Lenkt den Blick um!

Ukraine Das Zentrum der Revolution ist aus dem Blick geraten - dagegen gilt es etwas zu tun

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Lenkt den Blick um!

Ich schreibe diese Zeilen, während die Bürgerinnen und Bürger auf der Krim darüber abstimmen, ob die Krim ein Teil der Russischen Föderation werden soll. Die Kriegsgefahr ist da, heute mehr als bisher in der sog. Krim-Krise, da russische Truppen nun auch das Festland betreten haben. Daher ist dieser 16.3.2014 ein historischer Tag.

Abseits von diesen historischen Ereignissen, die gut Schlagzeilen füllen und die Aufmerksamkeitsschwelle leicht überwinden, geht das Ringen um grundlegende Reformen weiter, die mühsame tagespolitische Arbeit an den Veränderungen im korrupten und willkürlichen Staat, für die die Ukrainer auf die Straße gingen und über hundert Menschen starben. Diese Anstrengungen erfordern eigentlich viel mehr Aufmerksamkeit, als sie derzeit bekommen, denn sie sind vielleicht noch historischer. Doch Putin hat einen geopolitischen Konfliktherd im Süden der Ukraine geschaffen, der die Aufmerksamkeit lenkt. Und auch seine Interpretation dessen, was auf dem Maidan passiert ist, lenkt unsere Wahrnehmung. Denn auch wenn wir uns wortreich gegen diese Propaganda wehren, spielen wir mit. Wir geben seinen meist aus der Luft gegriffenen Vorwürfen Raum und reproduzieren sie, auch in der Negation.

Darüber vergessen wir zu fragen, was eigentlich gerade auf dem Maidan passiert. Wie es im Zentrum der Revolution weitergeht. Denn nur indem wir unsere Aufmerksamkeit auf die Vorgänge dort lenken, uns für die Forderungen, Fortschritte und Unwegsamkeiten in Kyiv interessieren, tun wir etwas für die Demonstranten auf dem Maidan und gegen Putin.

Dieser mühsame Reformprozess ergibt keine reißerischen Schlagzeilen, keine schnellen Veränderungen. Aber wir müssen uns daran erinnern, dass es den Leuten auf dem Maidan vor allem um eben diese Veränderungen im korrupten und willkürlichen Staat ging. Wenn wir uns nicht für die kleinen Schritte interessieren, die derzeit weiterhin auf dem Maidan passieren, unterstützen wir Putin und seine inakzeptable Besatzungspolitik, weil unser Blick genau in die Richtung geht, in die er ihn lenken möchte. Nur so kann das Bewusstsein gestärkt werden, dass die Ukraine und seine Bürgerinnen und Bürger selbst ein Subjekt sind, und nicht ein Objekt im Einflussbereich mächtiger Nachbarn.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Jana Fuchs

Osteuropa-Schwerpunkt privat und im Beruf, auf Sprache, Kultur und Geschichte.

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