Duett statt Duell

Wahlkampf Wahlkampf gibt es wieder nicht: Angela Merkel und Frank Walter Steinmeier sind auch im Fernsehen ganz lieb zueinander

Es war langweilig. Man konnte das vorher ahnen. Und nach ein paar Minuten wusste man es. Es ist keine Bewegung in diesen Wahlkampf gekommen, der ja gar keiner ist, der diesen Namen nicht verdient. Diese ist vermutlich die erste Bundestagswahl, die kampflos entschieden wird. Als gebe es keinen Einsatz, um den es sich zu streiten lohnt. Dabei geht es um so vieles: Den Krieg in Afghanistan, die Lehren aus der Krise, die Zukunft der Kernenergie, die Bildungsmisere, die Gesundheitskosten ... Es ist ja nicht so, dass im Land nur eitel Sonnenschein herrscht. Aber die Kanzlerin und ihr Herausforderer haben beherzigt, was ihnen ihre Spindoktoren und die Elite der Berliner Parlamentsjournalisten seit Monaten einflüstern: Das Volk will Frieden - keinen Streit, Harmonie - keinen Dissens, Eintracht - keine Auseinandersetzung.

Wie ein altes Ehepaar standen also Angela Merkel und Frank Walter Steinmeier vor dem Millionenpublikum der Deutschen und sagten sich Artigkeiten, und wenn ein Schatten die Einigkeit trübte, dann wog der kaum schwerer als die Frage, ob man die Ferien dieses Jahr an der See oder in den Bergen verbringt.

Wie kritisiert man sich selbst?

Sie hatte es leichter: Es genügte ihr schon, keinen Fehler zu machen. Er hatte das schwerere Los, das des Herausforderers: Er musste siegen. Andererseits ging sie mit einem Malus in diese TV-Debatte: Die freie Rede ist ihre Sache nicht und über gewinnenden Charme verfügt sie ebenfalls nicht im Übermaß.

Ihm dagegen schmeichelt der Bildschirm, er füllt ihn sympathisch und glaubwürdig aus. Zu Beginn dieses Fernsehduells hoben sich Vorteile und Handicaps der Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihres Herausforderers Frank Walter Steinmeier wechselseitig auf. Ein fairer Einstieg für einen absurden Abend. Die Kanzlerin konnte ihren Vizekanzler nicht kritisieren, ohne sich selbst eine Blöße zu geben. Und der Vizekanzler konnte nur schwer die Leistungen der Bundesregierung schmälern, an der er selbst beteiligt war. Beiden blieb nur der sonderbare Weg, ihren Wählern zu sagen: Seht her, das war mein Anteil im Gemeinschaftswerk, und wählt ihr mich, dann erhaltet ihr davon noch mehr und Besseres!

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Spiegel Online bringt die Umfragen von ARD und ZDF nach denen Steinmeier die Erwartungen der meisten Zuschauer übertroffen habe.

Welt.de meldet zwar auch, dass Steinmeier in der Gunst der Zuschauer vorne liegt - will aber dennoch "keinen klaren Sieger" ermitteln können.

Stern.de stützt sich auf die Umfrageergebnisse von Forsa, nach denen Merkel die Nase vorn hat, weil sie kompetener gewirkt habe.

Und dann hat Freitag Redakteur Jan Pfaff noch eine kleine Kulturgeschichte des Duells an sich verfasst.


Ihm gelang das besser als ihr. Wenn es um die Wirtschaftskrise und die soziale Frage geht, fällt der SPD das Argumentieren leichter. Das gilt für Banker-Boni und Manager-Abfindungen ebenso wie für den Mindestlohn, den es in einer Fülle von europäischen Ländern gibt, gegen den sich die Klientel der CDU mit allen Vieren sträubt. Merkel hatte hier sichtlich Mühe, den Schatten des legendären Parteitags von Leipzig zu verjagen, der sie als Verfechterin neoliberaler Ideologie erlebt hatte. Ihre Beschwörungen der Sozialen Marktwirtschaft klingen darum immer noch seltsam hohl. Das gleiche gilt für die Atomenergie. Die getürkten Gorleben-Gutachten und der Skandal um das Endlager Asse kommen den ausstiegstreuen Sozis gerade recht. Wie sehr hätte man sich angesichts dieser Vorlagen einen Spieler gewünscht, der zu verwandeln versteht. Einen Kämpfer, der im richtigen Moment hart zuschlägt. Einen Redner, der es versteht, sein Gegenüber in Stücke zu sprechen. Steinmeier ist das alles nicht - oder er hat es sich abtrainieren lassen. Steinmeier arbeitet sich brav durch die Themen. Und man wundert sich, dass er sich nicht entschuldigt, wenn er die Kanzlerin kritisiert. Kritisiert er sie überhaupt? Nein. Im ganzen Fernsehduell findet sich kein Moment, da er sie persönlich angreift.

Machtlose Moderatoren

Die Kommentatoren, die in den vergangenen Wochen versucht haben zu erklären, warum Wahlkampf auch ohne Kampf auskommen kann, warum es für die Demokratie nicht nur kein Schaden, sondern ein Nutzen ist, wenn sie ohne Streit abläuft, sie konnten heute Abend das erschütternde, gespenstische Ergebnis dieses neuen Politmarketings sehen.

Da waren die Moderatoren machtlos. Diese freundliche Quadriga, in der nicht einmal Illner und Plasberg, die rauheres Klima gewohnt sind, zu einer Schärfung der Profile beitragen konnten. Was sollen sie auch anfangen mit einer Kanzlerin, die auf den Vorwurf, hier handele es sich ja mehr um ein Duett als um ein Duell, mit dem Satz antwortet: "Ich beantworte die Fragen so, wie ich mir das vorgenommen habe." Und wir als Zuschauer sollten uns fragen: Was fangen wir mit solchen Politikern an?

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