Die amerikanische Faszination für das deutsche Kino ist nicht neu. Früh galten UFA-Filme in den USA als innovativ und qualitativ hochwertig. Allerdings ist das amerikanische Interesse an deutschen Filmen seither starken Schwankungen unterworfen. Die Institution, die sich am meisten um die Pflege der deutschen Filmkultur verdient gemacht hat, ist das Museum of Modern Art (MoMA) in New York, das seit den dreißiger Jahren Filme aus Deutschland sammelt. Seit 35 Jahren zeigt das Haus einmal im Jahr eine Reihe zeitgenössischer deutscher Arbeiten sowie Retrospektiven über das Kino der Weimarer Republik oder der DEFA.
Dieses Jahr trug die Veranstaltung den Titel The Berlin School: Films from the Berliner Schule. Sie stellte einen Wegweiser in der amerikanischen Rezeption dar, insofern die vertretenen Filmemacher und ihre Filme repräsentativ für eine neue Welle des deutschen Autorenkinos sind und als Zeichen einer Kinokultur präsentiert wurden, die seit Fassbinder, Herzog und Wenders keine bekannten Namen mehr hervorgebracht hat.
Die Retrospektive im MoMA sowie eine begleitende zweitägige Konferenz im Deutschen Haus der New York University führte dem Publikum einen anderen deutschen Film vor; Arbeiten, die sich beim amerikanischen Publikum – Hitler und Mauer gehen hier immer – nicht auf die Anziehungskraft der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts verlassen.
Bislang war die Beschäftigung mit der Berliner Schule in den USA allein Sache von Germanisten und Filmwissenschaftlern. Die MoMA-Veranstaltung war nun Plattform, die Arbeiten von Maren Ade, Angela Schanelec oder Maria Speth einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Zu einer Zeit, in der der bekannteste Angehörige der Berliner Schule, Christian Petzold, international größere Aufmerksamkeit erregt mit seinem Film Barbara (2012). In den USA ist der Film in Arthouse-Kinos erfolgreich gelaufen.
Hollywood von Armen
Ästhetisch stellt die Berliner Schule eine Art Anti-Hollywood-Kino dar, das ohne Spezialeffekte, schnelle Schnitte und Sex-Appeal auskommt. Live haben sich ihre Vertreter dem amerikanischen Publikum allerdings anders präsentiert. Die Filmemacher Benjamin Heisenberg, Christoph Hochhäusler (Unter dir die Stadt) und Thomas Arslan (Gold) beharrten auf der Verwurzelung der Berliner Schule im internationalen Kino, einschließlich Hollywood. Heisenberg entwickelte einige Energie, dem amerikanischen Publikum zu erläutern, welche Nähe Szenen seines Films Der Räuber zu Sequenzen aus populären Genrefilmen haben. Es fehlten lediglich die Mittel, um sie mit Spezialeffekten nachzubearbeiten. Folglich habe man nach dem gesucht, was einer Genre-Szene wesentlich ist, und sei so zu der reduzierten Ästhetik gekommen, die für die Berliner Schule charakteristisch ist: lange Einstellung und die Verwendung eines diegetischen Sounds.
Indem die anwesenden Regisseure Clips aus einigen ihrer Lieblingsfilme zeigten und diese Sequenzen zu denen aus den eigenen Filmen in Bezug setzten, wiesen sie die Versuche zurück, in die Schublade „anspruchsvoller europäischer Kunstfilm“ gesteckt zu werden. Petzold erklärte, wie er William Friedkins Thriller The French Connection von 1971 verwendet habe, um seine Schauspieler auf den Dreh von Barbara vorzubereiten, er lobte nonchalant das Schauspiel Gene Hackmans.
Die Konferenz wie die Vorführungen waren beeindruckend gut besucht und beileibe nicht nur von Akademikern und Experten. Was Heisenberg zu schätzen wusste: Die Veranstaltungen dieser Woche böten für die deutschen Filmemacher Gelegenheit, die große Filmleidenschaft der USA kennenzulernen. Die Zahl etwa der Besucher, die zu einer nachmittäglichen Vorführung von Ulrich Köhlers Bungalow kamen, und die überwiegend positiven Publikumsreaktionen ließen ein Interesse für das Projekt der Berliner Schule erkennen. Den Zusammenhang der Bewegung erklärten Hochhäusler und Heisenberg in einer Diskussion über ihre Filmzeitschrift Revolver: Sie beschrieben die lose miteinander verbundene Gruppe von Filmemachern als wachsendes und sich permanent veränderndes Gebilde. Das, also die Veränderung, ist, was den Reiz der Berliner Schule ausmacht: In Thomas Arslans Auswandererwestern Gold aus diesem Jahr und Heisenbergs kommender Komödie Über-Ich und Du kann man Entwicklung und Experimentierfreude der Regisseure sehen.
Mögliche Renaissance
Ob die Berliner Schule dem deutschen Film zu einer Renaissance verhelfen, also einmal so bedeutend werden wird wie der Neue Deutsche Film in den siebziger Jahren, bleibt abzuwarten. Die MoMA-Retrospektive hat jedoch gezeigt, dass das deutsche Kino über die Konsenskomödien der neunziger Jahre hinaus vielseitiger und ernster geworden ist. Darin besteht fürs Erste das Verdienst der Berliner Schule.
Für Amerikaner, die sich sich für das deutsche Kino interessieren, verbindet sich mit der positiven Rezeption der Berliner Schule am MoMA die Hoffnung, dass mehr solcher Filme ihren Weg in die amerikanischen Kinos finden. Schließlich zeigte die Reihe, dass das deutsche Kino mehr zu bieten hat als nur den neuesten Trotta-Film.
Jason Doerre lehrt German Studies am Trinity College in Hartford. 2011 bis 2012 war er Fulbright Fellow im Deutschen Literaturarchiv Marbach. Er forscht zu deutscher Literatur sowie zu Film und Fernsehen
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