Es werden quälende Wochen

NSU An den Prozess gegen Beate Zschäpe und vier weitere mutmaßliche Unterstützer werden hohe Erwartungen geknüpft. Das ist gut so
Ausgabe 15/2013
Es werden quälende Wochen

Foto: Christof Stache/ AFP/ Getty Images

Es werden quälende Wochen und Monate werden. Wenn das Verfahren gegen Beate Zschäpe und vier weitere mutmaßliche Unterstützer des Nationalsozialistischen Untergrund in der nächsten Woche beginnt, sind zwar jene Ermittlungen, die zu einem der größten Strafprozesse in der Geschichte der Bundesrepublik geführt haben, vorerst abgeschlossen. Aber das Ganze geht dann – nun wahrscheinlich am Mitte Mai – noch einmal von vorne los. Die schwarzen Jahre des rechtsradikalen Terrors werden jetzt in allen Details noch einmal ausgeleuchtet, betrachtet und begutachtet. Und die ganze Welt schaut dabei zu.

Nun werden erste Stimmen laut, die warnen, an das Gericht nicht übergroße Erwartungen zu stellen, das Verfahren nicht mit moralischen Fragen zu überfrachten. Aber das ist falsch, denn der Rechtsstaat, um dessen Rettung es in dem Prozess genauso geht wie um die angemessene Verurteilung der Täter, hat sich das Instrument der Justiz geschaffen, um Gerechtigkeit walten zu lassen. Jeder noch so große Anspruch bleibt ein realistischer.

Umso mehr, weil dieses Verfahren auf wackligen Füßen steht. Die Ermittlungen haben mehr Indizien als stichhaltige Beweise ergeben. Der Hauptangeklagten Zschäpe konnte bisher keine direkte Verbindung zu den Morden nachgewiesen werden; nur auf einem der von ihr angeblich verschickten Briefe mit dem Bekennervideo sind ihre Fingerabdrücke gefunden worden. Und dennoch steht sie als Überlebende symbolhaft für den NSU. Es geht um ihre Entscheidung, ihr Leben mit den Terroristen verbracht zu haben. Es geht um die Entscheidung anderer, das Trio unterstützt und die Taten möglich gemacht zu haben. Entscheidungen, die zehn Menschen mit ihrem Leben bezahlt haben.

All das wird in dem juristischen Hickhack oft aus dem Blickfeld geraten. Die Justiz ist ein ebenso kaltes Geschäft, wie es alle Geschäfte sind. Sie wird von Menschen gemacht, denen es eignet, eher einen kleinen Schritt vor den nächsten zu setzen, als das große Ganze im Blick zu haben. Es ist gut, sich das schon vorher klar zu machen. Denn an das Eigentliche, das Versagen zu erinnern, wird die quälende Aufgabe der Gesellschaft in den nächsten Monaten sein. Im Saal 101 des Münchener Oberlandesgerichtes wird auch über unser eigenes Versagen verhandelt.

Ob München dafür der richtige Ort ist, darf bezweifelt werden. Wie Kübra Gümüsay schreibt: Während ihrer Kindheit und Jugend in Hamburg war sie noch nie einem Neonazi begegnet. In Halle, Leipzig oder Dresden wäre ihr das nicht passiert. Im Osten gehören Rechtsextreme einfach dazu. Keine Stadt ist von dieser deutschen Wirklichkeit weiter entfernt als München. Und so findet sich, beinahe folgerichtig, unter den Staatsanwälten und Richtern kein einziger Ostdeutscher. Auch Migranten gehören in diesem Prozess nicht zu den Vertretern des Staates. Aber noch einmal: Jeder noch so große Anspruch an das Gericht bleibt ein realistischer.

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