Triumph der Arrièregarde

Anne Sinclair Anne Sinclair ist in Frankreich zur Frau des Jahres gekürt worden: Weil sie in den Sex-Affären zu ihrem Mann Dominique Strauss-Kahn hielt. Mon Dieu!

Von Anfang an war die Zimmermädchen-Affäre von Dominique Strauss-Kahn ja von Verschwörungstheorien begleitet. Sie schossen, nachdem der damalige IWF-Direktor in einem New Yorker Hotel eine Angestellte zum Sex zwingen wollte, regelrecht ins Kraut. Einmal waren es die französischen Sozialisten, die DSK in den Hinterhalt gelockt hatten; ein anderes Mal Nicolas Sarkozy höchstselbst. Oder gar dunkle Mächte, die sich in der Euro-Krise einen anderen Kurs wünschten. Dabei verhält es sich mit den Verschwörungstheorien wie mit dem echten Leben: Es sind immer Männer, die Intrigen anzetteln, weil sie sich dadurch einen Vorteil erhoffen.

Nun hat uns die Geschichte aber vorerst eines Besseren belehrt. Am Ende der inzwischen reichlich unübersichtlichen Indizienkette geht eine Frau als strahlende Siegerin aus diesem unappetitlichen Rennen hervor: Anne Sinclair, die in den düstersten Stunden ihrer Ehe, – Stunden, die sich über Monate hinzogen und noch immer nicht beendet sind – stets zum Mann an ihrer Seite gehalten hat, ist nun in Frankreich zur Frau des Jahres gekürt worden. Sie hat dabei unter anderem Christine Lagarde, Martine Aubry und Marine Le Pen auf die Plätze verwiesen.

So gesehen hat das Ganze fast etwas Lustiges an sich. Intrigen sind wohl doch die Sache von Frauen. Denn: War es etwa doch Anne Sinclair, die ihren Mann in den Hinterhalt gelockt hat? Damit sie sich nun, wenige Tage nach dem 20. Hochzeitstag der beiden, mit diesem Titel schmücken kann? Mon Dieu!


Im Kern jedoch, man ahnt es schon, geht es dabei um etwas anderes. Denn mit dieser Würdigung wird den Frauen mal wieder jener Platz zugewiesen, den zu verlassen sie in den letzten Jahren immer stärker versucht haben: der private nämlich. Zurück an die Seite der Männer, nicht neben oder gar vor sie. Insofern ist es nicht egal, was die Leute in ihren Schlafzimmern so alles anstellen. Denn spätestens jetzt, nachdem es dafür auch Preise gibt, werden die privaten Rollen zu öffentlichen. Zu politischen.

Der Mann erscheint dabei als ein Kind, um dessen Wohl die sorgende Gattin stets bemüht sein soll. Sie ist seine Komplizin und macht ihren, natürlich unbezahlten, Job dann am besten, wenn jene Verfehlungen nicht ans Tageslicht kommen, die nun von Strauss-Kahn alle kennen. Auch so kann man die Würdigung lesen: als Warnung an die Frauen, doch in Zukunft besser auf ihre Männer aufzupassen!

In den Debatten der letzten Jahre konnte man den Eindruck bekommen, es herrsche ein Krieg zwischen jenen Frauen, die arbeiten und jene, die sich um ihre Kinder kümmern wollen. Dieser Gegensatz ist ein künstlicher, er erzeugt einen falschen Schein. In Wahrheit nämlich stehen die öffentlichen Karrierefrauen jenen unsichtbaren Karrierefrauen gegenüber. Also denen, die zuhause, von der Couch, über ihre Männer, die sie in die täglichen Scharmützel schicken, Macht ausüben. Diese Frauen sehen länger gut aus, machen sich nicht die Hände schmutzig und befrieden sich mit ihrer Macht, weil niemand sieht, welchen wahren Einfluss sie haben. Diese unsichtbaren Karrierefrauen haben in Anne Sinclair nun eine Ikone gefunden.

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