Freitag und Zukunft - eine Antwort

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Liebe Leser,

dies ist eine Antwort auf Streifzugs Freitag-Blog. Sie fällt so lang aus, dass ich dachte, ein eigener Thread lohne sich.

Also.

Geduld.

Das ist ein schreckliches Wort. Für den, der es sagt und für den, der es hört. Und um es richtig zu verstehen, braucht man Vertrauen. In sich und in den anderen.

Aber kürzer könnte ich es nicht fassen.Natürlich sind wir hier mit einer Seite gestartet, die nicht fertig war. Das haben wir inzwischen auch gemerkt. Das ist meiner Meinung nach der Kardinalfehler, den wir gemacht haben: Wir sind zu früh gestartet. Das fliegt uns immer wieder und immer noch um die Ohren. Es wäre unsinnig das zu leugnen. Wir sind auch nicht hier, um etwas zu leugnen. Wir wollen keine Bombe entschärfen, die bereits explodiert ist. Es wäre besser gewesen, erst mit einem fertigen, funktionierenden Online.Produkt an den Markt zu gehen.

Jetzt räumen wir hinterher. Wir arbeiten daran, eine Basis zu schaffen, die solide ist und hält - und von der aus wir dann leichtfüßiger und flexibler reagieren können. Das dauert. Es kostet Zeit und Geld und Kraft. Aber - the deed is done. Wir können ja nicht mehr zurück. Also: Stiff upper lip und durch, würde ich sagen. Der Plan ist hier schon oft verkündet worden: Kleine Reparaturen noch bis Januar. Dann wird bis August der Laden für jede Änderung eingefroren und es wird hinter den Kulissen geschraubt und gearbeitet und im Herbst wird alles schön und gut... So weit der Plan.

Gleichzeitig werfen wir unsere ganze Kraft in das Print-Abo-Geschäft weil da das Geld herkommen muss.

Sie sehen, dass ich selber unserer Arbeit sehr kritisch gegenüberstehe. Das ist mein Job. Andererseits habe ich aber auch einen sehr klaren Blick für das, was wir hier erreicht und aufgebaut haben. Vor allem die Kollegen Teresa Bücker und Jan Kosok und unsere Kollegin Caroline Drucker, die leider inzwischen anderswo arbeitet - die Konzeption dieser Community, die Etablierung unserer Community-Kultur, das halte ich für unsere ganz großeErrungenschaft der vergangenen Monate.

Aber wir müssen darauf acht geben, nicht das Opfer unserer eigenen Vorteile zu werden. Transparenz und Offenheit bergen ja das Risiko der hohen Verwundbarkeit.

Sie üben Kritik, alle üben Kritik. Mal ist sie berechtigt und kundig, mal nicht, mal ist sie oberflächlich, mal tiefschürfend, mal greift sie zu kurz, mal ist sie weitsichtig – und das Beste: Meistens wissen weder Sie, noch ich noch sonst jemand, was jeweils zutrifft. Weil es dann um Anschauungen geht und nicht um Wahrheiten

Immer enthält aber die Kritik die Aufforderung. Reagiert! Jetzt! Und wenn nicht, dann seid ihr gar nicht so offen und transparent wie ihr tut ...

Es war hier an anderer Stelle einmal die Rede von einem anderen Community-Projekt, das gescheitert ist, weil dort zu viele Erwartungen geweckt und dann nicht befriedigt wurden. Gefährliche Sache, solche Erwartungen.

Wir können und wollen nicht alle erfüllen. Zusammenarbeit mit der Community bedeutet nicht, jede Idee aus der Community wird zeitnah umgesetzt. Klar. Eigentlich. Andererseits denkt jeder, für meine Idee gilt das natürlich nicht, die ist so toll, wenn die nicht umgesetzt wird dann ...

Selbstdisziplin ist auch wichtig. Und Vertrauen. Und eben Geduld.
Schrecklich. Das Internet als Ansalt der Selbstkasteiung.
Lesen Sie Schirrmacher! Da geht es um Selbstkontrolle als Überlebensrezept im Zeitalter der Informationsüberflutung. Ich war immer der Meinung, dass das ein sehr kluger Mann ist. Auch die Community muss Selbstkontrolle üben.

Die größte Freiheit findet sich am Ende darin, nur zu wollen, was man kann.
Hm.
Ist das jetzt zu vorweihnachtlich?
ich weiß nicht.

Ich denke gerade, wahrscheinlich ist es für unser Projekt sogar ganz hilfreich, wenn wir von Januar bis August keine weiteren Veränderungen erlauben und dieses Moratorium offen ankündigen. Wir können nämlich in dieser Zeit solche Debatte nicht mehr sinnvoll führen. Das bedeutet, bis dahin sammeln wir alle Ideen und Anregungen - aber dann erst mal nicht mehr. Dann müssen, wie mh vollkommen richtig schreibt, den Worten Taten folgen. Aber es dauert eben alles ganz schön lange.

Was soll ich sagen?
Lehnen Sie sich zurück. Genießen Sie den Flug.

Mit dankbaren Grüßen,
Ihr JA

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Jakob Augstein

Journalist und Gärtner in Berlin

Jakob Augstein

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