Der fragwürdige Modernisierer

Frankreich Macron ist fraglos besser als Le Pen. Nur weil man sie ablehnt, muss man ihm aber noch lange nicht zujubeln
Emanuel Macron zwar besser als Le Pen. Doch er ist kein Sozialreformer, sondern ein in die Politik gewechselter Investmentbanker
Emanuel Macron zwar besser als Le Pen. Doch er ist kein Sozialreformer, sondern ein in die Politik gewechselter Investmentbanker

Foto: Sylvain Lefevre/Getty Images

Jetzt ist die Erleichterung groß. In Frankreich hat – im ersten Wahlgang – nicht das Ressentiment gewonnen, sondern die Vernunft. Macron ist besser als Le Pen. Keine Frage. Aber ist damit viel gesagt?

"Ni gauche, ni droit" lautete einer von Macrons Kampagnensprüchen – weder rechts noch links. Man kennt dieses Muster. Es war immer falsch. Denn die Vorstellung, Interessen- und Verteilungskonflikte seien durch die Suche nach einer "vernünftigen" Lösung behebbar, ist im besten Fall ein Irrtum, im schlimmsten eine Lüge.

Ohne Zweifel will Macron ein Modernisierer sein. Und Frankreich braucht Modernisierung. Aber wird das Land darum gerechter? Mehr Effizienz bedeutet nicht automatisch mehr Gerechtigkeit. In seiner bisherigen politischen Laufbahn ist Macron, soweit ich das sehen kann, als Sozialreformer nicht in Erscheinung getreten – sondern als das, was er ist: ein Investmentbanker, der in die Politik gewechselt ist. Der Soziologe Didier Eribon hat gesagt, Macron stehe exemplarisch für den Rechtsruck der französischen Sozialisten.

In Deutschland jubelt man Macron freilich vor allem wegen seiner Aufgeschlossenheit gegenüber Europa zu. Und auf den ersten Blick ist ein französischer Präsident, der das europäische Projekt nicht aufgegeben hat, natürlich einer Rechtspopulistin vorzuziehen, die eine Globalisierung der Nationalismen anstrebt.

Aber auf den zweiten Blick muss man sich fragen: welches Europa will denn Macron? In Berlin, bei seinem Auftritt mit Jürgen Habermas und Sigmar Gabriel, hat der Franzose neulich sehr deutlich gesagt, was er von Europa erwartet: Sicherheit an den Grenzen, Ordnung in Nordafrika und im Nahen Osten. Der mutmaßliche künftige Präsident Frankreichs will sich zwar als Baumeister in Europa betätigen – aber als Festungsbaumeister. Ist das den Macronbegeisterten bei uns bewusst?

Die meisten von uns sind keine Politiker. Sie müssen nicht politisch handeln. Das bedeutet aber nicht, dass sie nicht politisch denken dürfen. Wer Le Pen ablehnt, ist nicht gleichzeitig verpflichtet, über den Etappensieg Macrons zu jubeln.

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Geschrieben von

Jakob Augstein

Journalist und Gärtner in Berlin

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