Obama rührt den Knüppel nicht an

Lateinamerika Gipfel Auf dem Amerika-Gipfel in Trinidad hat Barack Obama einen Dialog mit Havanna angekündigt. Außenministerin Clinton spricht von einer gescheiterten Kuba-Politik der USA

Das Versprechen des US-Präsidenten, beim Amerika-Gipfel auf Trinidad mehr zuhören als urteilen zu wollen, wird ihm jeder gern abnehmen. Nur ist es damit nicht getan, eine Inventur der Lateinamerika-Politik der USA kann nicht auf längst überfällige Korrekturen hinauslaufen, die zu verweigern anachronistisch wäre. Das würde so gar nicht zum Renommee des Reformators im Weißen Haus passen. Wenn etwa die argentinische Präsidentin Kirchner darauf drängt, Kuba künftig von keinem Amerika-Gipfel mehr auszuschließen, können Obama und seine Außenministerin im Prinzip nur so reagieren, wie sie es getan haben: Indem sie 50 Jahre amerikanischer Kuba-Politik als „Fehlschlag“ bezeichnen. Denn aufhalten lässt sich ein fairer Umgang mit Havanna nicht mehr. Von der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) einmal abgesehen, ist der Karibikstaat längst in alle anderen panamerikanischen Allianzen zurückgekehrt. Wer Kuba weiter isolieren will, isoliert sich selbst.
Obama dürfte das wissen, er verdankt es dem Dogmatismus seiner Vorgänger, dass ausgerechnet das Verhältnis zwischen Washington und Havanna, nun zu dem Indikator für die künftigen Beziehungen zwischen den USA und Lateinamerika geworden ist. Was freilich nicht wirklich verwundert. Mehr als ein Jahrhundert lang war dieser Subkontinent ein Opfer amerikanischer Staatskriminalität. Nirgendwo sonst in dieser Welt gab es US-Interventionen in diesem Ausmaß und mit dieser Selbstverständlichkeit wie zwischen Mexiko und Chile. 22 allein im 20. Jahrhundert. Man darf getrost an einen Satz des Sancho Panza aus Don Quijote erinnern: „Und wenn ich erst die Herrschaft habe und den Knüppel, dann tu ich, was ich will.“

Und die Amerikaner wussten, was sie wollten, wenn sie es taten. Als im April 1961 Exilkubaner als Sendboten der Freiheit und Handlanger der CIA auf Kuba landeten, stand die Regierung Kennedy als Mentor und Mäzen dahinter. Weil es Fidel Castro ein Jahr später immer noch gab, ließ Kennedy die Kubaner kurzerhand aus der lateinamerikanischen Staatenfamilie verbannen. Seine Nachfolger hielten daran fest wie an einer Staatsräson, von der die Existenz der der Nation abhing. 1965 schickte Lyndon B. Johnson Truppen in die Dominikanische Republik, um dort ein „zweites Kuba“ zu verhindern. Das drohte angeblich, weil ein linksbürgerlicher Politiker (Juan Bosch) nach einem Wahlsieg zu regieren gedachte. Zu gleichen Zeit begann der gleiche US-Präsident, getrieben von der gleichen antikommunistischen Obsession, Südvietnam mit Phosphor und Napalm einzuäschern.
Im Oktober 1983 erstickte ein US-Angriff das sozialistische Experiment der Neuen JEWEL-Bewegung auf der winzigen Antilleninsel Grenada. Damit die arme Republik zu ein paar touristische Einnahmen kam, bauten die Kubaner dort einen Flugplatz. Das reichte Ronald Reagan, um wegen kommunistischer Expansionsgefahr das Gewehr auszupacken. Den Sandinisten in Nicaragua wurden im Namen von Freiheit und Demokratie die Häfen vermint, offenbar als Strafe für den von ihnen 1979 erzwungenen Abgang des Diktators Somoza. Der war bis zuletzt eine Kreatur der Amerikaner. Nicht geliebt, aber gebraucht. Die Aufzählung müsste noch um so vieles ergänzt werden. Um den CIA-Putsch gegen den Chilenen Salvador Allende 1973 allemal.

Gerechtigkeit für Kuba

Die USA haben sich in Lateinamerika bis in die neunziger Jahre hinein als unermüdliche Fabrik für Diktaturen erwiesen und mit Massenmördern paktiert. Dadurch wurde die Zukunft von Staaten zu schwer verstümmelt, als dass Obama dafür jetzt plötzlich eine Art Generalabsolution beanspruchen könnte. Es sind nicht Welten, die Nord- und Südamerika trennen. Es sind die Erfahrungen, die man miteinander machen musste. Gerechtigkeit gegenüber Kuba wäre ein erster Schritt zur Versöhnung.

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Geschrieben von

Lutz Herden | Jakob Augstein

Journalist und Gärtner in Berlin

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