Ein schlechtes Versteck

Hegelplatz 1 Jakob Augstein liest eine Rezension zu seinem vor Jahren erschienenen Buch und stellt fest: Er wurde enttarnt
Ausgabe 43/2018
Ein grün-braunes Refugium: der Garten
Ein grün-braunes Refugium: der Garten

Foto: Matthias Mahlstedt/Imago/Photocase

Wir hier am Hegelplatz beschäftigen uns mit Themen von unterschiedlicher Wichtigkeit, vom kommenden Konflikt mit Iran – den halten wir für sehr wichtig – bis zur beruflichen Zukunft Horst Seehofers, die uns gleichgültig ist, Hauptsache, nichts mit Politik. Manchmal beschäftigen sich manche von uns aber auch mit ganz anderem. Ich zum Beispiel mit meinem Garten.

Was wäre nach diesem Sommer zum Thema Garten nicht alles zu sagen? Ich habe vor ein paar Jahren eine größere Fläche mit Cornus alba sibirica bepflanzt, einer wunderbaren Pflanze, einem kleinen Strauch, der im Sommer ein freundliches grünes Gesicht macht, aber im Winter ganz in Rot strahlt – so weithin leuchten seine Stängel und Äste, und man freut sich als Gärtner sehr, wenn da draußen im Winter überhaupt irgendetwas leuchtet.

Diesen rotholzigen Hartriegel schneide ich rechtzeitig vor Beginn des Frühlings stark herunter, damit er ordentlich austreiben kann, denn nur die jungen Triebe sind so rot, die alten ohne Bedeutung und Farbe. In einem normalen Jahr wächst die Pflanze vielleicht einen halben Meter, oder auch einen ganzen. In diesem Jahr schoss sie um gut zwei Meter in die Höhe und man sieht jetzt, da das Laub abgefallen ist, durch ihre schmalen Äste das Land dahinter, als wäre es mit einem feinen roten Pinsel schraffiert, es ist zauberhaft.

Aber ich schweife ab. Jedenfalls habe ich alles, was ich zu meinem Garten zu sagen hatte, vor ein paar Jahren in einem Buch zusammengefasst – und nun eine Rezension gelesen. Eine Literaturwissenschaftlerin befasst sich da mit dem Schreiben über den Garten, und ich muss sagen, sie hat mir die Augen geöffnet: Plötzlich wird mir klar, ich habe das Buch als Mann geschrieben.

Die Wissenschaftlerin schreibt: „Der männliche Gärtnerkörper ist zunächst reines Werkzeug und wird erst dann thematisiert, wenn er nicht funktioniert.“ Kann man wohl sagen: Der Rücken macht nicht mehr richtig mit, die Knie sowieso nicht – und außerdem hatte ich mir damals ein Beil ins Bein gehauen. Aber, weiter in der Kritik: „Dieser (Gärtner) ist eben nicht, wie er seinen Leserinnen weismachen möchte, auf dem Gipfel altväterlicher Souveränität angelangt, von dem aus er ironisch gebrochene Gartenweisheiten austeilen kann. Er ist vielmehr zutiefst verunsichert ob seiner Position als Mann in dieser Welt. Der Garten scheint hier zeitweilig Zuflucht zu bieten, stellt sich aber letzten Endes doch als zum Scheitern verurteiltes Projekt unmöglicher Herrschaft heraus. So liest sich Augsteins Buch geradezu als eine Psychopathologie des Gärtnerns.“

Ja, Scheiße. So ist es. Ich habe versucht, mich in meinem Garten vor den ganzen Feministinnen zu verstecken. Aber diese Frau hat mich aufgespürt.

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Geschrieben von

Jakob Augstein

Journalist und Gärtner in Berlin

Jakob Augstein

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