Der Freak im Frack

Musik Im März 2015 veröffentlichte Dagobert sein Album Afrika. Der Schweizer Musiker sprach mit dem Autor über seine Musik und die endlose Diskussion über seine Persönlichkeit.

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Mit Afrika haben Sie ihr zweites Studioalbum veröffentlicht. Haben Sie sich Gedanken darüber gemacht, ob Sie an den Erfolg Ihres ersten Albums anknüpfen könnten?
Ich hatte anfangs gar keine Zweifel oder Ängste, ein gescheites zweites Album hinzukriegen. Ich hatte schon damals auch viele,
weitere andere Alben in Planung, für die nächsten Jahre. Aber tatsächlich hat es sich doch als recht schwierig erwiesen, einen guten Nachfolger zu machen.

Inwiefern?
Ich wollte etwas Neues machen, aber nicht alles komplett ändern. Der Sound sollte etwas musikalischer, organischer werden; weg von dem Midi-Synthesizer-Sound, den ich für das erste Album für mich erfunden habe. Das Produzieren und Aufnehmen hat aber sehr viel länger gedauert, als gedacht.

Woran zeigte sich das?
Zum Beispiel, als es um den passenden Schlagzeuger ging. Ich hatte mir zunächst gedacht „Jaki Liebezeit, der geilste Schlagzeuger der Welt, den stelle ich an.“ Und Jaki war auch gleich begeistert, wir trafen uns, sprachen das alles durch und machten Aufnahmen. Aber dann hinterher mussten wir feststellen: „Jaki Liebezeit, Spitzentyp - aber irgendwie passt das nicht zum Album.“ Das waren einfach viele solcher Sachen, die komplizierter waren, als Markus Ganter und ich uns sie vorgestellt hatten.

Sie sprachen von einem
organischeren Sound. "Organisch" ist ja immer so eine beliebte, kryptische Musiker-Floskel, aber tatsächlich ging mir dieser Begriff auch durch den Kopf, als ich Afrika mit dem Vorgänger verglich. Wieso kam es zu dieser Entscheidung?
Ja, ich glaube ich habe vielen Leuten mit dem ersten Album einfach auch etwas vor den Kopf gestoßen, mit diesem doch etwas eigenartigen Sound. Ich hatte ja nur einen Synthesizer, mit dem ich alles aufgenommen habe. Die Songs an sich sind ja eigentlich inhaltlich recht simple Liebeslieder. Ich wollte einfach, dass die Lieder auf dem zweiten Album einfach... besser klingen. Und ich wollte auch den Schwerpunkt wieder auf die Musik setzen.

Wo lag der Schwerpunkt denn zuvor?
Na, bei der Promo für mein erstes Album hat die Presse irgendwie immer nur meine merkwürdige Person diskutiert...

Das stimmt.
.. was zwar auch nicht wirklich besser geworden ist, aber zwischendurch ist den Leuten dann doch aufgegangen, dass ich doch ganz ok Songs schreiben kann.

Ja, da sprechen Sie etwas an: Warum meinen Sie wird so oft darüber diskutiert, ob Sie jetzt etwas ernst oder ironisch meinen? Ob Sie jetzt wirklich so sind oder einfach nur ein geschickter Schauspieler? Nervt diese Diskussion nicht irgendwann?
Ja, aber andererseits bin ich natürlich schon glücklich darüber, dass die Leute sich überhaupt Gedanken über mich machen (lacht). Doch es stimmt schon: Ich hätte niemals geahnt, dass man sich so viele Gedanken über mich als Person macht. Ich frage mich auch, ob man sich überhaupt so viele Gedanken machen muss: „Wer ist das?“, „Was für ein Musikstil ist das?“ und ähnliches. Für mich ist es so, dass ich etwas höre und dann einfach entscheide: Fühle ich etwas dabei? Gefällt es mir? Und dann ist es so oder auch nicht. Aber anscheinend ist es doch nicht so simpel. Zumindest springen die Leute auf meine Person an.


Woran liegt das Ihrer Meinung nach?
Vielleicht falle ich mit meiner Person etwas aus dem Rahmen. Oder es liegt an meiner etwas merkwürdigen Lebensgeschichte.


Ich muss dabei jetzt irgendwie an Ihre Aussagen

über Die Flippers denken: „Ich habe das Abschiedskonzert dieser drei extrem schrägen Typen in der ARD gesehen, mit einer Bühnenshow, die ich noch nie gesehen hatte, fast psychedelisch. Bis dahin fand ich deutsche Musik meist viel zu verkopft und dachte, unsere Sprache ergäbe zusammen mit Sound keinen Sinn.“ Meinen Sie, dass diese ganze Diskussion um Ihre Person letztlich nur wieder zeigt, wie verkopft die deutsche Musikszene ist?

Also, jetzt wo Sie das sagen, leuchtet mir das komplett ein, obwohl ich das damals nicht auf die Musikpresse bezogen habe. Doch es stimmt irgendwie: Deutsche Musik funktioniert oft nur über diese Ironie-Schiene oder als reine Sprach-Angelegenheit, in der das Gefühl nicht transportiert und sich viel versteckt wird. Meine Texte möchte ich immer so einfach und so direkt wie möglich haben, ohne zu viele Symbole und ähnliches. Natürlich gibt es da Extreme: Beim Schlager ist es ja, dass man meist ziemlich üble Floskeln benutzt und damit sehr direkt Gefühle transportiert. In der übrigen deutschen Pop-Szene traut man sich das nicht, da geht es dann mehr um schöne Töne, um Gefühle geht es da nur sehr abstrakt.

Und wo positionieren Sie sich in diesem Feld?
Ich bin irgendwo dazwischen. Ich mache auch nicht Musik in einer bestimmten Tradition, das ist schwer zu benennen.

Jurek Skrobala nannte Sie mal einen „Punk im Frack“. Sind Sie das?
Es gibt durchaus Punk-Bands, die mir gefallen, aber ich habe mich selber nie als Punk gesehen. Da ist ja immer auch eine politische Komponente dabei, passt einfach irgendwie nicht. Irgendwann wurde der Titel dann ja umbenannt in „Freak im Frack“, das finde ich passender (lacht).

Was viele Leute vielleicht nicht denken würden: Sie stehen sehr auf Kreator.
Ja, das stimmt, ich bin ein richtig harter Kreator-Fan. Ich habe die zwar erst letztes Jahr im November entdeckt, als Mille Petrozza auf einem Konzert von mir war, aber dann habe ich sie mir angehört und dachte mir nur „Wow!“, da ging eine völlig neue Welt für mich auf. Früher habe ich mich eigentlich nie für Metal interessiert, aber seitdem ist es tatsächlich die Musik, die ich aktuell am meisten höre. Ich bin völlig begeistert.

Metal ist ja ein Genre, über welches die Leute viele Klischee-Vorstellungen haben - ähnlich wie beim Schlager. Also insofern irgendwie passend, dass Ihnen das gefällt. Da wird es sicher wieder Gesprächsstoff geben: „Meint er das ernst? Ist das so eine Hipster-Ironie- Sache?“
(lacht) Ja, wahrscheinlich.

Wie sind SIe überhaupt auf die Idee gekommen, Musik zu machen?
Es gab da verschiedene Phasen. Mit neun habe ich mich das erste Mal für Musik begeistern können, als ich die Scorpions gehört habe. Mit vierzehn hatten wir das erste Mal einen Computer zuhause, damals kam ich dann irgendwie auf die Idee, etwas klassisches zu komponieren, alles in midi. Aber das kam mir dann doch irgendwie blöd vor. Mit neunzehn habe ich dann einen ziemlich harten Bruch erlebt und bin in einen Keller gezogen. Das war der Proberaum von Freunden, in dem ihre ganzen Instrumente herumstanden. Damals habe ich mich dann dermaßen damit beschäftigt, dass das wirklich mein Ding geworden ist.

Also keine gradlinige Entwicklung.
Nein, eher zufällig. Zwar hatte ich immer schon einen Hang zur Musik, aber man kann da nicht von Bestimmung oder ähnlichem sprechen. Jahrelang habe ich auch kompletten Scheiß gemacht.


Sie sind in dieser Hinsicht aber auch ganz schön selbstkritisch: In einem Interview sagten Sie mal, dass Sie bis 2005 keinen einzigen brauchbaren Song geschrieben hätten. Sehen Sie das immer noch so oder hat sich das Urteil über Ihre frühere Musik inzwischen gemildert?
Nee, das Lustige ist: Ich bin 2004 zu einer Freundin nach Berlin und hatte alle meine damaligenAufnahmen im Gepäck. Anfang 2005 bin ich dann erneut verschwunden in die Berge und habe diese Aufnahmen, für die ich mich echt geschämt habe, auch schnell wieder vernichtet. Jetzt, vor fünf Jahren, bin ich zurück nach Berlin und tatsächlich in die Wohnung dieser Freundin gezogen, wo ich die alten Aufnahmen wieder entdeckt und mir angehört habe.

Und?
Ich finde sie immer noch sehr schlecht. (lacht)

(Lacht) Ok. Und wieso, können Sie das an irgendetwas festmachen?
Weiß ich nicht. Irgendwie hat es mich peinlich berührt. Es war einfach nicht brauchbar, wirklich nicht. Der Grund, weshalb ich jetzt gute Songs mache, ist, dass ich es einfach immer und immer wieder probiert habe, bis ich dann wirklich gut wurde. Und diese Lieder waren einfach noch nicht gut. Es ist ein harter, langer Prozess.

Wo wir gerade bei Prozessen sind: Wie gehen Sie beim Schreiben Ihrer Lieder vor? Haben Sie da eine bestimmte Arbeitsweise?
Ich habe tatsächlich eine Methode. Bei mir ist das keine Kopfsache, vielleicht habe ich zuwenig Fantasie, keine Ahnung. Was ich mache, ist, dass ich mich zurückziehe und versuche, an rein gar nichts zu denken. Meist gehe ich dann eine Weile in meinem Zimmer auf und ab, setze mich zwischendurch an mein Keyboard und spiele einfach drauf los. Wenn ich dann Akkorde oder Melodien gefunden habe, die etwas in mir ansprechen: Dabei kommen mir dann Textideen. Und sobald die Textidee da ist, geht es eigentlich sehr schnell.

Das passt sehr gut zu dem, was Hendrik Otremba über Ihre Musik sagte: Seiner Einschätzung nach erzähle »Afrika« „mit großer Melancholie von den Höhen und Tiefen des Lebens und der Liebe“ und gewähre „einen intimen Einblick in das Leben Dagoberts“. Ist das so?
Ja und nein. Ich würde es vielleicht anders ausdrücken, aber es stimmt schon: Alle meine Songs sind sehr persönlich. Deshalb hat es auch manchmal Jahre gedauert, bis ich anderen Leuten überhaupt meine Musik gezeigt habe. Aber ich persönlich finde meine Musik nicht melancholisch, obwohl man das natürlich so sehen kann. Viele meiner Songs sind natürlich traurig, gut. Aber Melancholie heißt für mich so etwas wie... wie eine schwarze, düstere Wolke, in die man sich zurückzieht, weil man mit dem Leben nicht klar kommt oder Depressionen hat. Und ich finde, dass ich in meinen Texten eher die Dinge, die weh tun, festnagele, mich also nicht in sie verkrieche.

Ja, ich glaube es ging ihm mehr um die Atmosphäre und nicht darum zu sagen, dass Dagobert Musik macht, die man nur hören kann, wenn... die Katze überfahren wurde oder die Freundin weggelaufen ist.

(lacht) Immer, wenn die Katze überfahren wird, höre ich Dagobert.

Genau. Bei Ihrer jetzigen Tour treten Sie ja mit einer Band auf. Wie und weshalb kam es zu dieser Entscheidung?
Bei meiner letzten Tour war ich ja im Prinzip allein unterwegs. Mich begleitete nur ein Typ, der mich gefahren hat, sich um die Technik gekümmert hat und mich bei manchen Nummern am Klavier begleitet hat. Im Übrigen lief die Begleitung vom iPod. Ich dachte, dass es jetzt für dieses Album einfach Sinn macht, die ganze Sache zu vergrößern. Ich wollte auch kein Kleinkunst-Musiker bleiben.

Und, war es eine große Umstellung?
Klar, es ist anders, aber ich fühle mich irgendwie ein bisschen freier jetzt, auch auf der Bühne. Jetzt kann ich mich auch mehr auf meinen Gesang konzentrieren, kann mich auch in der Musik richtig verlieren. Es macht schon richtig Spaß.

Wie kann man sich das vorstellen: Sind Sie da eher so wie ein Miles Davis und sagen den Leuten „Macht das so, so und so und wehe, wenn nicht“ oder gibt es da auch ein Wechselspiel?
Also, die meisten Sachen sind sehr klar vorgegeben. Mir ist von vornherein bei den Liedern klar, was wie gespielt werden muss. Und wenn es irgendetwas zu entscheiden gibt, dann spiele ich mich auch gerne als Diktator auf (lacht). Aber das hat eigentlich immer sehr gut und reibungslos funktioniert.

Ihnen ist wichtig, alle Fäden in der Hand zu halten.

Ja, auf jeden Fall, voll. Ich habe einfach eine ganz konkrete Vorstellung davon, wie die Sachen klingen sollen. Aber es geht mir persönlich auch so, wenn ich bei Auftritten eines Solokünstlers bin: Dann ist es mir auch egal, welche sonstigen Typen da sind und wie gut die spielen, usw. Aber ich habe mit der Band einfach den Eindruck, dass ich mich mehr auf die Musik und das Publikum einlassen kann. Bei dem iPod ist es ja so, dass jede Sekunde genau klar ist, was jetzt kommt. Da bleibt nicht so viel Raum für andere Sachen.

Sie sprachen gerade davon, was Sie als Konzertbesucher interessiert: Gibt es aktuelle Musiker, welche dir besonders gut gefallen?
Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, was aktuell alles an Musik herauskommt. Das will ich auch gar nicht, weil ich nicht zu viele Informationen haben will. Aber es gibt tatsächlich ein paar Künstler, die mich seit Jahren begleiten. Chris Isaak zum Beispiel. Aktuelle Musik höre ich eigentlich gar nicht.

Was können wir in Zukunft von Ihnen erwarten?
Ich habe ja relativ spät angefangen meine Songs zu veröffentlichen, daher habe ich noch ziemlich viele Lieder, die ich noch veröffentlichen will. In Zukunft wird es auch noch große stilistische Änderungen geben wird. Das wird viele Leute sicher überraschen.

In erster Linie will ich einfach Musik machen. Nach der Schule war mir klar, dass ich nicht in einem normalen Beruf arbeiten will. Auch studieren habe ich vehement abgelehnt. Ich habe noch nie etwas anderes gemacht und habe sehr viel Glück gehabt, dass das alles so funktioniert. Ein Album nach dem nächsten will ich aufnehmen. Natürlich hat jeder so kleine Ziele, aber solche Sachen geben mir nur die grobe Richtung vor; direkt mit dem Alltag hat das nicht zu tun. Wünschen würde ich mir aber tatsächlich, dass auch mehr fremdsprachige Hörer zu haben. Also mit deutschen Texten. Meine Musik soll einfach etwas bei Menschen auslösen.


Text: Jan Rebuschat
Foto: Sandra Schuck

Dagobert (bürgerlich Lukas Jäger) wurde 1982 in der Schweiz geboren. 2013 veröffentlichte Dagobert sein Debütalbum Dagobert bei dem Hambuger Independent-Label Buback (Universal), welches von Kritikern weitgehend wohlwollend aufgenommen wurde. Im März 2015 veröffentlichte der Schweizer sein zweites Album Afrika.

Foto: Sandra Schuck
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Geschrieben von

Jan Rebuschat

Geboren 1982, zweifacher Familienvater. Volljurist, seit 2011 journalistisch tätig.

Jan Rebuschat

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