Politik ist nicht käuflich. Großes Ehrenwort

Großspende Es ist wie immer in Deutschland: Die CDU arbeitet für die Industrie – und die Industrie steht fest an der Seite der CDU
Ausgabe 42/2013
Merkels Strategie: Gegensätze verwischen, Interessen verschleiern, Haltungen vermeiden
Merkels Strategie: Gegensätze verwischen, Interessen verschleiern, Haltungen vermeiden

Foto: Daniel Roland/ AFP/ Getty Images

Das kommt jetzt nicht so passend: In Brüssel stoppt Angela Merkel die CO2-Richtlinie, weil sie deutsche Autobauer schützen will. Gleichzeitig wird bekannt, dass die Quandt-Familie – also die BMW-Eigner – der CDU 690.000 Euro gespendet haben. Wer an Verschwörungstheorien glaubt, wird hier vom Gegenteil überzeugt. So blöd ist kein Konzern, dass er diese zeitliche Koinzidenz und das erwartbare öffentliche Murren absichtsvoll in Kauf nimmt. Ist hier ein Skandal offenbar geworden? Hat sich die Kanzlerin bestechen lassen? Lobbypolitik für gutes Geld? Unsinn. Es ist viel schlimmer. Nämlich so wie immer: Die CDU macht Klientelpolitik für die Industrie, und die Industrie steht fest an der Seite der CDU. Man muss den Quandts beinahe dankbar sein. Jetzt hat die Mär von der „sozialdemokratisierten“ Union und von der Kanzlerin, die ebensogut in der SPD sein könnte, endlich ein Ende. Diese Illusion war immer Teil von Merkels Strategie: Gegensätze verwischen, Interessen verschleiern, Haltungen vermeiden. Die Öffentlichkeit ist ihr auf den Leim gegangen, weil sie ein großes Bedürfnis nach Ruhe hat.

Merkel hat in Brüssel einen Kompromiss torpediert, den das Europäische Parlament und die Mitgliedsstaaten in mühsamen Verhandlungen gefunden hatten. Aus falsch verstandenem deutschen Interesse heraus. Denn die Interessen der Industrie sind in Deutschland schon lange nicht mehr die der Menschen. Was BMW nutzt, muss nicht nützlich für Deutschland sein. Da hat sich ein Missverständnis von Politik und Gesellschaft festgesetzt. Der Nutzen eines Landes und seiner Menschen berechnet sich nicht allein nach der Zahl der Arbeitsplätze. Das ist aber die kurze Rechnung, nach der Merkel Politik macht und nach der in der Öffentlichkeit ihre Politik bewertet wird.

Und wie nebenbei hat Merkel mit ihrer Brüsseler Wende nicht nur die Furcht der Nachbarn vor neuer deutscher Großmannssucht bestätigt, sondern auch noch alle Worte Lügen gestraft, die sie selber in ihrer frühen Phase als „Klima-Kanzlerin“ zur nachhaltigen Wirtschaft gesagt hatte. Das ist keine berechenbare und keine verantwortungsvolle Politik.

Es ist Pech für Merkel, dass die Aktion von Brüssel und die Nachricht von der Spende außerdem noch mitten in die Sondierungsgespräche platzt. Aber es dient der Wahrheitsfindung. Die Grünen sind nach der zweiten Runde ausgestiegen. Was sollen sie mit dieser Kanzlerin anfangen? In Brüssel lässt sie die Klimaziele den Bach runtergehen, in Lampedusa verweigert sie den Armutsflüchtlingen eine humanere Asylpolitik. Der Streit ums Auto wird für die Grünen den Streit ums Atom ersetzen. Da stünde die Partei ziemlich blöd da, an der Seite einer Union, die bei der Autoindustrie die Hand aufhält. Es bleibt das Geheimnis des Baden-Württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann und einer Handvoll liberal-konservativer Journalisten, wie sie an eine schwarz-grüne Koalition glauben konnten.

Die SPD hat es ein bisschen einfacher. Sie hat weniger moralische Substanz zu verlieren. Aber auch für die SPD muss die Großspende der Milliardärsfamilie ein Warnsignal sein. Der Interessengegensatz zwischen dem Arbeiter am Band und dem Großaktionär – früher sprach man vom Klassenunterschied – ist nicht überwunden. Beim Geld kommt Merkels Taktik der Verschleierung an ihre Grenze. Selbst die CDU räumt inzwischen ein, dass der Staat mehr Geld braucht. Entweder er holt es sich bei den Reichen und bei der Industrie. Oder beim Rest der Leute. Will die SPD wirklich mit dieser Kanzlerin koalieren?

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Geschrieben von

Jakob Augstein

Journalist und Gärtner in Berlin

Jakob Augstein

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