Der Gärtner und die Tiere

Gartentherapie Jakob Augstein will sich bei der Havel entschuldigen
Ausgabe 23/2019
Die Havel verzeiht, aber vergisst sie auch?
Die Havel verzeiht, aber vergisst sie auch?

Foto: Imago Images/photothek

Ich habe ein schlechtes Gewissen, weil ich die Havel beschimpft habe. Wenn die Havel einen Flussgott hätte, habe ich geschrieben, wäre es ein alter, weißer Mann mit dickem Bauch, der auf dem Sofa sitzt und Bier trinkt. Das war nicht nett. Ich möchte mich bei der Havel entschuldigen. Und so wie Xerxes den salzigen Hellespont peitschen ließ, möchte ich hinuntergehen und das weiche Wasser streicheln. Vielleicht des Nachts. Dann ist die Havel mein Moon River.

Moon river, wider than a mile

I’m crossin’ you in style someday

Oh, dream maker, you heartbreaker

Wherever you’re goin’,

I’m goin’ your way

Two drifters, off to see the world

There’s such a lot of world to see

We’re after the same rainbow’s end,

Waitin’ ’round the bend ...

Das ist ja das Schöne am Fluss: Er kommt woher, er geht wohin. Allerdings kommt die Havel bei mir nur aus Spandau, das liegt links, und geht nach Potsdam, das liegt rechts. Richtig geheimnisvoll ist die Havel nicht mal nachts. Um ihren Ursprung ranken sich nicht direkt Rätsel. Er liegt einfach am Mühlensee zwischen Bornhof und Pieverstorf in Mecklenburg. Da nimmt man von Berlin die B 96 und ist in zwei Stunden da. Das ist nicht gerade wie die Suche nach den Quellen des Nils, die ungefähr 5.000 Jahre gedauert hat.

Aber auch die Havel ist ein Fluss, und Flüsse bringen Erinnerungen und nehmen sie wieder. Der Fluss in der Nacht ist ein bisschen wie das Meer, glitzernd, endlos, still. „Und die See wird allen neue Hoffnung bringen, so wie der Schlaf die Träume bringt daheim.“ Christoph Kolumbus soll das gesagt haben. Jedenfalls heißt es in dem Film Jagd auf Roter Oktober so. Da geht es um U-Boote. Die gibt es in der Havel nicht. Viel zu flach. Man kann praktisch zu Fuß durch die Havel gehen. Außer in der Fahrrinne. Jedenfalls sitze ich also nachts am Ufer, die Beine in der Kühle, und hänge meinen Gedanken nach. Man müsste jetzt angeln. Einfach seine Angel auswerfen, noch mal Kants drei Kritiken Revue passieren lassen und den Mücken zuhören, wie sie Opfer suchen, während man auf den Fisch wartet. Nachts ist überhaupt die beste Zeit zum Angeln. „Nachts kracht’s“, sagen die Angler. Da kommen die Großen ans Ufer und jagen im flachen Wasser.

Aber eines muss Ihnen klar sein: Wenn Sie in einem Gewässer, in dem Sie nicht Fischereiberechtigter oder Fischereipächter sind, den Fischfang mit der Handangel oder einem Senknetz ausüben, müssen Sie einen Fischereierlaubnisvertrag des Fischereiberechtigten oder Fischereipächters bei sich führen und diesen auf Verlangen vorweisen können. Oder, anders gesagt: Fischers Fritz fischt frische Fische, frische Fische fischt Fischers Fritz – aber nur, wenn er darf. Verstanden?

Der digitale Freitag

Mit Lust am guten Argument

Geschrieben von

Jakob Augstein

Journalist und Gärtner in Berlin

Jakob Augstein

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