Ein schöner Nebenkriegsschauplatz

Buchpreis Der Literaturbetrieb debattiert über den Mangel an nominierten Frauen. Erbsenzählerei sagen die einen, in der Branche gehe es zu wie im Mittelalter, attestieren andere
Ausgabe 35/2014

Jetzt ist in der vergangenen Woche eine kleine Debatte im Literaturbetrieb entbrannt, in und an der erst einmal jeder was zu mäkeln hatte: Die Kollegen vom Welt-Feuilleton haben sich über die Longlist für den zur Frankfurter Buchmesse zu vergebenden Deutschen Buchpreis gebeugt und festgestellt, dass dort zu wenige Frauen nominiert sind. Obwohl, so die Kollegen, in diesem Jahr sehr viele, sehr gute Romane von Schriftstellerinnen erschienen sind und noch erscheinen werden. Marlene Streeruwitz, die wohl feministischste deutschsprachige Schriftstellerin, hat dann noch eine gnadenlose Analyse der männlichen Denkstrukturen des Literaturbetriebes hinterhergeschoben.

Daraufhin regte sich Protest von nahezu allen Seiten. Vor allem in den sozialen Netzwerken spottet man über diese Erbsenzählerei und zählte eifrig zurück. Diese und jene Frauen hätten doch den begehrten Preis schon erhalten, diese und jene Frauen würden doch in Jurys gewählt und sogar zu den Vorsitzenden dieser Jurys ernannt. Ja, es stimmt: Den Buchpreis haben bisher ausnahmsweise mal mehr Frauen als Männer gewonnen. An einer grundlegenden und strukturellen Debatte allerdings scheint niemand ein Interesse zu haben. Obwohl die, wie in solchen Verteilungsfragen immer, natürlich dahinter aufscheint und zu führen wäre.

In der Buchbranche ginge es zu wie im Mittelalter, sagt eine, die sich dort auskennt. Die Frauen sagten nichts, weil sie Angst hätten, dann nichts mehr zu werden, sagt eine, die noch etwas werden will. Und verweist auf den simplen Umstand, dass nicht nur einflussreiche Kritiker zu großen Zahlen Männer sind, sondern dass, obwohl in Verlagen überproportional viele Frauen arbeiten, viele inzwischen auch Pressechefinnen oder Programmleiterinnen geworden sind, es Verlegerinnen aber außer Ulla Bercéwicz, Siv Bublitz und Antje Kunstmann kaum gibt. Einflussreiche Agentinnen hingegen viel mehr. Aber die großen und wichtigen deutschen Verlage werden ausnahmslos von Männern geleitet. Frauen sind als Entscheiderinnen nicht erwünscht.

Das ist insofern interessant, als wir in den Medien diese Debatte schon eine Weile führen. Mit dem Verein Pro Quote ist daraus auch schon eine Art Interessenvertretung hervorgegangen, die ihre Stimme erhebt, wenn es sein muss. Ist Zeitungen verkaufen nicht ein ähnliches Geschäft wie Bücher verkaufen? Warum also findet hier statt, was dort kaum der Rede wert zu sein scheint?

Die Antwort ist simpel und in gewissem Sinne desillusionierend: Weil die Männer in den Zeitungen erkannt haben, dass es ohne Frauen nicht mehr richtig weitergeht. Weil man mit Frauen neue Lesergruppen erreichen wollte und erkannt hat, dass das nur geht, wenn in den Zeitungen auch aus deren Perspektive gedacht und geschrieben wird. Es waren dann Männer, die Frauen in Führungspositionen gehoben haben; und wir alle gemeinsam hoffen nun, dass sich dadurch nicht nur die Zeitungen, sondern auch das Arbeitsklima in den Redaktionen ändert.

Bücher allerdings werden von Leserinnen gekauft. Zu so großen Zahlen, dass die Buchbranche zusammenbrechen würde, würden die Frauen damit aufhören. Handlungsdruck ergibt sich deshalb strenggenommen eigentlich für niemanden, außer für jene Frauen, die Verlegerinnen und Kritikerinnen werden wollen. Aber was ist das denn für ein schales Argument! Für eine Bewusstseinsindustrie wie die Buchbranche ist es geradezu peinlich.

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