Warum die Muslim Brüder scheiterten

Naher Osten Die kurze Regentschaft des ersten demokratische gewählten Präsdidenten Ägyptens wurde vom Militär beendet. Woran scheiterte der Präsident?

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Er ist einer der umstrittensten Politiker, die der arabische Frühling hervorgebracht hat. Kaum ein Präsident hat so die Gesellschaft polarisiert. Woran lag es, daß der ägyptische Präsident gestürzt wurde und die ersten Gehversuche der ägyptischen Theorie beendet wurden? Im Westen wird Präsident Mursi als mächtiger islamistischer Ideologe gesehen, der Ägypten in ein zweites Iran verwandeln wollte. Es wir meiner Meinung nach Zeit ein differenziertes Bild dieses Politikers zu zeichnen. Die Moslem Bruderschaft ist eine sehr alte Organisation, die in Ägypten seit den 20er Jahren existiert. In seiner Geschichte wurde sie oft verboten, hörte aber nie auf zu existieren. Über ihren demokratischen Charakter gab es sicherlich viel Illusionen. Die Muslim Bruderschaft ist nach dem Politikwissenschaftler Eric Trager keine Partei, sondern eine durch Familienbande zusammengehaltene Organistion, sondern eher eine mafiöse Struktur. Ideologien und Intellektuelle Köpfe spielen, seiner Meinung nach hier keine Rolle. Das sieht der Parlamentarier der Freedom and Justice Party, des parlamentarischen Arms der Muslim Brüder, der Abgeordnete Dardera anders. Der Abgeordnete beteuert, daß gerade kritisches Denken sein Hauptmotiv war in die neue Partei einzutreten. Man sollte der Organisation zugestehen, daß sich mit dem Eintritt in den demokratischen Wettstreit eine Wandlung vollzog. Warum konnte der Präsident keine Brücken, zu allen Teilen der Gesellschaft bauen und die demokratische Revolution vollenden?

Das erste Handicap des neuen Präsidenten war, daß er kein überwältigendes Votum der Wähler hinter sich gebracht hat. Erst im zweiten Wahlgang hat er die Wahl gewonnen. Viele Wähler wählten Mursi nicht für sein Programm, sondern seine Gegnerschaft zu Mubarak. Anders als beim Sturz des Regime im Irak, gab es in Ägypten keine Umgestaltung des Sicherheitsapparates. Während im Irak der Fehler war, die Entbaathisierung ohne Beteiligung der Bevölkerung und soziale Absicherung der Soldaten zu vollziehen, wurde in Ägypten auf eine Entmubarakisierung einfach verzichtet. Die alten Mubarak Getreuen blieben nach Omar Ashour, UN-Berater des Präsidenten für die Umgestaltung der Polizei, einfach im Amt. Mursi wollte den revolutionären Schwung nicht ausnutzen um die alten Sicherheitsapparate zu entmachten.

Die Vorsicht des Präsidenten hing sicherlich damit zusammen, daß ihm großes Mißtrauen von den säkular geprägten Teil des Ägypter entgegengebracht wurde. Seine Verfassung in der der islamischen Religion ein Einfluß zugestanden wurde, stärkte das Mißtrauen großer Kreise der Bevölkerung. Doch auch die Liberalen wollten den Einfluss der Religion in der Verfassung verankern. Ohne den Rückhalt der ganzen Kräfte, die die Revolution getragen haben, wurde er eine Präsident ohne Macht. Eric Trager sieht viele Symptome des Machtverfalls: Die Bürokratie boykottierte seine Anordnungen. Die Polizei schützte nicht die Muslim Brüderschaft. Er verlor die Kontrolle über sein Land. Der Geheimdienst unterstüzte die Proteste gegen den Präsidenten. Das Ergebnis war eine gespaltene Gesellschaft, in der sich das Militär als Retter der Nation darstellen konnte und den Präsidenten absetze und die gesamte Führungsriege der Organisation verhaftete.

Welche Optionen bleiben den Muslim Brüdern? Die Parteimitglieder könnten nach Trager natürlich einfach nach Hause gehen. Möglich wäre natürlich auch der Beginn einen Untergrundkampfes. Eine andere Option ist die Arbeit aus dem Ausland. Die neue Zentrale der MB wurde nach London verlagert, doch nur ein Mitglied der Führung konnte der Verhaftung entgehen und sich ins Ausland absetzen. Man kann nur hoffen, daß den Ägyptern der Weg in einen Bürgerkrieg erspart bleibt. Das Urteil über den Präsidenten, der sicherlich kein Demokrat war, aber auch kein Diktator, wird die Geschichte fällen.

Zitate: Reportage des BBC Radio 4 Analysis und ein Vortrag von Eric Trager am Washingtoner Middle East Institute am 2.1.13

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Geschrieben von

jan Stephan

Mich interessiert Arbeitsmarkt, Außenpolitik und die Bundeswehr. Doch ich schreibe auch gerne über Film und Fernsehen

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