Was unterscheidet eine moderne Ehe von einer traditionellen? Richtig. Ihre Dauer. Sie ist irgendwann vorbei.
Da ja die kurze Amtszeit des Präsidentenpaars Wulff vor allem von jenen Blättern, die im Zweifel gegen den Fortschritt sind, zu einer Verjüngungskur fürs Schloss Bellevue und das ganze Land, zu einer Coolness-Welle, einem Patchwork-Paradies, kurzum zum Himmel auf Erden im 21. Jahrhundert hochgeschrieben wurde, könnte man jetzt, da Bettina und Christian Wulff wieder getrennte Wege gehen, ohne Übertreibung sagen, dass dieses Paar erst im Moment der Auflösung zu seiner wahren Bestimmung fand. Ohne Häme.
Ohne Trennung kein Patchwork, ohne Ende kein Anfang, ohne Zäsur letztlich keine Erfahrung. Nur eine kurze Ehe ist eine gute Ehe. Das wusste schon Tolstoi.
Man muss sich ja am Frühstückstisch noch in die Augen blicken können. Wie viele Paare kennen Sie, die das noch, sagen wir, einfach so können? Aus jener allseits gelebten Praxis der disharmonischen Symbiose, die viele für Liebe halten, haben die beiden nun den Befreiungsschlag gewagt. Dafür muss man ihnen Respekt zollen. Es hätte günstigere Zeitpunkte als zu Beginn des neuen Jahres gegeben, noch bevor der Rücktritt von Christian Wulff mehr als ein Jahr zurück lag. Der Spott der anderen ist den beiden sicher. Andererseits: Den richtigen Moment für eine Trennung gibt es nicht.
Streng genommen war nun alles umsonst. Sie erinnern sich, mit dem faulen Kredit für das neue Heim in Großburgwedel, dass die beiden frisch Verliebten nach der Trennung von Christian Wulffs erster Familie bezogen hatten, fing alles an. Dadurch war jener Stein ins Rollen gekommen, der dann auch noch die kostenlosen Urlaube, die bis heute nicht ganz geklärte Akquise von Sponsorengeldern für den Nord-Süd-Dialog, die Sache mit dem Rubikon und so weiter und so weiter ans Tageslicht brachte. Aber da es in einer Patchwork-Realität keine große Moral der Geschichte mehr gibt, sondern nur noch Splitter, Fasern und einzelne, ungeordnete Elemente, muss man nach dieser auch nicht mehr fragen. So gesehen, nein, umsonst war all das nicht.
Kommentare 22
Ich denke, auch nachdem der interessierte Leser durch ihr Buch etwas mehr von ihrer Innenwelt erfahren konnte, dass Bettina schon bei ihrer Heirat, ach was, schon bei ihrem Entschluss, mit dem Wulff etwas mehr anzufangen, geahnt hat, dass sie schon coolere Freude hatte.
Wulff hat dann sicherlich im Laufe der Zeit öfter mal gemerkt, dass er Bettina schon noch ein bisschen mehr bieten muss als nur sich selbst. Stoff für mindestens ein viertel Drama.
Es ist, wie wie Reich-Ranicki am Ende der Show mit Bert Brecht zu sagen pflegte: "Und so sehen wir betroffen: Den Vorhang zu und alle Fragen offen."
M.a.W.: Mit seinem Scherbenhaufen bleibt jeder allein zurück.
"vor allem von jenen Blättern, die im Zweifel gegen den Fortschritt sind ..." - Ebend, und die anderen könnten doch auch anstandshalber das Paar und den Fall einfach in Ruhe lassen, statt daran für ihr bildungshungriges Publikum solche tiefschürfenden philosophischen Lektionen anzuknüpfen.
Lieber dF,
die Wissen-Seiten wurden aus "Sparzwängen" gestrichen, eine brillante Frau Zinkant verließ den Verlag.
Aber Platz für diese Belanglosigkeit darf dann schon noch sein.
Ganz ehrlich, dafür fehlt mir das Verständnis.
MfG am
Die Belanglosigkeit bezog sich auf B.Wulff ;))
Vorher war's ein anderer, dem mal der Slogan "Im Besitz der Belegschaft" verboten wurde, nämlich Zapf .
Hallo oranier,
nicht, dass ich mich nicht freuen würde, Dich hier mal wieder zu erblicken. Und Recht hast Du auch noch. Aber: lohnt sich das, aus solchem Anlass sich die Mühe zu machen? :-)
Lass Dir's gut gehen 2013!
Gut also Patchworkbeziehungen: ich lese gerade Heinrich Manns Heinrich der IV., letzterer ist auch in späterer Zeit immer mit seiner Konkubine aufgetreten statt mit seiner Angeheirateten. An Wulffs erinnert mich das aber nicht.
Stimmt, zeigt aber wie gehässig die Leute sein können, komischer Weise differenziert gehässig! Bin gespannt ob Bild genau so pingelig die unerhörten Eheverhältnisse von Herrn BP Gauck untersucht. Mobbing auf höchster Ebene will auch gelernt sein!
... das frage ich mich nachdenklich auch!
"Ein Null-Artikel."
So würde ich das nicht sagen. Ich habe schließlich eine Erkenntnis, ja, eine Lebensweisheit gewonnen: "Nur eine kurze Ehe ist eine gute Ehe."
Sollte ich mal wieder zu einer Hochzeit eingeladen sein, werde ich diesen Poesie-Spruch an die Geschenkeverpackung heften. Die Beiden sollen doch nicht etwa die Illusion haben, sie hätten einen Bund fürs Leben geschlossen.
Danke, lieber Goedzak!
Ach je: "lohnt sich das?" Wenn ich mich das jeweils frage, kann ich mein Laptop wohl auch zugeklappt lassen. Die allgemeinere Frage: lohnt sich das hier überhaupt noch? kannst du wohl besser beantworten. Ich kenne ja hier kaum noch jemanden.
Umso erfreuter erwiderie ich gerne deine Grüße und Wünsche.
oranier
Man kann also auch einen sowohl kritischen als auch anständigen Artikel über das Ehepaar Wulff schreiben. Ich finde, schon damit, dass er das beweist, lohnt er sich.
Ähnlich, fast nüchterner ist auch ein Artikel im Spiegel.
Der Autor sieht darin eine "Konsequenz" was hier die Autorin "Bestimmung" nennt. Die Reflektion darüber grenzt sich ja gegen den füheren Hype ab und das finde ich auch anständig. Was ich mich nur frage, wieviel Frau Hensel dem früher erschienenen Artikel im Spiegel verdankt? Die Ähnlichkeit ist für mich frappierend.
Ich finde es unfair, den Frust über Katrin Zinkants Weggang auf diesen Artikel abzuladen. Allerdings war mir auch nicht klar, was der Artikel im gedruckten Freitag zu suchen hatte (den ich mir jedesmal kaufe, wenn ich einmal im Jahr in Wien bin, hier in Biel gibts ihn ja nicht). Inhaltlich na ja, und dann noch zeitlich hintendrein wie die alte Fasnacht.
Katrin Zinkant vermisse ich auch sehr. Aber das geht der Red. bestimmt genau so. Vielleicht sucht sie ja schon Ersatz. Hoffentlich.
Manches ist so überflüssig wie ein Kropf. Dazu zähle ich den Text samt Thema.
Aber auch ein Kropf ist ja gewissermaßen nur sichtbarer Ausdruck für ein tiefer liegendes Problem des betroffenen Körpers, sprich Folge einer Ursache ...
Boulevard von der stellv. Chefredakteurin - aber ihre Werke gefallen mir i.d.R. auch sonst inhaltlich weniger als was andere Autoren des FREITAGs schreiben. So ein Artikel sollte eigentlich nicht sein.
Lieblicher Oranier,
schön, dass Du wieder da bist. Und bleib'gefälligst!
Ich schreib's ungern, aber Du hast mir gefehlt.
weinsztein
Ich bin nicht weg, aber mangels des alten Diskussionszusammenhangs nur noch sproradisch hier.
"Lieblicher Oranier"? - Danke für die freundliche Begrüßung! Jedoch bin ich, nach meinem Selbstverständnis jedenfalls, eher von der herberen Sorte.
ach was.
Was ach :-))
Mich hat der oranier auch schon auf das - nein, den - Schild gehoben. Ich find, er sollte ein bisschen mitmotzen, aber nicht so dolle. Und das mit den Wulffs finde ich keine größere Debatte mehr wert.
Auf das oder auf den Schild gehoben: nicht so wichtig. Interessant aber die Herkunft der Redensart, finde ich.
"das mit den Wulffs finde ich keine größere Debatte mehr wert." - meine Rede!
"mitmotzen, aber nicht so dolle": da steht erfahrungsgemäß Magda vor, durch dolleres Motzen. Oder fällt dir da auch nichts mehr ein?
@ Hans Springstein
"Aber auch ein Kropf ist ja gewissermaßen nur sichtbarer Ausdruck für ein tiefer liegendes Problem des betroffenen Körpers".
Also immer hübsch auf die Oberbayern, gell?
Im alten "Simplicissimus" gab es mal eine Karikatur: ein älteres Ehepaar, sie im Dirndl (hab vergessen, wie ausgefüllt), er mit Kropf in Krachlederner und mit Gamschbarthut, sitzt beim Abendbrot. Sie: "Sag mal Xaver, willst du dir den Kropf nicht mal wegoperieren lassen? Er: "Jo freili, dass ich ausschaug wie a Preiß!"
Grüße
oranier