„Zu welchem Lenin-Denkmal wollen Sie denn?“, fragt der Taxifahrer. „Es gibt hier viele davon“. Kasan, die Hauptstadt der kleinen russischen Republik Tatarstan, bildet da keine Ausnahme. Überall im Land ist er gegenwärtig: Wladimir Iljitsch Lenin. In Russland ist man stolz auf den Revolutionsführer von 1917. Denkmäler finden sich selbst in der Provinz. In Moskauer Metrostationen sowieso.
Das ist kein Zufall. Die zahllosen Stein-Lenine und der echte, einbalsamierte am Roten Platz in Moskau deuten es an: Die Sowjetunion lebt bis heute fort. Das Vergangene ist in Russland gegenwärtig. Das, was wir „Russland“ nennen, ist eine Föderation aus zahlreichen Republiken und (teil-)autonomen Gebieten. Diese Russische Föderation lebt aus dem Geist der ehemaligen Sowjetunion. Und sie ist in Bewegung.
Rund eine Million ArbeitsmigrantInnen leben in der russischen Hauptstadt. Sie kommen zum großen Teil aus den südlichen GUS-Staaten wie Kasachstan, Usbekistan und Tadschikistan. Etwa 50.000 von ihnen haben sich in der Gewerkschaft der arbeitenden MigrantInnen (russ. Профсоюз Трудящихся Мигрантов) organisiert. Die gemeinsame Vergangenheit, das Russische als gemeinsame (Fremd-)Sprache, aber auch kulturelle und soziale Ähnlichkeiten erleichtern die Zusammenarbeit. Bei politisch heiklen Fragen wie etwa der zur Krim-Krise können die Meinungen aber auch sehr auseinandergehen.
Svetlana Boboc stammt aus der Republik Moldau, dem nach Armenien kleinsten GUS-Staat und einem Fast-EU-Beitritts-Kandidaten (wenn da nicht der Transnistrienkonflikt wäre). Die Mitte 60-Jährige arbeitet schon seit etwa 20 Jahren in Moskau. In ihrer Heimatstadt Chișinău war sie Hochschullehrerin für Geschichte. Hier in der russischen Metropole ist sie im Innenausbau tätig. So recht glauben mag man es nicht, aber sie zeigt sich damit zufrieden. Sie verdiene gut. Noch ein paar Jahre wolle sie hier arbeiten, dann zurück in die Republik Moldau gehen. Ihre Kinder leben in Rumänien, wohin ihr Vater in den Kriegswirren 1944 aus Kasan gekommen war. Ihre Geschichte ist eine sowjetische.
Migration ist in der Russischen Föderation ein Thema. Anders als in der EU spielt Fluchtmigration jedoch kaum eine Rolle. Russland ist kein Einwanderungsland, wohin Menschen dauerhaft ziehen (können), aber die Hoffnung auf ein besseres Leben für viele temporäre ArbeitsmigrantInnen, vergleichbar vielleicht der GastarbeiterInnen-Phase in den 50er bis 70er Jahren in der BRD.
VertreterInnen der Deutschen Karl-Fuchs-Gemeinschaft und der Versammlung der Völker Tatarstan berichten in der 800 km östlich von Moskau liegenden Provinzhauptstadt Kasan, dass Zuwanderung mit Kontingenten geregelt werde. Die örtlichen Firmen legten in regelmäßigen Abständen fest, wieviele qualifizierte Arbeitskräfte sie benötigten. Entsprechend geeigneten MigrantInnen werde die Einreise gewährt. 2015 seien auf diese Weise etwa 200.000 MigrantInnen in die kleine Tataren-Republik migriert. „Это не хаос – Das ist kein Chaos“, sagt Viktor Dietz, der Vorsitzende der Deutschen Karl-Fuchs-Gemeinschaft. Probleme würden durch die enge Kooperation von Staat, Sicherheitsorganen (auch in den jeweiligen Herkunftsländern der MigrantInnen) und der Versammlung der Völker gelöst. In dieser Versammlung sind in der Republik Tatarstan immerhin rund 20 Nationalitäten, die sich jeweil als eingetragene Vereine organisiert haben, vertreten. Ihre gemeinsame Sprache ist Russisch, ihre Vergangenheit sowjetisch.
Insgesamt gibt es Schätzungen der Gewerkschaft arbeitender MigrantInnen zufolge etwa 10 Millionen ArbeitsmigrantInnen in Russland. Wer zuwandert, muss sich bei einer speziellen Behörde registrieren und eine Gebühr für die Krankenversicherung entrichten. Nur so darf man überhaupt arbeiten. Besondere Rechte hätten sie nicht, sagen die GewerkschaftsvertreterInnen. Es ist wohl davon auszugehen, dass ArbeitsmigrantInnen genauso wenige (soziale) Rechte haben wie inländische Kräfte.
Anderes ist von den GesprächspartnerInnen in Kasan zu hören: ein Migrationsgesetz regele alles, die Arbeitgeber würden die Verantwortung für die angeworbenen Arbeitskräfte übernehmen, sich um Wohnraum kümmern und die Daseinsfürsorge gewährleisten.
Russland ist nicht gleich Russland. Die verschiedenen Positionen bei der Frage nach der sozialen Lage von MigrantInnen in Russland sind unter anderem in den regionalen Disparitäten der riesigen Föderation begründet. Kasan, eine relativ reiche Stadt, die von Erdölförderung und Industrie lebt und in der die Arbeitslosigkeit unter einem Prozent liege, bietet andere Bedingungen als etwa Moskau, die Metropole, die sowieso ganz anders ist als die übrigen 17.073.000 km² der Russsischen Föderation.
Wenn man in Moskau unterwegs ist, mag man kaum glauben, dass Russland in einer Krise steckt. Die Stadt ist eine einzige Baustelle. Metroliniennetzpläne sind nach wenigen Monaten veraltet, weil wieder irgendwo eine weitere Station gebaut wurde. Bis an den Flughafen Sheremetjevo wälzen sich Wohnwolkenkratzer, alle kürzlich gebaut. Wie geht das?
Das Zentrum der ehemaligen Sowjetunion, Russland, hat sich in den letzten 25 Jahren zu einem kapitalistischen Land entwickelt. Ein Mitarbeiter des Moskauer Büros der Rosa-Luxemburg-Stiftung spricht von einem „wilden Kapitalismus“ mit einer bunten, künstlich geschaffenen Oberschicht. Der Sozialstaat existiere formal, sei aber durch die Wirtschaftskrisen der Vergangenheit immer mehr eingefroren worden. Gewerkschaften seien schwach. Die der arbeitenden MigrantInnen erklärt sich ihre marginale Rolle damit, dass Gewerkschaften in der sowjetischen Zeit mit der Regierung zusammengingen und somit ihre Existenzberechtigung aufgegeben hatten. Im neuen russischen Kapitalismus – die Systemfrage ist mittlerweile eher eine Frage der verschiedenen Kapitalismen als der verschiedenen politischen Systeme – müssen sie sich ihre Position erst wieder erkämpfen.
Die sowjetische Vergangenheit der Russischen Föderation lebt im Phänomen der Arbeitsmigration fort. Das Russsische als Lingua franca ist eine der Eintrittskarten von südlichen ArbeitsmigrantInnen in die Arbeitswelt der nördlichen Metropole(n). Die Nachfahren von Lenins ArbeiterInnen, die sich Anfang des 20. Jahrhunderts vereinigt hatten, um in „allen Ländern“ für bessere Arbeitsbedingungen zu kämpfen, sind heute die Sklaven im russischen Kapitalismus. Er ist zwar jünger als der westliche Kapitalismus, funktioniert aber genau so: durch Rassismus, Sexismus und andere Formen der Diskriminierung. Und mit Sowjetsymbolik.
Kommentare 18
Danke für den interessanten Beitrag.
Ja, auch von mir. Die Nachfahren von Lenins ArbeiterInnen, die sich Anfang des 20. Jahrhunderts vereinigt hatten, um in „allen Ländern“ für bessere Arbeitsbedingungen zu kämpfen, sind heute die Sklaven im russischen Kapitalismus.
So sieht es aus.
bitte mehr von diesen (an)teilnehmenden beobachtungen.
Wenn man in Moskau unterwegs ist, mag man kaum glauben, dass Russland in einer Krise steckt.
Der Schein trügt eben in Russland, und nicht nur dort. Wenn der große Knall kommt, und der kommt im neu-kapitalistischen Russland und auch in China viel früher als in den alt-kapitalistischen Teilen der Welt, wird das ein sehr böses Erwachen.
Auch für uns.
Danke für deinen Bericht.
Beeindruckend. THX
Ein ganz starker Beitrag, dem ich einen Abdruck im Lieblingsblatt wünschte, wenn ich da was zu sagen hätte. Die Binnenmigration in Russland hat allerdings eine sehr, sehr lange Tradition, neben der Zwangsumsiedlung.
Kasan, ich las einst Andreas Kappelers "Russland ein Vielvölkerreich", war ja das erste mongolische Khanat, das sich 1552 , zum Beginn der "Sammlung der Länder der Goldenen Horde", durch Ivan IV in das Moskauer Zarenreich einfügen musste.
Von da ab, geht es in einer eigentümlichen Expansion, manchmal tolerant, oft kriegerisch und grausam, die nur schwer mit der Kolonisierung der Welt durch Westeuropa vergleichbar ist, die nicht weniger grausam verlief, immer weiter.
In Moskau und später in "Peter", aber auch in anderen russischen Großstädten der Geschichte, z.B. in Kiev, Odessa, gab es immer große, relativ isoliert lebende Diaspora- Gemeinden anderer Volksgruppen und viele hatten, wie die Deutschbalten und Polnischstämmige, spezielle Funktionen im Staatsgefüge.
Was produzieren denn die Kasaner heute?
Interessant wäre, einmal den Status der zig Millionen US- Arbeitsmigranten mit denen Russlands zu vergleichen (keine KV, keine Arbeitsplatzsicherung, Niedriglöhne, selbstverständlich keine Gewerkschaften, nicht einmal Rechtevertreter). Das Lenin in Kasan noch zu Ehren kommt, kann ich natürlich verstehen. Die Bio-Biografie macht es. Lenins Ansichten und Handlungsweisen bezüglich der "kleinen Völker" waren aber auch wirklich andere, freundlichere, als die Stalins. Und der Mann wusste was von Migration.
Beste Grüße
Christoph Leusch
Naja, mir ist der Artikel ein bisschen zu allgemein, zu sehr an der Oberfläche bleibend. Ich hätte mir schon ein wenig mehr exemplarischen Tiefgang erhofft. Die Begeisterung der Vorredner zeigt aber, wie stark der Nachholbedarf an konkreten Infos aus RUS ist. Und das, wo gerade hier in der FC immer so viele so vermeintlich umfassend bescheid zu wissen meinen über RUS. Insofern ist der Artikel freilich zu begrüßen.
Wenn Sie von "Binnenmigration in Russland" und ihrer Geschichte schreiben, ist das, im Zusammenhang mit dem Thema hier, an der Grenze zur Ungenauigkeit. Die Migration im Russischen Reich und nachher der Sowjetunion hat diese lange Geschichte und Tradition. So wurden etwa Hochschul- und Berufsausbildungsabsolventen in der SU zunächst erst einmal vom Staat nach Bedarf verpflichtet. Da konnte man aus Moskau, Minsk, Leningrad oder Gorki kommend schon irgendwo in Sibirien oder auch Zentralasien landen. Gerade die Länder Zentralasiens oder des Kaukasus wurden, obwohl seit spätestens Katharina ins Reich eingemeindet, nie als "russisch" begriffen. Die Ablehnung von Kaukasiern, Usbeken, Aserbaidschanern ... im russischen Norden war auch in der SU sehr stark. So richtig "binnen" war das nie ; wurde nie so begriffen. Gleichwohl diese Regionen, abgesehen von den heute reichen Öl/Gasregionen wie Aserbaidschan, den einzigen infrastrukturellen und wirtschaftlichen Entwicklungsschub unter dem Sowjetregime erfuhren. D.h., die einstige SU bleibt ein Bindeglied.
"Das Lenin in Kasan noch zu Ehren kommt, kann ich natürlich verstehen. Die Bio-Biografie macht es."
Was heißt, die "Bio-Biografie macht es"? Lenin war doch kein Tartare!? Lenin steht heute noch in allen russischen und nicht-russischen Städten der ehemaligen SU.
Dieser Beitrag suggeriert auf einladend nahezu romantisierende Weise, dass die UdSSR seit ihrer Gründung nach der Oktoberrevolution 1917 mit ihrer Kommandowirtschaft, der Ausdehnung ihres militärisch- industriellen Komplexes, als Folge des WKI, der Massenprodukt Industrialisierung der Großmächte, dem Kapitalismus nicht unterworfen gewesen, erst seit 25 Jahren nach der Implosion der Ost- West- Blöcke in seine Blüte mit Alleinstellungsmerkmal schlägt,
Dem ist nicht so, die Sowjetunion war von Afang an ein Akteur im Kapitalismus als Form der Schattenwirtschaft nach Art heutigen Darknets zur Verschlüsselung von weltwirtschaftlich asymmetrischen Prozessen und Entwicklungen .
Der Begriff Binnenmigration kann nicht über den grundlegenden Konflikt in der GUS und anderswo z. B. in der EU hinwegtäuschen, den Nord- Süd- Konflikt, der mit dem Aufschlag Erster und Zweiter Weltkrieg 1914- 1945 beginnend durch den Kalten Krieg 1948- 1990 endgültig auf vierzig Jahre angelegt in einen Ost- West- Konflikt umgedeutet wurde, um jetzt weiter als Nord- Süd- Konflikt aus der Weltschattenwirtschaft eisig hervorzutreten und sich die Option offenhält, einmal mehr zum Ost- Westkonflikt umgedeutet zu werden.
Warum weigern sich viele EU- Länder vor allem in Osteuropa Flüchtlinge aufzunehmen, aus vielen Gründen, aber vor allem, weil die Menschen dort, sich im Bord- Süd- Konflikt die Option offen halten wollen in der EU als Arbeitsmigranten unterwegs zu sein, und den "Konkurrenzkampf" mit Flüchtlingen soweit es geht, von vornherein durch ihre Regierungen unterminiert wissen wollen, auch wenn das gegen Rechtsnormen des Völkerrechts in Kriegszeiten
- Russland ist, neben anderen, Kriegspartei in Syrien -
gegen die Genfer Flüchtlingskonvention verstösst
Wie sich Innen und Außen zueinander verhalten, das ist ja das Thema des Kappelerschen Buches. Er vergleicht übrigens auch knapp, ob man die nun wirklich Jahhunderte alte Ausdehnung Russlands bezüglich der Ost und Südosterweiterung und der Eroberung Sibiriens mit der Westentwicklung der USA vergleichen kann oder ob das nach der Methode des Kolonialismus ablief. Er plädiert für eine eigenständige und einzigartige Entwicklung.
Differenziert hat das Zarenreich Fremde als Funktionseliten angenommen, sie in Wellen ins Militär integriert und bezüglich der Integration der Eroberungen zwischen Adel und Bauern unterschieden. Es gab da die unterschiedlichsten Abstufungen. Einzig bei den muslimischen Stämmen, Klans und "Horden" , sowie bei den animistischen Jäger- und Sammlervölkern im Norden und fernen Osten, gab es keine ernsthaften Versuche der Integration, obwohl das manches Mal für diese Völker sogar Vorteile hatte, weil sie keinen Militärdienst leisten mussten und, so seltsam das klingen mag, manches Mal von Steuern und Abgaben, in Form von Naturalien (Pelz) befreit blieben. Eine andere Geschichte ist der Umgang mit Finnland, den baltischen Staaten und Polen.
Sehr interessant auch, dass es den um- und angesiedelten Russen in den neuen Gebieten, meistens verdrängten russische Siedler als Bauern die einheimische nomadische Bevölkerung, bezüglich der Tributpflichten an den Staat schwerer hatte. In manchen Großbezirken hatte der kooptierte einheimische Adel gar Russen als Leibeigene und/oder Schollengebundene.
Die Sowjetunion hattte unter Lenin, also in der Frühphase, durchaus emanzipatorische und befreiende Vorstellungen gegenüber den zahlreichen Kleinvölkern. Danach änderte sich das aber, denn Stalin kehrte zu der alten Zuckerbrot und Peitsche- Politik der Zaren zurück. Kasan war, wie bereits geschrieben, die erste Eroberung des Moskowiter- Reiches und es galt lange als Vorbild für das weitere Vorgehen.
Absolut und eindeutig, war in der Expansion bis 1920- 1925 gar nichts. Eher eigen. Und die Vorurteile bezogen sich immer auf bestimmte Gruppen.
Die SU nach Stalins Tod, ist dann nocheinmal eine andere Sache und das heutige Russland hat durch die vielen Diaspora- Ethnien in Moskau und die immer noch zahlreichen Russen in den GUS- Staaten, die aber längst nicht mehr willig folgen, ein ganz anderes Gesicht.
Was die Lenindenkmale angeht, schauen Sie hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Lenindenkmale_in_den_ehemaligen_sozialistischen_L%C3%A4ndern
Von wegen, da sei alles geblieben wie es war. Überall hieß es "Good Bye, Lenin!", obwohl der eben nicht der Hauptbösewicht war und auch keiner Suprematie- Theorie der Russen anhing.
Beste Grüße
Christoph Leusch
Sie sollten sich für welthistorische Betrachtungen anbieten. Da hält niemand mit, was Sie alles im Stakkato- und Telegram- Stil einstellen.
Frau Vogel schrieb doch zu Recht und ganz unromantisch von Kapitalismen. Sie macht das zudem in einer verdaulichen Sprache, die nicht alles mit mehr oder weniger passenden Details überbügelt und auch nicht nur so von Überzeugung stotzt, immer die maßgebliche Einschätzung abzuliefern.
Sie holt auch einmal mit ein paar Sätzchen Luft, transportiert Stimmungen und Meinungen. Finden Sie das nicht angemessener als jedes Dauerfeuer nach dem Schrotflintenprinzip? Was nun die Beteiligung Russlands am Syrien- Konflikt mit dem Vielvölkerstatus des heutigen Russlands zu tun hat und warum man das unbedingt in einem solchen Artikel erwähnen sollte, erschließt sich mir wirklich nicht.
Beste Grüße
Christoph Leusch
"Frau Vogel schrieb doch zu Recht und ganz unromantisch von Kapitalismen"
Mit Verlaub, Herr Leusch, das sehe ich anders. Das werden Sie mir hoffentlich zugestehen.
Gleichwohl spreche ich der Art und Weise des Beitrags von Frau Vogel, wie Sie, meine vollständige Wertschätzung aus und bin ihr dankbar, dass sie mich zu allerlei Überlegungen inspiriert hat.
Inhaltlich scheinen Sie meine Argumente zum Kapitalismus in der UdSSR nicht zu interessieren. Schade drum. Ihre Meinung interessiert mich
"Was nun die Beteiligung Russlands am Syrien- Konflikt mit dem Vielvölkerstatus des heutigen Russlands zu tun hat und warum man das unbedingt in einem solchen Artikel erwähnen sollte, erschließt sich mir wirklich nicht."
Das klingt nicht, als wollten Sie sich diesen Zusammenhang fragend erschließen, oder doch?, auch wenn das Fragezeichen fehlt?
Russland, die UdSSR, wie zuvor das Zarenreich haben und hatten - Sie weisen indirekt oben darauf hin. (s. u.*)-
- n. m. E. einen Nord- Süd- Konflikt in ihren Grenzen, wie heute die EU, auch wenn dazu kaum Begriffe kommuniziert werden.
Das Binnenmigration zu nennen ist für mich ein Euphemismus. sowohl für Russland als auch die EU. Das zu verdeutlichen, war und ist mein Anliegen. Sie mögen das anders sehen, wenn ja, dann tun sie es bitte " "Hier & Jetzt" argumentativund nicht mit beliebig weitläufigen Vorhaltungen :)
Frau Vogel weist in ihrem Beitrag darauf hin, dass Russland keine Flüchtlinge aufnimmt, Das gibt mir und könnte Ihnen und allen Lesern hier zu denken geben, ist Russland doch, neben anderen wie Deutschland USA, England, Frankreich, die Türkei, der Iran, Saudi Arabien, Katar, Bahrain Kriegspartei in Syrien und löst damit unberantwortlich geradezu Wellen an Geflüchteten aus, wie jetzt aus der eingeschlossen bombardierten Großstadt Aleppo ohne gesicherte Fluchtkorridore. weil Russland, das Assad- Regime, die USA die nicht zugesteht .
Beste Grüße zur Guten Nacht
jp
*
Russland ist keine Insel, auch nicht in der Frage der Arbeitsmigration, die Sie ja weiter oben seit dem 19. Jahrhundert als belegt anführen
ein dauer- feuer nach schrot-flinten-prinzip : selbst wenn es da gäbe, sehe ich nicht.
und was ist gegen welt-historische betrachtungen zu sagen, wo sie doch eine gelungene vorlegen?
Was bei allem Lob des Beitrages von Janika Vogel fehlt, sind, wenn nicht recherchierte Hinweise so doch zumindest unternommene Spurensuche von ganz anderen neuen Strukturen seit der Auflösung der Sowjetunion 1991 im Wege der Jelzin Ära, die ein ganz anderes Bild des heutigen Russlands zeichnen, z.B. paralell laufende Strukturen der Aufarbeitung der Stalin- Ära, des GULAG- Systems in Musseen, die in der russischen Bevölkerung großes Echo finden, wie Der Spiegel vor Monaten berichtete, auch wenn in manchen Teilrepubliken der GUS nicht nur Lenin- , sondern immer noch Stalin- Denkmäler gepflegt und womöglich ausgegraben, aus Rumpelkammern herbeigeholt zum militaristischen Veteranen Gesang wieder aufgestellt werden.
Deshalb wirkt der Beitrag bei alllem Lob seiner Art und Form inhaltlich irgendwie tendenziös mit dem Pastell farbenen Pinsel gezeichnet, wenn, wie gesagt, nur von Lenin- und nicht Stalin- Denkmälern die Rede ist, die Putin inzwischen neu aufstellen lässt und z. B. in Perisa ein Stalin- Zentrum bauen ließ, wie Die Zeit am 5. Juli 2016 zu berichten weiß.
Von der einschüchternden Wirkung der Sowjetsymbolik insbesondere der Stalin- Ära Symbolik im öffentlichen Raum Russlands auf die Bevölkerung ist in diesem Beitrag überhaupt keine Rede, die Opfer deren Angehörige und deren Hinterbliebene der Stalin- Ära und danach mit Sicherheit davon abhält und abhalten soll, berechtigte Klage auf Rehabilitation, Entschädigung gegen den russischen Staat als Nachfolgestaat der UdSSR zu führen
Vielleicht ist das Fehlen dieser Hinweise und Spurensuche Janika Vogel nicht einmal vorzuhalten, dieses Fehlen aber hier in der Kommentarleiste zu erwähnen, halte ich für des Lesers und Chronisten Pflicht. Da wünschte ich mir von Ihnen lieber Herr Leusch ein wenig mehr Eifer. Aber was nicht ist, kann ja noch werden :) , meinte unlängst mein Nachbar in anderer Angelegenheit
LG jp
https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/der-kriegsgraeberreformer#1470297874745268
ARISTOTELES 04.08.2016 | 10:04
JOACHIM PETRICK 04.08.2016 | 11:25
schreibt u. a.:
"In Russland z.B. gibt es fast in jeder größeren Stadt ein Denkmal für die Opfer Stalins."
http://www.zeit.de/freitext/2016/07/05/stalin-kunst-russland-martinowitsch/
Er nun wieder
5. Juli 2016 um 10:47 Uhr
Unter Putin gelangt Stalin zu immer neuen Ehren. Vorbehaltlos wird er sogar im Museum gefeiert. Warum verschreibt das heutige Russland sich wieder diesem Mann?
Ich habe so einen Artikel, wie den Frau Vogels zu den Arbeitsmigranten in der ehemaligen SU und der sich auflösenden GUS, zuletzt nirgendwo anders lesen können. Daher verteidige ich auch vehement ihren Ansatz, die Stimmungen in dem Attraktor Moskau und dann in Kasan zu beschreiben.
Der Artikel kann gar kein welthistorisches "Seminar" sein, das alles mit allem verknüpft. - Was ich im übrigen auch für eher verwirrend als erhellend ansehe, weil zu viele Propositionen einfach stehen bleiben, ohne ausführliche und klare sprachliche Ausformulierung.
Sie hat ziemlich klar ausgedrückt, dass kapitalistische Bedingungen das Leben im Postkommunismus prägen und sich auch die Eingliederung der nach Moskau strebenden Arbeitsmigranten diesem Prinzip einordnet. Da bestehen Parallelen zu den Antrieben der Migranten auf allen Kontinenten, hin zu den Städten, hin zu den Zentren der Kapitals.
Noch einmal: In Kasan ist man auf Lenin eher stolz, weil schon sein Vater und dann der Revolutionär selbst, dem Prinzip der völligen Russifizierung (Ende des Zarenreichs und genauso die slawophile, extrem nationalistische, russ. Opposition des Zaren), ein Vielvölkerkonzept entgegenstellte. Stalin hat das wieder kassiert und ist zu einer, im Prinzip alten und konservativen Idee der russischen Suprematie zurückgekehrt, worunter besonders die kleinen Völker zu leiden hatten.
Die Menschen aus den muslimisch geprägten ehemaligen SU-Republiken und Staatsteilen, die nach Moskau ziehen, stehen auch heute unter einem Generalverdacht und müssen mit Vorurteilen kämpfen, denn es gibt einen Terrorismus und eine organsierte Kriminalität aus ihrem Hintergrund (Warum das so ist, wäre wiederum ein ellenlanges Artikelthema). Das trifft umso mehr, als sie im Moskau- Kapitalismus, wie überall auf der Welt Arbeitsmigranten in Ballungszentren oder in den Zonen der industriellen Agrarproduktion, die unterste Schicht der Working force stellen.
Die umgekehrte, russische und ausländische Migration in die Peripherie, wird in Kasan gesteuert und unter Umständen deswegen nicht negativ aufgeladen verunglimpft. Trotzdem verschweigt Frau Vogel ja nicht, dass die sozialen Arbeitsplatz- Standards auch dort prekär sind und bleiben.
Beste Grüße
Christoph Leusch
Sie formulieren weiterhin freundliche Gedanken. Das ist gut so.`Das ist erbaulich.
. Abe fürdert das die Debatte, die Frau Vogel mit ihrem Beitrag mutmaßlich anregen will? Wohl kaum. Das eine ist ihr Beitrag, das andere ist die Debatte, der Sie sich immer noch zu entziehen suchen, u. a. der Frage, gibt es auch innerhalb der GUS wie zuvor in der UdSSR einen Nord- Süd- Konflikt?
Watum eigentlich
LG jp
Warum soll man was diskutieren, was offensichlich und zudem global ist? Bezüglich Russlands, aber auch bezüglich der USA, hatte das expnasive Verhalten meist allerdings wenig mit Kapitalismus als Hauptursache zu tun.
Hier geht es aber um die Arbeitsmigranten in Russland. Solche, die als Russen oder andere Fremde in die Peripherie gehen und solche, die als Minderheiten, wie früher schon, in die russischen Haupt- und Großstädte ziehen.
Historisch betrachtet, hatte Russland immer einen Nord- Südost, einen West- Ost und einen West- West/Nordwest- Konflikt ausgetragen. Es gibt praktisch keinen historischen Zeitraum und keine Region, in der nicht nach allen Richtungen massive politische und gesellschaftliche Konflikte rund um Assimilation oder Akzeptanz ausgetragen wurden. Das gilt von Finnland und dem Baltikum, bis zur polnische Frage. Das gilt bezüglich Mitteleuropas und dem Balkan, das gilt gegenüber der Schwarzmeer- und Asow- Region., das gilt für den Kaukasus und Transkaukasus und für die Ostexpansion in Gebiete, die mongolisch geprägt waren. Das gilt für die "Kleinvölker" Sibiriens.
Interessant und aufschlussreich, gerade mit Bezug auf den heutigen Konflikt in der Ukraine, ist die Geschichte des konfliktreiche Umgangs mit den "Kleinrussen" (ein Binnenproblem par excellence). Eine sehr lange schon existierende Schaukel, von Anerkennung und Selbstständigkeit einerseits und Assimilationsgebot bzw. Ablehnung der Eigenständigkeit, andererseits.
Die Russen als expansive Macht, fuhren meist zweigleisig (Zuckerbrot und Peitsche). Allerdings ist es nicht so, dass die Mächte, die vor ihnen mehr Einfluss in den eroberen Gebieten hatten, es besser, konsistenter, verlässlicher gehandhabt hätten.
In der Zeit des Zarismus handelten die Gouverneure und einheimischen Statthalter (meist aus dem kooptierten Adel) oftmals gegen die zaristische Zentralregierung und es gab mit Deutschen, anderen Ausländern, Baltendeutschen, Juden und Armeniern Bevökerungsgruppen, die als Diaspora- Binnenmigranten im ganzen Reich wirkten und dann wieder große Probleme hatten, gar gewaltsam behandelt wurden.
Ganz grundsätzlich ist das Vielvölkereich von sehr vielen Wechseln der Politik und des Umgangs mit den Minderheiten Ethnien oder Glaubenszugehörigkeiten geprägt. Der Kontrast Lenin (Vielvölkeranerkenntnis und Kommunismus als Internationalismus) und Stalin (gnadenlose Integration, sogar der machtpolitisch ungefährlichen Kleinvölker Asiens und Sibiriens), führt das sowjetisch nur fort.
Beste Grüße
Christoph Leusch
Bei regionalen Partei- und Volksabstimmungen, da wo sie in der ökonomischen, sozial- und gesellschaftspolitischen Wende- und Implosionsphase überhaupt noch durchgeführt werden konnten, sprachen sich rund 70 Prozent für die weitere Existenz der Sowjetunion aus. Ein mögliches Ausufern dieser Stimmungs- und Bewusstseinslage, wurde von der damaligen politischen Führung (den modifizierten Weißgardisten) verhindert. Die Liquidierung der Sowjetunion wurde von der damaligen politischen Führung herbeigeführt, und nicht von den Völkern der UdSSR. Dabei 'versäumten' die Führer und ihre gesellschaftspolitischen Berater, ebenso auch, ihre antikommunistischen Komsomolzen und Hofschranzen, den Parteiapparat der "KPdSU" -- und damit die staatliche und territoriale Einheit für die kapitalistische Transformation -- zu erhalten.*
* [In China wurde der antikommunistische Parteiapparat zum Instrument der kapitalistischen Transformation, unter Beibehaltung der staatlichen Gewalt und territorialen Einheit.]