Links oder rechts?

Buchbesprechung Seit fast 6 Jahren streiten Jakob Augstein und Nikolaus Blome wöchentlich über Politik. Nun erschien mit „Links oder rechts?“ eine Sammlung von Streitgesprächen

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Augstein und Blome bei ihrem regelmäßigen Schlagabtausch bei Phoenix
Augstein und Blome bei ihrem regelmäßigen Schlagabtausch bei Phoenix

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Nikolaus Blome und Jakob Augstein sind für Ihre Streitgespräche bekannt, doch das gemeinsame Buch der deutschen Journalisten beginnt nicht mit Streit, sondern Einigkeit: Nach Ansicht der Autoren solle die Demokratie nicht Gegensätze überwinden und zu einem absoluten Konsens führen, sondern bedürfe gerade dieser Gegensätze, um funktionieren zu können - “Gibt es zu wenig Streit, schläft die Demokratie ein. Gibt es zu viel, zerreißt sie." Um diese demokratische Debatte zu ermöglichen, dürften die politischen Akteure nicht zu nah beieinander stehen, sondern müssten sich stattdessen auf der politischen Achse „links oder rechts“ eindeutig positionieren. Denn der kontinuierliche Streit zwischen diesen beiden Positionen sei der Motor, der eine Demokratie antreibe. Augstein und Blome sehen daher auch in der "politischen Horizontverengung" (nach Herfried Münkler), also der Annäherung der Parteien in der politischen Mitte, eine Ursache für die aktuell wachsende Verachtung der Demokratie und der offenen Gesellschaft: Polarisierung sei "das beste Mittel gegen politische Radikalisierung".

Es geht den Autoren jedoch nicht um eine tiefgehende Erörterung dieser These, sondern vielmehr um die Darstellung der gelebten Polarisierung "links gegen liberal-konservativ, visionär versus vernünftig" (wie es der Klappentext formuliert). In den Abschnitten Macht, Geld, Moral, Heimat, Wir und Die finden sich dreißig Streitgespräche, in denen es unter anderem um Angela Merkel, Kapitalismus, Home-Ehe, AfD, Brexit und Islam geht. Aufbau und Sprache erinnern hierbei stark an das bekannte Fernseh-Format. Doch beinhaltet das Buch nicht lediglich eine Art "Best of" aus den Fernseh-Debatten, sondern entstand auf der Grundlage regelmäßiger Treffen im Charlottenburger Café Manzini.

Blome und Augstein diskutieren offensichtlich leidenschaftlich gern miteinander: Es ist ein schneller Schlagabtausch, in dem jede Gelegenheit zum Gegenangriff genutzt wird. Nicht aus Opportunismus, sondern aus Überzeugung. Man merkt andererseits natürlich, dass die Diskussionspartner Sympathie füreinander empfinden; das zeigt bereits die Einleitung, welche fast schon nostalgisch auf die letzten fünf Jahre "Augstein und Blome" blickt. Eine Spannung, wie zum Beispiel bei den Debatten Gore Vidals und Willam Buckleys, darf man daher nicht erwarten. Dafür gibt es dann doch zu viele Schnittmengen zwischen den Diskussionspartnern.

Vorbildlich ist, dass Augstein und Blome eindeutig Position beziehen; nie flüchten sie sich in vage Formulierungen, in deren Auslegungsspielraum sich manch einer gern verschanzt. Die beiden Autoren bekennen Farbe. Das ist nichts Neues, aber wichtig für das Buch: Sie werden ihrer Forderung nach deutlicher Positionierung gerecht. Als einzig negativen Punkt könnte man vorbringen, dass manche Gespräche etwas länger hätten ausfallen können: Die Antagonisten verlassen zuweilen dann die Arena, wenn es gerade spannend und interessant wird. Sollte es zu einem weiteren Buch dieser Art kommen, dann wäre es zudem reizvoll, weitere Gesprächspartner einzubeziehen. Dies würde den Texten noch mehr Kontrast verleihen und eine exaktere Verortung Augsteins und Blomes durch den Leser ermöglichen: Ein Gregor Gysi wird eine andere Vorstellung von Links haben, als Jakob Augstein.

"Links oder rechts?" ist eine gelungene Sammlung von Streitgesprächen, die sich gut und kurzweilig lesen lässt. Am besten wird einem das Buch wahrscheinlich dann gefallen, wenn man sich mit keinem der beiden Autoren vollständig identifizieren kann: Als Leser fühlte ich mich durchgehend wie der dritte Mann in der Debatte, der mal dem einem, mal dem anderen oder keinem von beiden zustimmte. Tatsächlich wünschte ich mir oft eine dritte Stimme in dem Buch: "Jetzt hören Sie doch mal auf, das ist doch Quatsch." Am stärksten ging es mir so bei dem Kapitel Heimat. „Heimat und Leitkultur sind ganz wichtige Begriffe.“, schreibt dort Augstein. Das klingt nach romantischen Binsen, die gern gestreut werden, wobei oft Heimat mit dem Nationalstaat, Leitkultur mit der eigenen Lebensweise gleichgesetzt werden (wobei die Autoren nach meiner Einschätzung Europa als Ihre geistige Heimat bezeichnen würden). An anderer Stelle bedient sich Blome des Stereotyps: "[Merkel] kann Krise besser als Kunst. Das geht den meisten Deutschen genauso.“, so als ob wir Deutsche alle aus demselben Guss stammten mit minimalen Abweichungen. Aber gerade diese Spannungen und Irritationen machten das Lesen reizvoll: Wer ein Buch liest, um letztlich nur seine eigene Position bestätigt zu bekommen, braucht den Umschlag gar nicht erst aufzuklappen.

„Links oder rechts?“ ist am 11. Oktober 2016 beim Penguin Verlang (München) erschienen und kostet als Taschenbuch 13 €.

Thomas Jakob Augstein ist ein deutscher Journalist und Verleger. Seit 2013 ist er Chefredakteur der Wochenzeitung der Freitag.

Nikolaus Hermann Blome ist ein deutscher Journalist, Kommentator und Autor. Blomeist stellvertretender Chefredakteur der Bild-Zeitung und verantwortlich für das Politik- und Wirtschaftsressort.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Jan Rebuschat

Geboren 1982, zweifacher Familienvater. Volljurist, seit 2011 journalistisch tätig.

Jan Rebuschat

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