Das Harte unterliegt

Buchmesse Ein Buchhändler, der mit den Nazis kämpft, ein Bestsellerautor, der rechte Sprüche klopft: Das gedruckte Wort lebt. Immerhin
Ausgabe 11/2018
Wenn Rechte reden
Wenn Rechte reden

Montage: der Freitag, Material: iStock, Getty Images

Heinz Ostermann ist Buchhändler in Rudow. Er hat dort, im Süden des Bezirks Neukölln, einen Laden in der Krokusstraße. Es ist keine besonders politische Buchhandlung. Sie bietet das übliche Sortiment an, auch Kinderbücher und Krimis. Ostermann sagt, er sei auch nicht Mitglied in irgendeiner Partei: „Ich würde mich einfach als engagierten Demokraten bezeichnen.“ Aber in Rudow genügt das bereits, um in Gefahr zu geraten. Die Scheiben seines Ladens wurden eingeworfen. Und zweimal wurde sein Auto angezündet, vor einem Jahr und dann erneut vor ein paar Wochen.

An diesem Donnerstag beginnt die Leipziger Buchmesse. Es wird dann wieder viel geredet werden über Demokratie und Aufklärung, über die freie Gesellschaft und die freie Rede. Aber was das eigentlich bedeutet – und was es bedeutet, wenn das bedroht wird –, das kann man vielleicht in Rudow viel besser sehen als in Leipzig.

Ostermann gehört zu den Gründern der „Initiative Neuköllner Buchläden“. Im Jahr 2016 hatte die AfD im Bezirk bei den Wahlen 13,9 Prozent der Stimmen gewonnen, und diese Buchhändler hatten das Gefühl, das gehe sie etwas an, da seien sie gefordert, dem könnten sie nicht tatenlos zusehen. Sie spürten eine Verantwortung. „Wir denken, dass Buchhandlungen als Orte des öffentlichen Diskurses dienen sollten“, sagt Ostermann: „Und gute Bücher haben immer etwas mit Erkenntnisgewinn zu tun, mit einer Einsicht in Dinge, die man bisher nicht so hatte. Da geht es schon um ein gesellschaftliches Selbstverständnis.“

Die Initiative veranstaltet also Lesungen, Diskussionen. Mehr nicht. Aber in Rudow ist das schon viel. Und die Rechten im Ort, die haben die Ansage verstanden, dieses zivilgesellschaftliche „Wir geben nicht auf!“ – und darum schlagen sie zu.

Wir leben in der Ära der Digitalisierung. Das gedruckte Wort weicht zurück. Und dennoch kann eine Buchhandlung immer noch zum Ort der gesellschaftlichen Auseinandersetzung werden. Offenbar können Buchhandlungen heute manchmal die Rolle spielen, die die Kirchen in der DDR hatten: symbolischer Hort von Freiheit, Widerstand, Kultur. Das ist ein Kompliment für Heinz Ostermann und seine Kollegen – allerdings eines, auf das der Mann lieber verzichtet hätte. Ein Held der Freiheit wollte er nicht werden. Die Umstände machen ihn dazu.

Denn auch wenn die Steineschmeißer und Autoanzünder und Parolenbrüller selber keine Bücher lesen – wer weiß –, verstehen sie offenbar noch die Provokation, die eine Buchhandlung für ihr angsterfülltes Weltbild bedeutet. Und wie die Feuerwehrleute in Ray Bradburys Fahrenheit 451 wollen sie die Gefahr auslöschen, die sie in der Freiheit der Gedanken wittern.

In dem ganzen Trubel einer Buchmesse, auf der es um Zahlen geht – Besucher, mehr als im vergangenen Jahr?, Absatz, erneut weniger? –, lohnt sich das Innehalten und der Gedanke: Worum geht es hier eigentlich?

Denn dass die Bedrohung unserer liberalen Gesellschaft zunimmt, daran kann ja kein Zweifel bestehen. Und die Einschläge kommen näher. Der Schriftsteller Uwe Tellkamp hat in Dresden gerade das ganze Pegida-Programm heruntergebetet: Die Aufnahme von Flüchtlingen als Rechtsbruch. Die Presse links und gleichgeschaltet. Es brauche Mut, die eigentlichen Wahrheiten auszusprechen. Kaum ein Flüchtling sei wirklich verfolgt, lauter Wirtschaftsmigranten. Thilo Sarrazin hingegen sei wirklich ein Verfolgter. Und das Geld für Einwanderer sollte man besser in die Rentenversicherung stecken. Ausserdem werde der gesamte Osten vom Westen für braun erklärt, und solche Kränkungen seien der eigentliche Grund für den Rassismus. Und natürlich: Der Islam ist gefährlich für unser Land.

Tellkamp, dessen Bestsellererfolg zehn Jahre zurückliegt, ist in Wahrheit eine verkrachte Existenz, und man müsste sich über sein rechtes Geraune nicht erregen. Es sind die Reaktionen, die Sorge machen. Solche wie diese des Deutschlandfunks beispielsweise: „Anstatt intellektuell und klug den Spielball aufzunehmen und eine grundlegende Debatte zu entfachen, deren Ausbleiben seit Jahren aufgeklärte Bürger vermissen und aus den großen Volksparteien in die Arme der Populisten treibt, wird der Autor sanktioniert. In die Ecke gestellt und geschmäht, als Rechter, der etwas gesagt hat, was man offenbar nicht sagen darf.“ Ja, so findet der stete Tropfen des rechten Gifts seinen Weg. Und dennoch bleibt uns nichts als die Hoffnung, dass, um mit Brecht zu reden, „das weiche Wasser in Bewegung / Mit der Zeit den harten Stein besiegt.“

Wie soll sich die aufgeklärte Vernunft dagegen wappnen? Auf der Frankfurter Messe führte die Gegenwart rechter Verlage im vergangenen Jahr zum Eklat. Bücher können eben nicht nur ein schützenswertes Kulturgut sein – sondern auch Instrument der Propaganda. Der Autor Per Leo hat für den Freitag den Konflikt aufgeschrieben, der sich daraus für die Verteidiger der freien Rede, des freien Denkens ergibt.

Sein Fazit: Wer die Rechten wirklich ärgern will, ignoriert sie. Es gibt keine schlimmere Strafe, als sie allein in ihrer braunen Soße schmoren zu lassen. Klüger aber ist es, sagt Leo, sie ernst zu nehmen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Welche Gelegenheit könnte dafür besser sein, als eine Buchmesse? Denn schließlich lässt sich ein Gegner, den man verstanden hat, besser bekämpfen als einer, den man nur verachtet.

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