Deutsches Interesse

Afghanistan Im Zweifel für den Export: Bundespräsident Köhler, die Bundeswehr am Hindukusch und die Außenpolitik auf Kriegspfad

Ein Zeichen wollte Bundespräsident Horst Köhler mit seinem Besuch im Feldlager der Bundeswehr im afghanischen Masar-i-Scharif setzen. Die Soldaten, erklärte Köhler, verdienten „Respekt und Anerkennung für das, was sie leisten“. Außerdem habe er mehr über die Stimmung der Truppe erfahren wollen. Köhlers Eindruck nach seiner zweistündigen Stippvisite: „Man ist insgesamt zuversichtlich, und das war dann doch auch ein gutes Ergebnis.“

Dumm nur, dass der Bundespräsident mit dieser Einschätzung ziemlich allein dasteht. Die Presse schreibt, er habe die Soldaten „irritiert“, ja sogar „verärgert“ und einen schlechten Eindruck hinterlassen. „Warum höre ich das nicht von Ihnen?“ – Dieser Satz Köhlers gegenüber Bundeswehrsoldaten, die nicht automatisch Siegeszuversicht verbreiten, wenn man sie danach fragt, wird das Staatsoberhaupt überdauern.

Der Misserfolg der Köhlerschen Mission – sie ist aber nur die eine Nachricht dieser Reise. Die weitaus brisantere war den meisten Medien keine Zeile wert.

Köhler nämlich hatte auf die Frage entgegnet, ob es eines klareren Bekenntnisses zum Afghanistaneinsatz bedürfe: „Meine Einschätzung ist, dass wir auf dem Wege sind zu verstehen, dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch dieser Außenhandelsabhängigkeit wissen muss, dass im Zweifel ein militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren.“ Im Klartext: Deutschland muss bereit sein zur Durchsetzung nationaler, wirtschaftlicher Interessen Krieg zu führen. Punkt.

Von Brunnenbau zu Profit

Nun sind die Zeiten, in denen die Artikulation und Verfolgung nationaler Interessen anrüchig, gar ein Tabu war, längst Geschichte. Eine konsistente Außenpolitik bedarf einer Zielsetzung. Für Deutschland gelten aus Verantwortung vor der eigenen Geschichte aber zwei notwendige Bedingungen: Die Bundeswehr darf nur zur Verteidigung oder unter einem Mandat des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen eingesetzt werden. Zweitens sollten deutsche Interessen immer auch europäische Interessen sein.

Die Bonner Republik wusste diesen Prämissen zu entsprechen. Man strebte nach Westbindung, Ostverbindung, Wohlstand, Souveränität, Einheit und der Zivilisierung der internationalen Beziehung. Deutsche Außenpolitik war zurückhaltende Politik. Auslandseinsätze der Bundeswehr: ausgeschlossen.

In der „Berliner Republik“ ist vieles anders. Allein Wegmarken wie der Kosovokrieg 1999 und der Krieg in Afghanistan zeigen, dass sich die Pfade deutscher Außenpolitik wandeln.

Was sind die üblicherweise von der Bundesregierung vorgetragenen deutschen Interessen am Hindukusch? Wurde der Einsatz zwischen 2001 und 2006 von Rot-Grün und später der Großen Koalition noch mit der Herstellung von Sicherheit für Deutsche und Afghanen, der Demokratisierung Afghanistans, der solidarischen Partnerschaft mit den USA und der Verteidigung „westlicher“ Werten begründet, setzte sich 2009 und 2010 das spezifisch deutsche Sicherheitsinteresse gegen alle anderen Begründungen durch. Das allein ist ein diskussionswürdiger Wandel.

Horst Köhler hat nun eine weitere Akzentverschiebung vorgenommen – auf die Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen deutscher Unternehmen in Afghanistan und anderswo. Das ist eine neue Qualität und im bundesrepublikanischen Afghanistandiskurs bisher ohne Entsprechung. Würde des Bundespräsidenten Vorstellung entsprochen, stünde Deutschland eine machtpolitische Resozialisierung und die Militarisierung der Außenpolitik bevor. Krieg für Profit? Horst Köhler wollte ein Zeichen setzen. Das ist ihm gelungen. Abmarsch!

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Geschrieben von

Janusz Biene

Ex-Hausmeister in der Wahlkampfarena und Ex-Berliner, mittlerweile Autor, Mod und Twitter-Agent.

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