Alles ist erleuchtet

Augenfreude Die Illustratorin Kat Menschik hat ein Buch gezeichnet, das von der Liebe zum Garten erzählt
Ausgabe 19/2014
Alles ist erleuchtet

Kat Menschik ist die beste Illustratorin, die ich kenne. Dabei kenne ich Kat Menschik gar nicht. Jedenfalls nicht persönlich. Das sage ich gleich am Anfang. Sonst heißt es: Klar, die kennen sich, hecken was aus und wir Leser sollen das dann schlucken. Aber das hier ist kein Gefallen, sondern die Wahrheit.

Ich habe durch die Arbeit von Kat Menschik überhaupt verstanden, was Illustration sein kann. Das Wort heißt ja „erleuchten“ und „anschaulich machen“. Menschik erleuchtet seit Jahren die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. Das ist eine der besten Zeitungen des Landes, die beste Sonntagszeitung ohnehin. Und das liegt auch an Menschiks Erleuchtung. Die Leute von der FAS haben zugelassen, dass eine Frau, die zeichnen kann, ein Blatt so prägt, wie es früher nur Männer durften, die schreiben können. Man sieht das Blatt – und also die Welt, die es abbildet – seitdem durch Menschiks heiteren, klaren, naiven, klugen, spöttischen Blick.

Jetzt hat diese Frau ein Gartenbuch gemacht. Und was für eins! Es ist ein Bilderbuch, oder ein Comic oder irgendetwas ganz anderes. Auf jeden Fall ist es ein Buch über die Liebe. Natürlich! Das habe ich gleich verstanden und jeder, der einen Garten hat und ihn so ernst nimmt, wie die Liebe ernst genommen werden will, wird das auch verstehen.

Das Schöne am Garten ist: Er ist nicht effizient. Landwirtschaft muss effizient sein, weil sie Wirtschaft ist. Der Garten nicht. Wir leben ja in der Ära der Effizienz. Das geht uns zwar allen auf die Nerven und wir haben zunehmend das Gefühl, dass ein Leben, das nur auf Effizienz gerichtet ist, kein gutes Leben sein kann. Aber so richtig unternimmt niemand etwas dagegen. Die Leute gucken sich vielsagend an, zucken mit den Schultern und sind weiterhin so effizient wie möglich.

Der Garten ist vollkommen nutzlos. Darauf lege ich großen Wert. Ich habe eine echte Abneigung gegen jede Art von Nutzpflanzen. Mein Garten soll nur schön aussehen. Mehr nicht. Ich will ihn nur ansehen, nicht gebrauchen. Die Schönheit liegt in der Zwecklosigkeit. Schönheit ist vollkommen unsinnig. Zumal im Garten – weil sie ja vergeht. Am Ende des Jahres ist die schönste, blütenprächtigste Staude ein schleimiger Haufen Dreck, den man entweder in den Boden rührt oder abschneidet und fortwirft. Keine Sentimentalität. Aber in der Blüte, in der Schönheit, im Strahlen, in der Farbe, im Licht – da liegt eine Wahrheit sui generis.

Wenn zum Beispiel der Königsfarn Osmunda regalis im Herbst seine langstieligen Wedelblätter langsam sinken lässt, wie müde Tiere, die sich zum Schlaf niederlegen. Oder wenn zum Beispiel im Frühling der Narcissus papyraceus im weißen Licht des Morgens liegt, eine heikle Pflanze mit liebenswürdig-schlichtem Blütenkopf, die bei uns nicht winterhart ist und dennoch den Namen Weihnachtsnarzisse trägt. Oder wenn im Sommer nach dem Regen glitzernde Tropfen über die pelzigen Blätter meiner Hydrangea aspera perlen – die einen schönen Namen trägt, Raue Hortensie. Und dann das Rot der Rosa gallica elektrisch aus blaugrünem Laub leuchtet, unter lilafarbenen Gewitterwolken. Dann kann einem ein Licht aufgehen – und wo der eigentliche Sinn beginnt, wird einem plötzlich klarer.

Nun wollen viele Leute, die Gartenbücher kaufen, immer wissen: Was leistet es? Schreckliche Frage. Solchen Leuten will ich Der goldene Grubber nicht empfehlen. Obwohl die es auch kaufen könnten, denn es leistet, um dieses Wort einmal aufzunehmen, doch eine ganze Menge. Ja, man kann damit auch ganz praktisch was anfangen, wenn man unbedingt will.

Es ist zum Beispiel ein tragisches Buch: Weil der junge Eichelhäher seinen Bissverletzungen durch den Kater erliegt. Es ist ein erleichterndes: Weil die Kinder, zu deren Geburt man Bäume pflanzte, sich viel besser entwickeln als die Bäume. Es ist ein rätselhaftes Buch: Weil niemand erklären kann, warum städtische Damen mit hochhackigen Schuhen ein Fest auf dem Land besuchen. Es ist auch ein sehr wahres: Weil darin steht, dass Regen auf dem Land lange nicht so schlimm ist wie Regen in der Stadt.

Und es ist ein Buch über Risiken und Nebenwirkungen der Gartenarbeit: Man sollte zum Beispiel keinen Holundersaft trinken, der vorher nicht abgekocht wurde. Das Zeug ist dann nämlich giftig. Bitte, das ist doch zum Teil richtig praktisch. Oder?

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Geschrieben von

Jakob Augstein

Journalist und Gärtner in Berlin

Jakob Augstein

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