Europa zum Abwinken

Griechenland Warum man sich von dieser Seifenoper um die Euro-Krise mit Grausen abwendet
Ausgabe 26/2015
Euro-Disneyland an der Peloponnes, inszeniert von Merkel Maus
Euro-Disneyland an der Peloponnes, inszeniert von Merkel Maus

Foto: Milos Bicanski/Getty Images

Erstes Bild: „Ich gebe dir nur einen Kredit, damit du deine Schulden bei mir – mit Zinsen natürlich! – begleichen kannst!“ Zweites Bild: „Ich gebe dir wieder nur einen Kredit, damit du auch die neuen Schulden bei mir – natürlich mit Zinsen – begleichen kannst!“ Et cetera, et cetera. So hat der Zeichner Klaus Stuttmann im Freitag die Griechenland-Politik der Euro-Retter skizziert. Die europäische Wirklichkeit macht es dem Satiriker leicht. Sie ist ihre eigene Karikatur und Angela Merkel ist die oberste Cartoonistin der Euro-Zone.

Wieviele Gipfel haben wir hinter uns? Wieviele Ultimaten sind verstrichen und letzte Fristen und allerletzte Chancen? Die Euro-Krise ist längst zur traurigen Soap Opera geworden. Von Folge zu Folge jagt ein Höhepunkt den nächsten und immer steht Europas Zukunft auf Messers Schneide. Schalten Sie auch das nächste mal wieder ein, wenn es darum geht: Wo sitzen die besseren Spieler, in Athen, Brüssel oder Berlin?

Aber die Einschaltquote sinkt. Die Zuschauer wenden sich mit Grausen ab. In England, Frankreich, Dänemark, Polen gewinnen die neuen Nationalisten. Das Europa, das sich ihnen bietet, wollen die Menschen, die in diesem Europa leben, immer weniger. Wer kann es ihnen verübeln? Es sind ja die Politiker, die versagen, nicht die Wähler. Europas Zukunft ist nicht in guten Händen. Und ein gutes Ende wird diese Geschichte nicht haben, solange der nationale Egoismus das Drehbuch schreibt.

Der neue Nationalismus versteckt sich hinter der Fiktion, ökonomischen Gesetzmäßigkeiten zur Geltung verhelfen zu wollen. Aber in Wahrheit geht es um politische Gestaltung. Währungsfragen sind im eigentlichen Sinne Wertfragen. Jürgen Habermas hat in der Süddeutschen Zeitung geschrieben, der Skandal bestehe darin, dass sich die Politiker in Brüssel und Berlin weigern, ihren Kollegen aus Athen als Politiker zu begegnen: „Sie sehen zwar wie Politiker aus, lassen sich aber nur in ihrer ökonomischen Rolle als Gläubiger sprechen.“

Die Theoretiker der europäischen Integration wird es nicht wundern: In den großen transnationalen Institutionen ist das europäische Problem längst verstanden. „Die Wirtschafts- und Währungsunion vollenden“ heißt das Papier, das Kommissions-Chef Juncker und seine Kollegen von den wichtigen europäischen Institutionen jetzt vorgelegt haben. Seit den Tagen Jacques Delors‘, des modernen Vaters der Währungsunion, produziert die Kommission solche Papiere. Und lauter richtige Sachen stehen auch dieses mal da, von der Bankenunion bis zur gemeinsamen Wirtschaftspolitik. Aber aus Rücksicht auf die Zaghaften in den Hauptstädten wird die eigentliche Frage ausgespart. Fragen muss man, ob die Vollendung dieser Union nicht den politischen Zusammenschluss zwangsläufig fordert?

Politische Gestaltlosigkeit, das Merkmal der europäischen Krise, ist zugleich das Merkmal ihrer wichtigsten Akteurin. Es ist ja ein Pech von wahrhaft historischen Ausmaßen, dass zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort die falsche Frau sitzt. Die Eigenschaften, die es brauchte, um die Krise zu lösen, sind eben jene, über die Angela Merkel nicht verfügt. Für einen tapferen Schritt nach vorn ist die Kanzlerin denkbar ungeeignet. Die Süddeutsche Zeitung hat über Merkel geschrieben: „Das Meisterstück ihrer Euro-Politik ist Griechenland.“ In seiner Umkehrung wird der Satz wahr. Im Angesicht der europäischen Herausforderung entlarvt sich das ganze Scheitern der deutschen Kanzlerin.

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Geschrieben von

Jakob Augstein

Journalist und Gärtner in Berlin

Jakob Augstein

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