Frauke Petry, eine deutsche Madonna

Studie Die Bertelsmann-Stiftung hat den Populismus in Deutschland so untersucht, dass Schwarz-Grün als Hüter der wahren politischen Vernunft übrig bleibt
Ausgabe 31/2017
Wie macht die das, obwohl sie fünf Kinder hat und Marcus Pretzell?
Wie macht die das, obwohl sie fünf Kinder hat und Marcus Pretzell?

Foto: Sascha Schuermann/Getty Images

Es gibt ein ganz tolles neues Bild von Frauke Petry. In ihren Armen hält sie ihr neugeborenes Baby, die Hand mit dem Ehering stützt den schlafenden Kopf. Sie lächelt milde, vielleicht ein bisschen erschöpft. Eine deutsche Madonna.

Wie macht die das, denkt man, dass sie immer noch so jugendlich aussieht, obwohl sie fünf Kinder hat und Marcus Pretzell? Vielleicht steht irgendwo auf dem Dachboden ein Bild, wie bei Dorian Gray, auf dem sich die physiognomischen Spuren der ganzen bösen Gedanken abzeichnen, die sie als Rechte doch dauernd denken muss – Untergang des Abendlandes, Islamisierung, Ficki-Ficki-Migranten. Wie sonst kann das alles so spurlos an der Frau vorübergehen?

Die Idee für das Foto, so liest man, stammt von einem Mann, an den man sich gar nicht erinnern will: Thor Kunkel. Der hatte vor mehr als zehn Jahren einen dollen Erfolg mit einem Roman über Nazi-Pornos und wird jetzt als „Creative Director“ der AfD gehandelt. Vor diesem Hintergrund muss man das Petry-Bild mit Kind vermutlich als neurechtes popkulturelles Zeichenspiel verstehen. Oder man kann es auch lassen.

Jedenfalls steht auf dem Bild die Frage: „Und was ist Ihr Grund, für Deutschland zu kämpfen?“ Einerseits denkt man da, dass es in der deutschen Geschichte eine Menge schlechte Gründe zu kämpfen gab – Führer, Pflicht und Vaterland –, da ist so ein Kind doch mal was anderes. Andererseits denkt man, das ist eben das Problem mit diesen Leuten von der AfD: Es geht immer nur um die eigene Brut. Dass man derzeit überhaupt für Deutschland kämpfen muss, leuchtet allerdings nicht unmittelbar ein. Oder eben nur, wenn man AfD-Wähler ist. Und das Ganze ist ja auch ein Wahlplakat.

Die AfD, das hat eine Bertelsmann-Studie gerade herausbekommen, ist nämlich eine populistische Partei. So weit, so erwartbar. Aber, und das war dann doch überraschend an der Studie, die AfD ist überhaupt die einzige populistische Partei, die es in Deutschland gibt. Irgendwie haben die Bertelsmänner es so hingedreht, dass selbst die CSU weit unter der Populismus-Schwelle bleibt, obwohl Horst Seehofer sich wirklich alle Mühe gibt. Die einzigen Parteien, die auch nur im Entferntesten das Populismus-Level der AfD erreichen, sind SPD und Linkspartei. Wunderbares Gütersloh, wo die Statistiken so lange hin und her geschoben werden, bis Schwarz-Grün als Hüter der wahren politischen Vernunft übrig bleibt.

Die Forscher haben acht Thesen aufgestellt. Wer allen zustimmt, ist Populist. Darunter zum Beispiel: „Die Parteien wollen nur die Stimmen der Wähler, ihre Ansichten interessieren sie nicht.“ Oder: „Mir wäre es lieber, von einem einfachen Bürger politisch vertreten zu werden als von einem Politiker.“ Man könnte einwenden, da werden nicht nur die Populisten erfasst, sondern auch die Zyniker.

Am Ende lautet das Ergebnis: Ein Drittel der Deutschen ist populistisch eingestellt. Das übertrifft selbst düstere Erwartungen. Aber dennoch geben die Bertelsmann-Forscher Entwarnung. Der deutsche Populismus sei längst nicht so gefährlich wie der im Ausland. „Meilenweit entfernt“ sei man hier davon, jemanden wie Donald Trump ins Amt zu wählen, hat Robert Vehrkamp von der Bertelsmann Stiftung gesagt. Die Deutschen inzwischen immun gegen Verführer? Das wäre doch mal was.

Andererseits weiß man nicht, was aus dem kleinen Jungen auf dem Bild später mal wird. Abgesehen von einem kleinen Überbiss sieht er aus wie jedes andere Kleinkind.

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Geschrieben von

Jakob Augstein

Journalist und Gärtner in Berlin

Jakob Augstein

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