Koch oder Gärtner?

Kolumne Heute der Gärtner. Jakob Augstein beantwortet alle Fragen rund um den Garten. Diesmal: Wie stehen Sie zum Gartenmarkt?

Liebe Gartenfreunde, zu den größten Freuden des zeitgenössischen Gartenlebens gehören regelmäßige Besuche im Gartenmarkt. Gerade jetzt im Frühjahr. Es handelt sich da um eine Branche, der die Modernisierung sehr gut bekommen ist. Mögen konservative Kapitalismuskritiker der familienbetriebenen Gartenhandlung hinterhertrauern, in der eine unzufriedene Mittfünfzigerin mit schlechtem Gehör und schwarzen Fingernägeln erklärt, warum es ein bestimmtes Produkt bei ihr nicht zu kaufen gibt. Wir Gärtner wollen die Ware, die gefüllten Regale, das unübersehbare Angebot.

Es ist für mich die reine Freude, mit einem ladebereiten Trolley durch die langen Gänge zu pa­trouillieren. Und damit bin ich nicht allein. Der Gartenmarkt erweist sich als einigermaßen resistent gegen die Wirtschaftskrise. Je rauher das Klima in Wirtschaft und Gesellschaft, so die optimistische Konsumsoziologie aus Gartencentersicht, desto gemütlicher wolle es der Deutsche im Garten und auf dem Balkon haben. „Niemand spart bei den Stiefmütterchen“, wurde unlängst der zeit­untypisch zuversichtliche Sprecher einer großen Ladenkette in der Zeitung zitiert.

Das leuchtet unmittelbar ein. Wenn es mir auch hier, ehrlich gesagt, nicht so sehr um die Pflanzen geht. Ein paar englische Rosen, die üblichen Stauden, Funkien, Geranium, Bodendecker und Farne. An Gehölzen kleinere Rhododendren und Azaleen, sinnlose Öl- und Lorbeerbäume in Kübeln – das ist alles schön und gut, wird aber den Fachmann zumeist nicht überzeugen. Die Auswahl ist zu klein, die Qualität oft unzureichend und ein niedriger Preis allein rechtfertigt keinen Kauf. Pflanzen sollen im Garten sein wie gute Gefährten und die sucht man sich auch nicht nach den Kosten aus.

Nein, es geht um all das, was die moderne Konsumgüterindustrie fürs gärtnerische Hobby bereit hält: Schläuche und Schellen, Harken und Hacken, Dünger für Tannen und Tomaten, Erde für Grünpflanzen und Gräber und natürlich Gifte für alles was kriecht und fliegt und wächst, in allen Schweregraden und Darreichungsformen, fest und flüssig, als Tropfen oder Pulver. Wir hatten es ja schon in Bezug auf die Schnecken gesagt: Gift ist gut für Ihren Garten! Je mehr, desto besser. Rosen, die von Mehltau befallen sind, Rasen, in dem sich Gänseblümchen breit machen, Kirschbäume voller Läuse: Wenn Sie über viel Zeit, Leidensfähigkeit oder Autosuggestionskraft verfügen, setzen Sie gerne auf ökologische Schädlingsbekämpfung, versuchen Sie, Marienkäfer in Ihrem Garten anzusiedeln und reden Sie sich ein, dass ein von Unkraut durchsetzter Rasen eine natürliche Schönheit ausstrahlt. Ich verlasse mich lieber auf die Giftspritze.

Man täusche sich nicht: Ein Garten ist kein natürlicher Ort, sondern ein künst­licher. Er ist Produkt menschlicher Arbeit, nicht natürlicher Fügung. Das macht ihn interessant. Die Natur mag idyllisch sein. Aber nicht auf kleinem Raum. Eine Idylle auf 200 Quadratmeter ist nur auf Kosten der Natur herstellbar und im Kampf gegen sie.

Der Gartenmarkt meiner Wahl verfügt über einige größere Teiche, die für meinen keine Vorbilder sein können, weil sie zu lieblos und nüchtern zwischen ein paar Gehwegplatten aus Waschbeton liegen, die in eine unkrautunterdrückende Schicht aus Rindenmulch gebettet wurden und weil die schwarze Teichfolie lust- und kunstlos über die Ränder lappt. Die Teiche machen also im Ganzen einen ziemlich verwahrlosten Eindruck. Aber es gibt dort Frösche. Und die will ich bei mir auch haben. Ich habe mich also neulich mit den Kindern aufgemacht, um Frösche zu klauen. Kaufen kann man die nämlich nicht. Davon aber das nächste Mal mehr.

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Geschrieben von

Jakob Augstein

Journalist und Gärtner in Berlin

Jakob Augstein

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