Wir sind, wie wir sind - und das ist gut so

Gesellschaft Wertkonservatismus und Homosexualität - passt das zusammen? Ein Gespräch mit Alexander Vogt, dem Vorsitzenden des Bundesverbands der Lesben und Schwulen in der CDU/CSU

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Wir sind, wie wir sind - und das ist gut so

Bild: Jan Rebuschat

Herr Vogt, welche Ziele verfolgt der LSU Bundesverband?

Wir verstehen uns als Interessenvertretung lesbischer, schwuler, bisexueller, trans- und intersexueller Menschen (LSBTI) in CDU und CSU und den Unionsparteien nahestehenden Personen. Das heißt, dass unser Hauptaugenmerk einerseits darauf liegt, in den Unionsparteien für Gleichstellung und Akzeptanz zu werben. Aber andererseits verstehen wir uns auch als Vertreter des bürgerlichen Lagers in der Community.

Als ich von der Existenz der LSU erfuhr, war ich überrascht: Eine Lesbisch-Schwule Interessengruppe innerhalb der CDU - passt das denn überhaupt zusammen?
Selbstverständlich passt das zusammen! Ich kann mir nicht vorstellen, dass es überhaupt irgendein Parteimitglied gibt, egal in welchem politischen Lager, das 100%ig mit den Forderungen und Zielen seiner Partei übereinstimmt. So war es auch bei mir.

Seit wann sind Sie in der CDU?
Ich bin 1999 in die CDU eingetreten, obwohl ihre Position in der Gleichstellung absolut konträr zu meiner war. Ein halbes Jahr später wurde ich dann Mitglied der LSU und bin dort aktiv geworden, um genau hier etwas zu ändern.

Aber weshalb gerade die CDU?
Meistens gebe ich auf die Frage „Warum ausgerechnet in der Union?“ die Antwort: „Weil die uns am meisten brauchen.“

Inwiefern?
Nun, eine Partei, die Volkspartei ist und sein will, muss uns schon aushalten können. Auch wenn wir vielleicht in der Außenwahrnehmung etwas zurückhaltender agieren, stehen uns doch Türen zum Gespräch offen, die andere nicht wahrnehmen können. Und das nutzen wir auch gehörig. Das ist unsere Aufgabe.

Werden Sie häufiger mit Vorurteilen der Art, dass Homosexualität und Wertkonservatismus nicht zusammenpassten, konfrontiert?
Immer seltener. Vor allem, weil dieses Argument so offensichtlich nicht mehr zieht. Es ist ja genau umgekehrt. Was könnte wertkonservativer sein, als Homosexuelle, die heiraten wollen?

Aber erschwert die Zugehörigkeit zur CDU nicht gerade die Zusammenarbeit mit anderen Vertretern der Interessen Homosexueller? Ich komme darauf, weil es in der Vergangenheit ja immer wieder z.B. Diskussionen um die Teilnahme der CDU am Christopher Street Day gab.
Es gab Zeiten, wo es schwieriger war. Die Zusammenarbeit, vor allem mit den politischen Organisationen, funktioniert mittlerweile recht gut. Aber erst jüngst wollte jemand auf Facebook wieder die Debatte lostreten, ob eine CSD-Teilnahme der LSU überhaupt gerechtfertigt sei, obwohl wir mit unseren Forderungen ja gerade nicht die Parteilinie vertreten. Außerdem darf man nicht verkennen, dass die Unionsparteien keine monolithischen Blöcke sind.

Wie zeigt sich das?
Unterschiedlich, da gibt es ein breites Spektrum von verschiedenen Meinungen. Und auch, wenn es mühsam ist und war: Das Stimmungsbild verschiebt sich immer mehr zu unseren Gunsten. Meinungsbildung dauert eben in einer Volkspartei. Das geht vielen, übrigens auch mir, oft zu langsam. Zudem geht vielen ja auch nichts über ein gesundes Feindbild. Davon können manche nur schwer lassen.

Wie ist denn die Akzeptanz innerhalb der Union gegenüber der LSU? Ich kann mir das nicht so positiv vorstellen.
Ich sprach ja schon vom Stimmungsbild, das sich zu unseren Gunsten verschiebt. Die Zahl unserer offenen Unterstützer wächst deutlich. Einen offiziellen Status haben wir aber derzeit weder in der CSU noch auf Bundesebene in der CDU. In Berlin und Rheinland-Pfalz sind wir aber anerkannter Arbeitskreis, und darüber hinaus sitzen unsere Vertreter in Hamburg, Brandenburg und Hessen im jeweiligen Landesvorstand der CDU.

Aber werden Sie nicht als "Exoten" wahrgenommen?
Wir sind keine Exoten mehr und werden auch als Gesprächspartner ernst genommen. Von den meisten zumindest. Belächelt werden wir jedenfalls nicht mehr, denn für eine zahlenmäßig vergleichsweise kleine Gruppierung machen wir ganz schön viel Wind in der Union.

In der letzten Zeit wurde im Ausland viel für die Gleichberechtigung homosexueller Paare erreicht: Das Referendum in Irland, die Rechtsprechung des US-amerikanischen Supreme Court. Wie schätzen Sie die rechtliche Entwicklung in der Bundesrepublik in den kommenden Jahren ein?
Die Hoffnung stirbt zuletzt. Auf eine Freigabe der Abstimmung im Bundestag hoffe ich immer noch, auch wenn die Wahrscheinlichkeit dafür zur Zeit gegen Null tendiert. Leider sind zu den noch offenen Punkten in der Gleichstellung – der gemeinschaftlichen Adoption und dem Wort „Ehe“ auch für gleichgeschlechtliche Paare – keine Verfahren am Bundesverfassungsgericht anhängig. Darum werden wir die Debatte in der Union am Leben halten. Durch Irland und die USA hat diese Debatte neues Feuer bekommen.

Ich könnte mir vorstellen, dass viele Leute einer gleichgeschlechtlichen Ehe positiv oder zumindest gleichgültig gegenüberstehen, hingegen eine Adoptionsmöglichkeit für gleichgeschlechtliche Paare eher ablehnen. Wie schätzen Sie das ein?
So könnte man annehmen. Erstaunlicherweise gehen die tatsächlichen Meinungen da aber weit auseinander. Ich kenne wirklich viele Parteifreundinnen und-freunde, die mit dem Thema Adoption weniger Probleme haben, aber für die das Wort „Ehe“ rein heterosexuell belegt ist. Es fällt mir schwer, da eine Gewichtung vorzunehmen. Für uns als LSU kommt hier aber keine halbe Lösung in Frage.

Können Sie denn ein ungefähres Zeitfenster schätzen?

Wenn auch nicht mehr in diesem Jahr, so glaube ich nicht, dass wir noch länger als zwei Jahre auf die völlige Gleichstellung warten müssen.

Vielen Dank für das Gespräch!


Zur Person: Alexander Vogt wurde 1969 in Dülmen geboren. Vogt ist von Beruf Banker, seit 1999 Mitglied der CDU und seit 2010 Bundesvorsitzender der LSU Deutschland. Er lebt und arbeitet in Frankfurt am Main.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Jan Rebuschat

Geboren 1982, zweifacher Familienvater. Volljurist, seit 2011 journalistisch tätig.

Jan Rebuschat

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