Wir hier am Hegelplatz sind am Ende auch nur Büttel des Kapitals. Das ist gar nicht unsere Schuld. Es geht gar nicht anders. Auch wir müssen uns ja nach der Decke strecken, gerade wir als Linke. Auch wir müssen Geld verdienen, die Miete, die Gehälter, das Bier, die Bleistifte, was man so braucht, um Zeitung zu machen, das kostet … Fürs Geld ist bei uns „der Verlag“ zuständig. „Der Verlag“ ist eine Chiffre für alle Kollegen und Kolleginnen, die bei uns mit Geld zu tun haben. Vor allem sind das Kolleginnen. Frauen können mit Geld einfach besser umgehen. Es ist bei uns ein bisschen wie in einem italienischen Restaurant, da sitzt auch immer eine Frau an der Kasse und passt auf, dass nichts wegkommt.
Manchmal kommt „der Verlag“ mit einem Vorschlag auf uns Redakteure zu. „Bald ist Weihnachten, vielleicht machen wir was mit Weihnachten?“ Oder: „Bald ist Buchmesse, vielleicht machen wir was mit Büchern?“ Das hat nie etwas Forderndes, nicht mal etwas Bittendes, höchstens etwas Vorschlagendes. Muss man eigens darauf hinweisen, dass diese Ansinnen „des Verlages“ einen ziemlich profanen Hintergrund haben – den Verkauf? In der kapitalistischen Demokratie hat die Vierte Gewalt ja zur gleichen Zeit zwei Aufgaben zu lösen: die Kontrolle der Macht auszuüben und das eigene Überleben zu sichern. Keine leichte Sache.
Neulich kam also „der Verlag“ und sagte: „Bald ist Sommer, vielleicht machen wir was mit Garten?“ Weil dieser Vorschlag wirklich keinen Eingriff in die redaktionelle Unabhängigkeit darstellt, sind wir ihm gerne gefolgt. Wir haben uns sofort in Klausur begeben und sind daraus mit einer großartigen Gartenserie hervorgegangen.
Wunderbare Texte sind entstanden, über Wohl und Wehe des Gartenlebens, über die natürliche und gesellschaftliche Bedeutung des Gärtnerns. Auch ich habe dazu beigetragen mit einer kleinen Reihe über „Tiere im Garten“. Und gerade als mir die besten Ideen kamen, als sich alles vor meinen Augen zu entwickeln begann, war die Gartenserie schon wieder vorbei. Danke, sagte „der Verlag“, das habt ihr gut gemacht. Wir wenden uns jetzt dem nächsten Thema zu.
Ach, „der Verlag“. Er versteht eben nicht, dass so ein Text auch ist wie eine Pflanze: Man muss ihn hegen und pflegen und immer mal wieder nach ihm sehen, dann gedeiht er und wächst und breitet sich aus … Es hätte doch noch so viel zu sagen gegeben. Wir hatten doch gerade erst begonnen. Aale, Hühner, Füchse, Frösche, Dachse, Pfauen, Karpfen und Krebse – die wunderbare Welt der Tiere lag doch noch vor uns.
Vielleicht höre ich dieses eine Mal nicht auf „den Verlag“ und setze meine Reihe „Tiere im Garten“ einfach fort! Nieder mit der kapitalistischen Verwertungslogik. Revolution! Das wäre es!
Kommentare 2
wenn die ideen über den garten und das nach-haltige gärtnern
die massen ergreift:
dann sind wir schon weiter!
bis dahin :
wünsche ich allen, die ihren garten bestellen:
einen schönen sonn-tag.
Wie gewohnt, ein schöner Text von J. A.. Allerdings ist schön noch nicht gut. Daß nur langwieriges, beharrliches Gärtnern zu bemerkenswerten Ergebnissen führt, ist ja richtig. Das umfassende und durchdringende Analysieren, Planen, kontrollierte Ausführen. Eine Wissenschaft für sich. Wenn hier Gärtnern pars pro toto steht, muß man zustimmen. Und ein linkes Blatt sollte nicht nach dem ersten Schritt wieder zum Tagesgeschäft übergehen, sondern an der Sache bleiben.
Allerdings kann man es auch so lesen, daß ein Revolutiönchen sein Mütchen kühlen soll. Musil hat sich einmal über das „geniale Reitpferd“ mokiert. Das läßt sich auf die Revolutionen im Schrebergarten, am Kochtopf, in der Fußballphilosophie usw übertragen. Insofern hat der Verlag recht, auf thematischer Vielfalt zu insistieren, die Revolution nicht auf eine Richtung zu verengen. J. A. möge also gärtnernd das Paradigma der Revolution verfolgen, andere können es auf den unzähligen anderen Wegen, Denkrichtungen, und so möge synergetisch das revolutionäre Potential wachsen. Hier sind neben den Meinungsmedien hauptsächlich Wissenschaft und Kunst gefordert.