Der Anti-Merkel

Griechenland Mit der Wahl von Tsipras hat das System Merkel den ersten großen Riss erhalten. Zum ersten Mal sitzt ein Mann am Tisch der EU-Staatschefs, der den EU-Sparkonsens ablehnt

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Alexis Tsipras plant, in der EU querzuschlagen
Alexis Tsipras plant, in der EU querzuschlagen

Foto: LOUISA GOULIAMAKI/AFP/Getty Images

Für Frau Merkel war der letzte Sonntag kein schöner Abend. Sollte sie noch die Illusion gehabt haben, ein Sieg der Syriza ließe sich durch die Drohung des Euro-Austritts noch vermeinden, wurde Berlin eines besseren belehrt. So wird bald ein Politiker zu Gast im Kanzleramt sein, der gar nichts vom europäischen, ökonomischen Konsens teilt. Dieser Konsens aus Sparpolitik, Deregulierung und Privatisierung wurde von der Bundesregierung wie ein Mantra in Europa verbreitet. Obwohl in den südlichen Ländern einschließlich Frankreich schon lange gemurrt wurde, traute sich noch kein Staatschef klar nein zur Sparpolitik zu sagen.

Es ist eigentlich ein kleines Wunder, daß es so lange dauerte bis der erste offene Euro-Sparpolitik-Rebell in einen Regierungspalast einziehen konnte. Die politische Elite in Europa versuchte Tsipras als schlichten Linkspopulisten darzustellen, doch damit macht man sich es zu einfach. Was in Athen passiert ist sicher kein Linksruck, sondern der Versuch mit einer strategischen Politik das Sparjoch abzuschütteln mit denen die Troika das Land belegt hat.

Die schnelle Regierungsbildung läßt auf eine langfriste Planung des Regierungswechsels schließen. Man wird Athen wieder politisch ernst nehmen müssen. Lange versuchten große Teile der Presse die Griechen als störrisches Kind darzustellen, daß seine ökonomische Medizin nicht nehmen möchte. Als Vorbild wurde Deutschland dargestellt, daß seine Medizin in Form von Hartz 4 schon genommen hat und glänzend wirtschaftlich dahstehen würde. Erfassten die Proteste in Deutschland nur Teile der Bevölkerung, haben sie in Griechenland das alte Parteiensystem weggefegt. Denn das was die Troika als Medizin verordnen wollte, wurde vom Wähler in Athen als Vertiefung der Ungleichheit geschehen und drohte das Land zu zerreißen. Schließlich blieben die Erfolge aus. Damit wurde die Sanierungspolitik statt zum Vorbild zum Schrecken für die anderen südlichen Länder, wie Italien.

"Wie in Griechenland haben rigide Sparpolitik, Einschnitte in die letzten Reste der sozialen Netze und die sogenannte Liberalisierung des Arbeitsmarktes weder der Schuldensituation Italiens noch der Not seiner Menschen aufgeholfen." Dem Kommentar von Maria Schreiber hier in der Community kann ich zustimmen. In Berlin befürchtet man ein Abbröckeln der Austeritätsbefürworter.So steht das System Merkel auf europäischer Ebene vor einer großen Herausforderung. Wirkliche Anhänger hat der Sanierungskurs nur noch in den Niederlanden, den östlichen Beitrittsländern und einigen kleinen Staaten.

So wie sie in Deutschland reibungslos eine Große Koalition gezimmert hat, wird sie in Europa keinen Konsens herstellen können, ohne auf Griechenland zuzugehen. Sicherlich wird Griechenland keinen umfassenden Schuldenschnitt erreichen,. Doch wird das Land nicht mehr die alten Sparauflagen mittragen, sondern offen in Brüssel Position beziehen. In Europa wird nach dieser Wahl nichts mehr zu sein, wie es war.

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Geschrieben von

jan Stephan

Mich interessiert Arbeitsmarkt, Außenpolitik und die Bundeswehr. Doch ich schreibe auch gerne über Film und Fernsehen

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