Koch oder Gärtner?

Kolumne Heute der Gärtner. Jakob Augstein beantwortet alle Fragen rund um den Garten. Heute: Licht oder Schatten?

Liebe Gartenfreunde, in größerer Zahl erreichen mich jetzt Ihre Zuschriften, in denen Sie mir Fragen nach Wesen und Wirken der Gartenkunde stellen. Das freut mich. Denn der wahre Gärtner will sein Wissen teilen und neues erwerben. Es kam nun gleich die Frage, die eine sich an urbane Leser wendende Zeitung wohl bald erwarten durfte. Die Frage nach dem dunklen Hinterhof. „Welche Pflanzen blühen auch im Schatten und gedeihen gut in Kübeln“, will eine Leserin wissen. Die Antwort, liebe Susanne, hängt davon ab, ob es sich um trockenen oder feuchten Schatten handelt.

Sollte es sich um trockenen Schatten handeln, ist Hopfen und Malz verloren. Dann rate ich Ihnen: Kippen Sie eine Ladung Kies in Ihren Hof, stellen Sie ein paar Gartenzwerge hin – aber lassen Sie von Pflanzen die Finger. Es wird eine elende Quälerei und am Ende haben Sie eine Handvoll halbtotes Gemüse schlapp über den Topfrand hängen. Sollten Sie aber über feuchten Schatten verfügen dann steht Ihnen eine Fülle von Möglichkeiten offen. Wenn nur hin und wieder ein wenig Licht die Blätter erreicht und es nicht stockfinster ist, und wenn der Boden locker ist und gut gewässert, dann können Sie sich über einen Mangel an Auswahl nicht beklagen.

Mein eigener Garten verfügt über mehr Schatten als Licht. Das liegt vor allem an der Eiche auf dem Grundstück des Nachbarn, deren belaubte Krone sich im Sommer wie ein Schirm über ein Drittel des vom Garten aus sichtbaren Himmels spannt. Ich habe darum reiche Erfahrung mit Schattengewächsen und bin darüber ein großer Freund der Funkien geworden.

Die Funkie, oder auch Hosta – übrigens die Staude des Jahres 2009 –, ist eine sehr dankbare Pflanze, die schöne große Blätter hat. Funkien blühen auch. Weiße oder lilafarbene Dolden stehen ein paar Wochen im Sommer und sehen ganz hübsch aus. Aber deswegen pflanzt man eigentlich keine Funkien. Sondern wegen der Blätter. Sie sind wunderbar geformt, haben eine kräftige Struktur, können verblüffend groß werden und halten die ganze Saison hindurch – es sei denn, Sie haben Schnecken im Garten.

Es gibt, wie üblich bei Stauden, eine unübersehbare Zahl an Sorten, die nach Farbe und Form der Blätter benannt werden. In Wahrheit brauchen Sie nicht mehr als zehn davon. Wenn Sie die mischen, erhalten Sie mehr Abwechslung in Ihrem Beet als Sie von einer einzelnen Staudenart erwarten dürfen. Am schönsten sind die Farbtöne, die ins Blaue und Graue gehen. Ich empfehle vor allem die Lanzenfunkie mit ihren dunkelvioletten Blättern, die Blaublattfunkien, dann die Graublatt- und die Weißrandfunkien. Die innen gelben Hosta-Hybriden können mir gestohlen bleiben.

Funkien sind übrigens ein Leibgericht von Schnecken. Unterschätzen Sie niemals die Verzweiflung, die der Anblick durchlöcherter Blätter einer Hosta Sieboldiana Elegans nach dem Besuch von zwei, drei Nacktschnecken hervorrufen kann. Wie auch sonst im Leben hilft hier nur Prävention. Mein Rat: Streuen Sie Schneckenkorn. Und wenn auf der Packung steht, dass Sie nur eine Handvoll nehmen sollen, dann nehmen Sie bitte im Interesse Ihrer Pflanzen die doppelte Menge. Mindestens. Es gibt in den meisten Gärten sowieso kaum Igel. Und Igel blühen auch nicht. Falls es wider Erwarten doch eine Schnecke bis zum Blatt ihrer Träume geschafft haben sollte, müssen Sie selber ran. Ich gehe dann immer mit dem Spaten hinaus, im Morgengrauen oder in der Abend­dämmerung, wenn die Schnecken arglos durchs taubenetzte Gras kriechen. Dann stelle ich mich über sie, beobachte sie eine Weile und spalte sie dann in zwei Teile. Der Funkie hilft es leider nicht mehr. Aber Ihnen. Glauben Sie mir.

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Der digitale Freitag

Mit Lust am guten Argument

Geschrieben von

Jakob Augstein

Journalist und Gärtner in Berlin

Jakob Augstein

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