Schüler hatte. Präsident Obama studierte bei ihm. Diese provokante These formulierte der Vertreter der südamerikanischen gemäßigten Linken, aber gar nicht. Er wollte nur das die Linke sich nicht mehr als ausgabenfreudige Partei des Keynsianismus profiliert.
Der Harvard Professor Roberto Mangabeira Unger war in Brasilien unter Präsident Lula Minister für strategische Planung und lehrt heute an der Harvard Universität poitische Theorie. Er hat als Minister versucht eine Wirtschaftspoltik zu entwickeln, die sich von marxistischen Modellen, wie auch von einer neo-liberalen Wirtschaftspolitik distanziert. In einem für den labour-nahen Think Tank Institut für Public Policy Research geschriebenen Artikel verabschiedet er sich vom Ziel soziale Gleichheit durch Steigerung der Staatsausgaben zu fördern. Heißt das die Linke soll die bestehenden Ungleichheiten einfach akzeptieren? So sieht es der Professor nicht. Er möchte, aber den Focus der Linken weg vom Staat auf die Zivilgesellschaft lenken. Was ist nach Professor Unger ein Progressiver? Ganz einfach, jemand der die Gesellschaft besser organisieren und gestalten kann. Was ist seine politische Vision? Sein Ziel ist " the Expansion of our self". Das bedeutet die größtmögliche Selbstverwirklicheung in der Gesellschaft. In diesem Artikel benutzt er vier Begriffe: Er stellt die oberflächliche Freiheit (shallow Freedom)der tiefen Freiheit und die oberflächliche Gleichheit(shallow Gleichheit) die totale Gleichheit (deep Freedom) gegenüber. Man fühlt sich zuerst in einen Einführungskurs politische Theorie erinnert und hat das Gefühl jemand vernebelt hier die Analyse, wenn man daran denkt, wie die herrschende Politik eine immer größere Gruppe von sozial Benachteiligten produziert. Prof. Unger möchte " the temperature of our public life" erhöhen. Was heißt das konkret für die Politik?
Unger verbindet die Begriffe oberflächliche Freiheit und abgeflachte Gleichheit mit einer Kritik am sozialdemokratischen Grundkonsens der westlichen Gesellschaften. Ungleichheiten des Einkommen und der Lebenschancen wurden akzeptiert, weil sich durch sozialstaatliche Transferzahlungen kompensiert wurden. In diesem von konservativen und Linken akzeptierten Rahmen fand nun ein Kampf um weniger und mehr Markt statt. Während die Konservativen die staatlichen Eingriffe zum Zwecke der wirtschafltichen Effizienz zurückdrängen wollten, sahen die Linke den Staat als wichtiges Reforminstrument an, um dem Ziel der sozialen Gleichheit näherzukommen. Für ihn führt diese lange praktizierte Form von Verteilungsgerechtigkeit zu einem Konservativismus der Sozialdemokratie. Statt an die Umgestaltung und Entwicklung der Gesellschaft zu denken wird der bestehende Sozialstaat verteidigt und erhalten. Der Grund warum die Linke zum Verteidiger der bestehenden Zustände wurde ist ein Fehlkonstrukt des sozialdemokratischen Konsens: das Prinzip der Kompensation. Der erkämpfte Sozialstaat hat viele soziale Ungleichheiten nicht beseitigt, sondern nur deren Opfer entschädigt. Der sozialdemokratische Wohlfahrtsstaat konnte also nicht verhindern, daß sich diese Ungleichheiten immer wieder reproduzieren.

Als Ausweg lehnt der Professor aber auch die von den radikalen Linken entwickelten Modelle einer totalen Gleichheit mit Hinweisen auf Zwangskollektivierungen in der Sowjetunion ab. Hier wird meiner Meinung nach ein typischer Fehler begangen, indem sozialdemokratische Umverteilungspolitik in eine Traditionslinie mit der sowjetischen Poltik gestellt werden, wenn sie einmal etwas radikalere Töne einschlägt.

Mehr positive Seiten kann er dem Begriff der totalen Freiheit abgewinnen. Mit diesem Begriff verbindet er nicht die Vorstellung der totalen Freiheit der Märkte, sondern die freie Entwicklungen der Zivilgesellschaft. Diese Idee der totalen Freiheit soll durch die Prizipien der Chancengleichheit und des Prinzips des gegenseitien Respekts flankiert werden. Sie soll der Ohnmacht der Poltik anhand der Macht der Finanzmärkte, die Hartnäckigkeit der Individuen entgegensetzen, die ihr Recht auf Selbstverwirklichung einfordern. Damit möchte er die Linke von den Einengungen ihrer Staatsfixierung befreien. Die Linke wird daher nicht überflüssig. sie soll wieder in die Gesellschaft zurückkehren und dort für die Chancengerechtigkeit kämpfen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

jan Stephan

Mich interessiert Arbeitsmarkt, Außenpolitik und die Bundeswehr. Doch ich schreibe auch gerne über Film und Fernsehen

Avatar

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden