Mein Traum ist es, das eine Foto zu schießen

Interview Die Bevölkerung im Norden Ugandas leidet an unzureichender Wasserversorgung. Der ugandische Künstler Papa Shabani möchte das ändern

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Papa Shabani (Links) und der deutsche Künstler Rebelzer (Mitte)
Papa Shabani (Links) und der deutsche Künstler Rebelzer (Mitte)

Alle Fotos: Papa Shabani / Viva con Agua Kampala

Herr Shabani, wann haben Sie mit der Fotografie begonnen?
Nun, ich wollte immer schon Künstler werden. Mit Fotografie beschäftige ich mich jetzt seit fünf Jahren, als ich an der Margerett Trowel School of Industrila & Fine Art an der Makerere Universität in Kampala aufgenommen wurde.

Sie haben also vorher mit anderen Medien gearbeitet?
Ja. Es begann alles sehr früh, als Kind. Ich komme aus einer Familie mit sieben Kindern und bin der Älteste. Meine Großmutter hat mich mit aufgezogen und sie gab mir oft Geld, um Süßigkeiten zu kaufen. Doch ich habe das Geld lieber für Stifte und Übungshefte ausgegeben.

Und was haben Sie gezeichnet?
Ich malte viele Cartoons und Karikaturen. Dann kam ich in eine Madrasa und wandte mich Buchstaben und Texten zu. Uns wurde in der Madrasa gelehrt, dass es verboten sei, lebende Wesen zu malen; Gott würde uns am Tag des jüngsten Gerichts darum bitten, ihnen leben zu geben. Als kleiner Junger hat mir das höllische Angst gemacht: Ich wollte nicht in die Hölle, nur weil ich gerne zeichnete. Heute weiß ich, dass Künstler tatsächlich Schöpfer sind.

Also haben Sie Graffiti gemacht?
Nun, ja. Aber ich wusste damals nicht, dass es Graffiti genannt wird; das habe ich später erfahren. Am Anfang zeichnete ich Markenlogos ab und gab ihnen Schatten, um räumlich Tiefe zu erzeugen, damit sie lebendiger aussehen. Seitdem beschäftige ich mich mit Graffiti und Typographie. Aber ich habe mich immer schon für viele verschiedene Sachen interessiert.

Wie zum Beispiel?
In der High School habe ich mein Interesse für Musik entdeckt und wurde dann auch zu einem Dj. Einer meiner damaligen Lehrer und inzwischen Geschäftspartner brachte mir zu der Zeit auch den Umgang mit Photoshop bei.

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Wie kam es denn dazu, dass Sie sich jetzt auf Fotografie
konzentrieren?

Schon als Kind hatte mich Fotografie fasziniert. Ich erinnere mich noch genau, dass damals manche Wände in ugandischen Häusern mit Zeitungen tapeziert waren; dadurch nahm ich die Fotos auf den Zeitungen besonders wahr. Manchmal schlich ich mich auch in das Zimmer meines Onkels und blätterte durch seine Magazine, wie z.B. Time. Da waren intensive Fotos zu sehen, zum Beispiel vom Liberianischen Bürgerkrieg, dem Genozid in Ruanda, dem Krieg in Somalia und von anderen Konflikten aus der Zeit.

Hat Sie also der Fotojournalismus zur Fotografie gebracht?
Als ich darüber nachdachte, worüber ich meine Abschlussarbeit an der Uni schreiben wollte, fragte ich mich, ob und wie Fotografie mich beeinflusst hat. Ich glaube, dass diese Bilder aus der Kindheit mich psychologisch und in meiner Entwicklung beeinflusst haben. Und das hat mich auf das Thema meiner Abschlussarbeit gebracht: Die Rolle von Fotografie in der Therapie.

Sind Sie so auf die Idee für Ihre Reihe über Albinismus in Uganda gekommen?
In Tanzania und Burundi wurden Menschen mit Albinismus ja verfolgt und teilweise auch getötet. Uganda kann da als eine Art sicherer Hafen gesehen werden. Doch keiner versteht eigentlich genau, was diese Menschen erleben, da viele Menschen mit Albinismus aufgrund verbreiteter Irrglauben über ihre Situation oft isoliert leben.

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Man sagt ja "bildschön", wenn einem etwas besonders gefällt. Diese Menschen sollten daher den Mittelpunkt der Bilder sein, damit sie spüren, dass sie schön sind - egal was andere Menschen über sie sagen.
Ich wollte diese Minderheit auch der Mehrheit näherbringen und bestehende Barrieren zwischen ihnen durch visuellen Aktivismus aufbrechen.

Sie arbeiten seit einigen Jahren mit der Organisation Viva con Agua. Wie ist das zustandegekommen?
2011 gründeten ein Freund und ich Spray it Uganda. Im selben Jahr lud uns das Goethe-Zentrum in Kampala zu einer Zusammenarbeit mit dem deutschen Künstler Rebelzer ein. Rebelzer war damals auf Tour mit Viva con Agua um Graffiti pieces in der Stadt zu malen und damit auf die Arbeit von Viva con Agua aufmerksam zu machen. Da sind wir dann mit eingestiegen und haben Arbeiten für das This is Uganda Festival gemacht. Daraus ist dann letztlich die Zusammenarbeit hervorgegangen.

Was gefällt Ihnen an Viva con Agua?
Mir gefällt die Arbeit, wie sie ihre Arbeit angehen: Sie zeigen keine stereotypischen Fotos hungernder Kinder. Stattdessen gebrauchen sie die universellen Sprachen der Musik, Kunst, des Sports und der Kultur um Leute zu erreichen und zu involvieren. Es macht doch auch viel mehr Sinn, die Menschen mit unterhaltsamen Aktionen einzubinden, die zugleich bedeutungsvoll sind, wissen Sie?

Können Sie ein Beispiel nennen?
Nun, nehmen wir zum Beispiel RUN4WASH. Wir gehen zu Schulen und organisieren dort Rennen. Um so mehr Runden die Kinder laufen, desto mehr Spenden fließen in das WASH-Projekt. Die Kindern haben Spaß und tun sich und den anderen etwas Gutes.

Was ist WASH?
WASH steht für Water, Art, Sanitation and Hygiene. Es geht darum, die wesentlichen Grundlagen für sauberes Wasser und sanitäre Anlagen zu schaffen.

Welche Projekte existieren denn in Uganda?
Es wurden Wasserpumpen in Teilen Nordugandas geschaffen, wie z.B. in Karamoja und Amuru. Dann gibt es mehrere Projekte, um auf WASH aufmerksam zu machen. Aktuell steht das Festival We love Uganda II bevor, welches im FRühjahr 2016 stattfindet. Und wir wollen die Projekte RUN4WASH, PLAY4WASH und Art Creates Water einführen.

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Welche sind denn aktuell die dringendsten Probleme in Uganda?
Ein großes ist die Wasserversorgung. Es ist eine Schande, dass viele Menschen außerhalb den großen Städten immer noch keinen einfachen Zugang zu Wasser haben - und das in einem Land mit dem größten Süßwasser-See der ganzen Welt! Ich bin nicht zufrieden mit der Art und Weise, wie die Behörden arbeiten. Ich habe das Gefühl, dass es damit zusammenhängt, dass die Regierung profitorientiert ist und die WASH-Kriterien außer Acht lässt. Das ganze System ist sehr bürokratisch und kümmert sich nicht ausreichend um die Wasserversorgung. Es gibt da einen Zyklus: Die Politiker versprechen die Ausbreitung des Wasserzugangs, aber wenn sie dann gewählt wurden, bleibt alles beim Alten. Das ist einfach dumm, denn Wasser ist ein grundlegendes Menschenrecht!

Wie wollen Sie das ändern?
Die Bevölkerung muss die Regierung zu Maßnahmen drängen.
Wir, also Viva von Agua Kampala, wollen die Bevölkerung involvieren. Wir wollen Schulkindern begreiflich machen, dass es viele Kinder in Uganda gibt, denen der Zugang auf ihr Menschenrecht auf sauberes Wasser und hygienische Verhältnisse verweigert wird. Wir möchten, dass sie Teil der Veränderung sind.

Was wünschen Sie sich für Viva con Agua Kampala?
Mein Traum ist es, das eine Foto zu schießen, welches die Sichtweise der Regierung und Bevölkerung ändert und ihnen das Wasserproblem in Uganda ein und für alle Mal ins Bewusstsein ruft.

Vielen Dank für das Gespräch.

Alle Fotos: Papa Shabani / Viva con Agua Kampala

Papa Shabani wurde 1990 in Uganda geboren. Shabani studierte an der Margaret Trowel School of Industrial & Fine Arts an der Makerere Universität in Kampala, Uganda. 2013 und 2014 gewann er den Uganda Press Photo Award. Für sein LE STUDIO BODA-BODA-Projekt wurde er 2014 mit dem New Talent Award des Festivals für zeitgenössische Kunst in Kampala ausgezeichnet.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Jan Rebuschat

Geboren 1982, zweifacher Familienvater. Volljurist, seit 2011 journalistisch tätig.

Jan Rebuschat

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